Tests und Assessments im betrieblichen Personalwesen
1 Einleitung
Die Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen vieler Unternehmen haben sich in den letzten etwa zwei Jahrzehnten rasant verändert. Die technologische Entwicklung und hier insbesondere das Voranschreiten der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien haben zu einer fortschreitenden Globalisierung mit Internationalisierung des Wettbewerbs, aber auch zur Entwicklung neuer Märkte und Geschäftsmodelle beigetragen. In Verbindung mit häufig gesättigten Märkten sind zudem Kunden anspruchsvoller, informierter und zunehmend preisbewusster geworden. Die Unternehmen sehen sich einem komplexen Spannungsfeld gegenüber, das zudem ständiger Veränderung unterworfen ist. Um diesen Veränderungen zu begegnen und Wettbewerbsvorsprünge zu behaupten bzw. ständig weiter auszubauen, ist eine hohe Innovationsrate erforderlich. Die Halbwertzeit des Wissens wird zunehmend kürzer. Diese Herausforderungen sind nur mit hoch qualifiziertem Personal zu meistern (vgl. Gebert / von Rosenstiel (2002), S. 402, vgl. Hell / Schuler / Boramir / Schaar (2006), S. 59). Qualifiziertes und motiviertes Personal gilt daher mehr denn je als wichtiger Erfolgsfaktor. Aber auch die Mitarbeiter selbst ändern sich: Zum einen sind Erwartungen etwa an Führungsqualitäten der Vorgesetzten und Unternehmenskultur oft anspruchsvoller geworden, zum anderen sehen sich Unternehmen einem erheblichen demographischen Wandel gegenüber. Angesichts der Vielfalt der skizzierten Herausforderungen ist es nicht verwunderlich, dass das Personalmanagement mittlerweile in vielen Unternehmen eine erhebliche strategische Bedeutung einnimmt. (vgl. Stock-Homburg (2008), S. 4)
Diese strategische Dimension hat in den letzten Jahren vielerorts zu einer Professionalisierung der Aufgaben des Personalmanagements beigetragen. Zu diesen Aufgaben gehören neben der Führung von Mitarbeitern und Teams wesentlich die Gewinnung, Entwicklung und Beurteilung von Mitarbeitern (vgl. Stock-Homburg (2008), S. 16). Ausdruck der genannten Professionalisierung ist im Bereich der Gewinnung und Entwicklung von Mitarbeitern zunehmend der Einsatz systematischer Verfahren, zu denen auch Tests und Assessments gehören (vgl. Berthel & Becker (2007), S. 222). Konsequenter Weise hat der Einsatz von Tests in deutschen Unternehmen in den letzten Jahren zugenommen (vgl. Schuler / Höft (2006), S. 105) und nimmt weiter zu.
In diesem Artikel sollen die strategische Bedeutung und die Vorteile und Chancen, aber auch eventuelle Probleme des Einsatzes von Tests und Assessments in Unternehmen sowie einige gewonnene Erfahrungen betrachtet werden. Am Schluss wird zudem ein Ausblick auf einige Trends gegeben. Doch zuvor sollen Begriff und Einsatzfelder von Tests und Assessments im Personalmanagement kurz angesprochen werden.
2 Tests und Assessments: Begriffe, Formen und Einsatzfelder
Allgemein können Tests als Formen der Erhebung von Verhaltensmerkmalen, Eigenschaften sowie Fähigkeiten und Kompetenzen von Personen unter standardisierten Bedingungen aufgefasst werden (vgl. Berthel / Becker (2007), S. 222, vgl. Schuler / Höft (2006), S. 104). „Standardisierung“ bezieht sich dabei auf Inhalt, Auswertung und Interpretation der Daten. Im Bereich des Personalmanagements wird häufig zwischen Verfahren zur Ermittlung von Kompetenzen (vgl. Erpenbeck / von Rosenstiel (2007), S. XXIII) und Qualifikationen sowie zur Ermittlung von Motiven und Persönlichkeitseigenschaften unterschieden (vgl. Berthel / Becker (2007), S. 223f., vgl. Schuler (2009), S. 132f., vgl. ausführlich auch Schuler / Höft (2006), S. 104f.).
Zu kompetenzbezogenen Tests zählen zunächst Tests zur Messung der allgemeinen Intelligenz. Hierzu liegt eine Reihe standardisierter und erprobter Verfahren für verschiedene Personengruppen vor. Intelligenztests sind eine Form von Leistungstests. (Weitere) allgemeine Leistungstests messen Merkmale wie Konzentration, Aufmerksamkeit oder Leistungsfähigkeit unter Stress, daneben sind spezifische Leistungstests wie z.B. fachspezifische Wissenstests für bestimmte Arbeitsplatzaufgaben bzw. Qualifikationen verfügbar.
