Die sieben größten Fehler bei der Suche und Auswahl von Mitarbeitern

Nach entsprechender Ausbildung und vielen Jahren an Berufserfahrung – sowohl als Recruiter wie auch als Trainer in diesem Fachbereich – ist es meine Überzeugung, dass Misserfolge bei der Besetzung von offenen Stellen in Organisationen oft auf wenigen grundlegenden Fehlern beruhen. In diesem Artikel stelle ich diese Fehler kurz und überzeichnet dar.

Fehler 1: Investieren Sie nicht in das Image Ihres Unternehmens am Arbeitsmarkt. Bewerber findet man sowieso wie Sand im Meer.

Natürlich. Sie haben schon Recht. Einem Arbeitslosen, der verzweifelt seit Monaten nach einem neuen Job sucht, ist es wahrscheinlich egal, welches Image Ihr Unternehmen nach außen trägt.

Schnell kann sich das Blatt jedoch wenden.

Sobald Sie in dünn besetzten Spezialisten-Arbeitsmärkten „fischen“ oder plötzlich in Ihrer Region im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern nach den viel versprechendsten Lehrlingsbewerbern stehen, wäre es hilfreich, in der Öffentlichkeit als attraktiver Arbeitgeber gesehen zu werden. „Employer-branding“-Maßnahmen wirken nämlich nicht schnell, sondern brauchen Zeit, um ins Bewusstsein ihres relevanten Arbeitsmarktes einsickern zu können. Daher steht idealerweise ganz am Beginn Ihrer Recruiting-Strategie der Blick in die Zukunft und das Setzen der geeigneten Personalmarketing-Aktivitäten.

Fehler 2: Nicht lange nachdenken und den Prozess planen – gleich mit der Suche beginnen!

Welcher Recruiter kennt sie nicht, diese typische Situation im beruflichen Alltag:

Eine Führungskraft ruft an oder „schneit“ ins Büro mit der Botschaft, dass die Geschäftsleitung die Nach- oder Neubesetzung einer Stelle genehmigt hat und er/sie sich daher wünscht, dass wir uns sofort auf die Suche machen! Auf unsere Frage nach dem Anforderungsprofil hört man oft die Antwort: „Ach, Sie wissen schon, wie immer“, oder: „Das Stellenprofil liegt doch sowieso im Intranet auf.“

Jetzt sofort mit der Suche zu starten, wäre ein großer Fehler!

Denn auch der Prozess der Besetzung einer offenen Position muss entsprechend geplant werden. Folgende Phasen sind zu unterscheiden:

  • Analyse der Stelle und Planung des Prozesses
  • Suchphase
  • Auswahlphase
  • Entscheidungsphase
  • Aufnahme- bzw. Integrationsphase

Die Stellenanalyse ist der unverzichtbare Arbeitsschritt am Beginn des Rekrutierungsprozesses. Zwischen der verantwortlichen Führungskraft für die offene Position (= Bedarfsträger) und dem Recruiter müssen zumindest folgende Punkte eindeutig geklärt werden:

Das Stellenprofil

  • Wie lautet die Bezeichnung der Stelle?
  • Was ist das Ziel der Stelle bzw. was ist das Ergebnis der Arbeit des Stelleninhabers?
  • Was sind die wesentlichen 4 bis 7 Hauptaufgaben des Stelleninhabers?

Das Anforderungsprofil

basiert auf dem Stellenprofil und gibt Antwort auf die Fragen:

  • Welche Ausbildung(en) sollte der Bewerber erfolgreich absolviert haben?
  • Welche Berufserfahrung sollte er vorweisen können?
  • Welche fachlichen Kompetenzen benötigt er?
  • Welche persönlichen und sozialen Kompetenzen sollte er mitbringen?

Die Stellenanalyse sollte immer gemeinsam mit der Führungskraft erstellt werden. Sie nimmt nicht mehr als 30 bis 60 Minuten in Anspruch und konstruiert ein gemeinsames klares Bild von der zu besetzenden Stelle in der Aufbauorganisation des Unternehmens und der Person, die man idealerweise als neuen Mitarbeiter für diese Stelle gewinnen will.

Das Vorliegen des Stellen- und Anforderungsprofils ermöglicht nun, die nächsten Projektschritte zeitlich festzulegen:

  • Wie und wie lange soll gesucht werden?
  • Welche Auswahlschritte werden wann absolviert?
  • Wann soll die Entscheidung fallen und wer soll dabei miteinbezogen werden?
  • Wann soll der erste Arbeitstag des neuen Mitarbeiters sein?

Diese zeitliche Festlegung ist möglich, da alle dafür notwendigen Informationen vorliegen. Auf Basis des Anforderungsprofils kann bestimmt werden,

  • welche Suchwege genommen werden – interne Suche, Suche über Internet-Jobbörsen, inseratgestützte Suche in Tageszeitungen etc. und
  • welche Auswahlmethoden benötigt werden (Interview, Tests, ACs etc.).

Die genaue Festlegung der Termine führt dazu, dass der Such- und Auswahlprozess möglichst kurz ausfällt. Dies wiederum erhöht