Persönlichkeits-, Motivations- und Interessentests sind die zweite wichtige Gruppe von Verfahren. Persönlichkeitstests zielen ab auf die Erfassung von nicht-kognitiven Teilaspekten der Persönlichkeit, wie Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit oder Kommunikationsstärke, Interessentests dienen der Erfassung spezifischer motivationaler Faktoren.
Der Begriff des Assessments wird demgegenüber etwas unterschiedlich verwendet. Zum einen werden hierunter allgemein Verfahren zur Beurteilung und Vorhersage beruflich relevanter Variablen zur Abschätzung der Eignung (vgl. Konradt / Sarges (2003), S. 7) verstanden, also auch Tests. Zum anderen werden im „Assessment Center“ auch spezifische eignungsdiagnostische Situationen hergestellt, die oft als mehrstündige oder auch mehrtägige Veranstaltungen organisiert sind (vgl. Berthel / Becker (2007), S. 225), wobei oft verschiedene Methoden miteinander kombiniert werden.
Neben Tests und Assessments sind eine Reihe weiterer Verfahren der Beurteilung und Einschätzung von Personen im Einsatz, wie etwa Interviews und Fragebögen, Arbeitsproben, Situational Judgement Tests, computergestützte Szenarien und Simulationen usw. (vgl. Geister / Rastetter (2009), S. 8, vgl. Schuler (2009), S. 126f.) Diese können aber auch Bestandteile von Assessment-Centern sein.
Die Einsatzfelder von Tests und Assessments sind vielfältig. Eine grobe Unterteilung kann nach Personalauswahl sowie Personalentwicklung erfolgen. Die Personalauswahl beinhaltet das Thema Mitarbeitergewinnung / Recruitment, die Personalentwicklung umfasst vor allem die Weiterbildung und - damit zusammenhängend - Beratung (vgl. Domsch (2009), S. 414f.). Personalauswahl kann weiter in die externe und die interne Personalauswahl gegliedert werden, wobei letztere nicht nur die interne Besetzung von Arbeitsplätzen, sondern auch die Selektion für Personalentwicklungsmaßnahmen beinhalten kann (vgl. Hell / Schuler / Boramir / Schaar (2006), S. 60). In allen Anwendungsfällen werden Tests und Assessments in der Regel nicht isoliert eingesetzt, sondern sie sind oft Bestandteil einer umfassenderen Diagnostik. Im Recruitment etwa spielen neben eventuellen Tests auch Bewerbungsunterlagen und Einstellungsgespräche eine Rolle. Tests und Assessments werden darüber hinaus für unterschiedliche Mitarbeitergruppen wie Auszubildende, Trainees, Fachkräfte sowie Führungskräfte eingesetzt (vgl. Schuler / Höft (2006), S. 104).
3 Tests und Assessments im betrieblichen Personalwesen: Vorteile, Grenzen und Verbreitung
Nachfolgend werden einige Vorteile und Probleme bzw. Herausforderungen des Einsatzes von Tests und Assessments beschrieben. Im Anschluss wird auf den Stand des Einsatzes von Tests und Assessments in Unternehmen eingegangen.
3.1 Vorteile des Einsatzes von Tests und Assessments
Als Vorteile des Einsatzes von Tests und Assessments haben sich eine verbesserte Selektion, eine höhere Verfahrenseffizienz und eine relativ hohe Akzeptanz herausgestellt.
Eine verbesserte Selektion führt zu einem erheblichen Produktivitätszuwachs. Wie mehrfach gezeigt werden konnte (vgl. Schuler (2009), S. 141), führt eine mäßige bis hohe Selektionsquote in Verbindung mit hoher Validität1 der eingesetzten Verfahren zu Steigerungen der Produktivität des Unternehmens um bis zu 150%. Die prognostischen Validitäten allgemeiner kognitiver Fähigkeitstests in Bezug auf den Berufserfolg liegen bei 0,5, so dass mit diesen Verfahren häufig bereits ein Viertel des zu erwartenden Berufserfolgs vorhergesagt werden kann (vgl. Schuler (2009), S. 142.)2. Dies hängt allerdings auch von den Berufsgruppen und den gewählten Erfolgskriterien ab. Im Mittel ist jedoch die Vorhersagekraft vor allem allgemeiner kognitiver Fähigkeitstests für den Berufserfolg im Vergleich mit anderen, zum Teil deutlich aufwändigeren Methoden beträchtlich (vgl. eine entsprechende Übersicht über die Validitäten verschiedener Verfahren bei Schuler (2009), S. 142).
Der Produktivitätszuwachs dürfte auch damit zusammenhängen, dass der Einsatz von Tests und Assessments eine Explikation der Regeln erfordert, nach denen personalbezogene Entscheidungen getroffen werden (vgl. Geister / Rastetter (2009), S. 12). Dadurch müssen Personalverantwortliche in Zusammenarbeit mit zuständigen Fachabteilungen die geforderten Kompetenz- / Qualifikationsprofile genau festlegen. Die Genauigkeit der Passung von Stellen- und Bewerberprofil und damit die Zielgenauigkeit des Assessments werden dadurch gesteigert.
Damit ist bereits ein weiterer Vorteil angesprochen: Verfahrenseffizienz. Tests und Assessments liefern auch im Verhältnis zum Durchführungsaufwand und zu der für ihren Einsatz erforderlichen Kompetenz oft aussagekräftige Ergebnisse, die wiederum zu entsprechend hohen Nutzeneinschätzungen dieser Instrumente führen (vgl. Hoffmann / Melchers / Blair / Kleinmann / Ladd (2011), S. 351f)3. Einsatz und Auswertung von Tests und Assessments erfolgen in zunehmendem Maße über das Internet, und besonders augenfällig wird die Verfahrenseffizienz bei Online-Tests und Assessments auch für die Bewerber, da die Tests zeit- und ortsunabhängig bearbeitet werden können. Hier werden Zeit und Kosten sowohl auf Unternehmensseite als auch auf Bewerberseite eingespart.
Dies wirkt sich auch positiv auf die Akzeptanz aus, welche als weiterer Vorteil des Einsatzes von Tests und Assessments gilt (vgl. Schaper (2009), S. 32). Neben dem Ökonomie-Aspekt ist die Akzeptanz dieser Verfahren sowohl durch Bewerber als auch Unternehmen zudem auch deshalb oft relativ gut, weil diesen Verfahren auch von den Bewerbern eine gewisse Objektivität zugestanden wird. Unternehmen schätzen die Validität von Tests und Assessments deutlich positiver ein als etwa Interviews oder Mitarbeiterbeurteilungen (vgl. Hell / Schuler / Boramir / Schaar (2006),S. 69). Webbasierte Verfahren können zudem als Selbsttests bzw. Self-Assessments eingesetzt werden. In diesen Tests sind Aufgaben und Anforderungen einer ausgeschriebenen Stelle enthalten, so dass sich der Bewerber im Vorfeld selbst prüfen kann und sich damit gegebenenfalls eine vergebliche Bewerbung ersparen kann (vgl. Geister / Rastetter (2009), S. 5). In diesem Sinne unterstützen Online-Tests die Selbstselektion (vgl. Schaper (2009), S. 18). Im Bereich der externen Personalauswahl können sie zudem zur Vorauswahl (Screening) eingesetzt werden (vgl. Geister / Rastetter (2009), S. 6). Diese Möglichkeit der Vorselektion ist ein Beispiel für die Erschließung weitergehender Nutzungsmöglichkeiten durch Online-Assessments. Auch lassen sich Online-Tests effektiv und preiswert um weitere Prädiktoren ergänzen, die zusätzlich mit abgefragt werden können (vgl. Konradt / Sarges (2003), S. 7-8).
Allerdings setzen diese Einsatzformen eine angemessene Validität und Reliabilität der eingesetzten Verfahren voraus, da anderenfalls zu viele geeignete Kandidaten durch Selbstselektion bzw. Screening ausfallen bzw. zu viele ungeeignete Kandidaten in die engere Wahl kommen.
3.2 Probleme und Grenzen von Tests und Assessments
Dem Einsatz von Testverfahren sind jedoch auch Grenzen gesetzt. Insbesondere bei den Online-Varianten ergeben sich Probleme bei der Kontrolle der Verfahrensdurchführung. Hard- und Softwareprobleme auf Bewerberseite können immer wieder zu Problemen führen, zumal die technische Entwicklung weitere Nutzungsmöglichkeiten etwa über Smartphones oder Tablet PCs erschließt (vgl. Dalir / Röllke (2012), S. 23f). Datenschutzaspekte (vgl. Schuler (2009), S. 140) sowie rechtliche und ethische Aspekte können den Einsatz der Verfahren ebenfalls einschränken. Nicht zu unterschätzen sind auch die Kosten für Beschaffung (oder gar Entwicklung), Pflege und Administration der Verfahren, insbesondere auch der Online-Varianten. Eine weitere Schwierigkeit ist die Ermittlung bzw. Überprüfung der Testgütekriterien, die in bestimmten Zeitabständen wiederholt werden muss. Insgesamt werden daher für ein Online-Assessment durchschnittliche Kosten zwischen 20.000 und 80.000 Euro angegeben (vgl. Geister / Rastetter (2009), S. 13). Damit scheint klar, dass komplette Anwendungen derzeit vorrangig für große Unternehmen in Frage kommen. Allerdings lassen sich für kleinere Unternehmen auch preiswertere Lösungen etwa durch Dienstleister konzipieren (vgl. Schaper (2009), S. 33). Zudem kann der Nutzen in Form von Produktivitätszuwachs und Passgenauigkeit von Stellenbesetzungen sowie Personalentwicklungsmaßnahmen diese Kosten rasch aufwiegen.
Eine weitere Einschränkung ist derzeit durch die weitgehende Beschränkung auf standardisierte Fragebogen gegeben (vgl. Schuler (2009), S. 140), die die Möglichkeiten der Interaktivität und Multimedialität kaum nutzen (vgl. Geister / Rastetter (2009), S. 10). Die Einbeziehung weiterer Verfahren wie etwa computergestützter Simulationen ist allerdings in vielen Fällen technisch durchaus möglich; hier stellt eher die konzeptionelle Seite einer geeigneten Kombination verschiedener Verfahren für definierte Anforderungsprobleme eine Hürde dar. Der Erfolg einer Kombination verschiedener Verfahren ist derzeit als unterschiedlich zu beurteilen (vgl. Geister / Rastetter (2009), S. 8, vgl. Schuler (2009), S. 142).
3.3 Zum Einsatz von Tests und Assessments in deutschen Unternehmen
Im deutschsprachigen Raum findet zum Einsatz von Tests und Assessments in Unternehmen eine Untersuchung statt, die alle zehn Jahre aktualisiert wird. Die Studie, die letztmals in den Jahren 2005 / 2006 stattfand, betrachtet den Einsatz verschiedener Instrumente der externen und internen Personalauswahl. In die Studie wurden Unternehmen unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Branchen einbezogen (vgl. Schuler / Hell / Trapmann / Schaar / Boramir (2007), S. 62).
Für die externe Personalauswahl verwenden nahezu alle Unternehmen nach wie vor das Instrument des persönlichen Vorstellungsgesprächs. Soweit Tests und Assessments eingesetzt werden, stellen diese also stets eine Ergänzung zum Einstellungsinterview (und gegebenenfalls weiteren Instrumenten) dar. Persönlichkeitstests sowie Tests allgemeiner kognitiver Fähigkeiten (z.B. Intelligenztests, Leistungstests) werden von etwa einem Viertel der einstellenden Unternehmen eingesetzt; Leistungstests werden dabei häufiger eingesetzt als Persönlichkeitstests. Allerdings werden meist nach wie vor als Offline-Versionen. Online-Self-Assessments sowie Online-Persönlichkeitstests und Online-Intelligenztests werden von etwa 2% bis 4% der Unternehmen eingesetzt. Allerdings gibt es ein Potenzial von etwa 20% der Unternehmen, die den Einsatz von Online-Verfahren für die nahe Zukunft planen (vgl. Schuler / Hell / Trapmann / Schaar / Boramir (2007), S. 69). In Bezug auf die externe Personalauswahl unterscheiden sich die eingesetzten Verfahren für die verschiedenen Bewerbergruppen des Weiteren erheblich. So werden Persönlichkeitstests überwiegend bei Führungskräften eingesetzt, Tests zur Messung kognitiver Fähigkeiten hingegen eher bei Auszubildenden.
Bei der internen Personalauswahl ergibt sich bisher ein weitgehend ähnliches Bild: Tests und Assessments werden in diesem Rahmen von zwischen 3% (Intelligenztests) und 7% (Persönlichkeitstests) der Unternehmen eingesetzt (vgl. Hell / Schuler / Boramir / Schaar (2006), S. 63), Online-Tests gar nur von 1,6%. Auch hier bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Zielgruppen, so werden etwa Intelligenz- und Leistungstests vorwiegend bei Facharbeitern und Angestellten ohne Führungsaufgaben eingesetzt, aber kaum bei Führungskräften.
Deutsche Unternehmen setzen Tests und Assessments also in noch relativ geringem Umfang ein. Hierin unterscheiden sie sich deutlich von Unternehmen im Ausland: Während der Einsatz von Leistungs-, Intelligenz- und Persönlichkeitstests bei Führungskräften im einstelligen Prozentbereich liegt, betragen diese Anteile im europäischen Ausland - wiederum bezogen auf Führungskräfte - zwischen 32 und 75% (vgl. Schuler / Höft (2006), S. 104). Allerdings wird, wie schon berichtet, von einer weiteren Zunahme sowohl von Offline- als auch Online-Tests und Assessments in Deutschland ausgegangen.
4 Fazit und Ausblick
Generell lässt sich sagen, dass gerade im deutschsprachigen Raum in Bezug auf den Einsatz von Tests und Assessments im betrieblichen Personalwesen erhebliches Potenzial besteht. Dies ist etwas erstaunlich - einerseits vor dem Hintergrund der viel größeren internationalen Verbreitung von Test und Assessments, andererseits aber auch vor dem Hintergrund der unbestreitbaren Vorteile, die mittlerweile mehrfach sowohl in Studien als auch in einer Reihe von Best Practice Erfahrungen bestätigt wurden (z.B. Einsatz von Online-Assessments bei der Lufthansa AG, vgl. Wiedmann (2009), S. 105f). Einige Gründe für die bisherige Zurückhaltung können sein:
- Eine bisher relativ hohe Intransparenz des Marktes in Verbindung mit einer nahe- zu unübersehbaren Begriffsvielfalt, die es gerade für weniger erfahrene Unternehmen schwierig macht, aussagekräftige, ihren Zwecken angemessene Tests zu finden (vgl. Seiffert (2009), S. 294).
- Beträchtliche Anforderungen an das unternehmensinterne KnowHow bei der Auswahl angemessener Verfahren vor dem Hintergrund der jeweiligen Stellenanforderungen, sowie bei der Durchführung und Interpretation bzw. Gewichtung der Ergebnisse. Gerade kleinere Unternehmen können das hierfür erforderliche Spezialwissen nicht vorhalten.
- Mangelndes Knowhow im Bereich des Controllings im Personalbereich, konkret: bei der Durchführung der erforderlichen Kosten-Nutzen-Analysen. In der Folge unterbleiben qualifizierte Kosten-Nutzen-Analysen häufig, so dass der Return of Invest der Investitionen nicht abgeschätzt werden kann.
- Gelegentlich hohe Anforderungen bei der Konzeption integrierter Verfahren der Qualifikations- und Kompetenzmessung. Es kommt ja in der Praxis nicht nur auf den Einsatz eines bestimmten Verfahrens an, sondern vielmehr auf ein Konzept, das verschiedene Verfahren und Methoden in integrierter Weise aufeinander abstimmt.
Gerade der letztgenannte Punkt dürfte in Zukunft in der Diskussion zunehmend Beachtung erfahren. Beispielsweise ergeben sich mit der fortschreitenden Entwicklung von Online-Verfahren der Personalauswahl und -entwicklung neue Anforderungen an die Kommunikation mit Bewerbern bzw. Mitarbeitern (vgl. Holm (2012), S. 251f), da die persönliche Kommunikation durch zunehmende Verbreitung von Online-Tools zurückgedrängt wird. Ein weiterer Zukunftstrend dürfte in der Weiterentwicklung von Self-Assessments zur Selbstselektion bzw. Vorselektion / Screening liegen. Diese Weiterentwicklungen dürften sich sowohl auf die technische Umsetzung - etwa im mobilen Bereich - als auch auf die Entwicklung und Qualitätssicherung weiterer geeigneter Verfahren beziehen.
1 Die Selektionsquote ist definiert als Prozentsatz eingestellter Personen aus der Zahl der Bewerber. Die Validität eines Tests ist seine Gültigkeit in Bezug auf das Konstrukt, das er messen will.
2 Die Vorhersagekraft bzw. Varianzaufklärung ist das Quadrat der Korrelation.
3 Eine gewisse Ausnahme hierzu stellen Assessment Center dar, die - wie schon angesprochen - mit erheblichem Aufwand verbunden sind, aber andererseits auch die Erfassung multipler arbeitsplatzrelevanter Verhaltens- und Eigenschaftsdimensionen beanspruchen.
Literatur
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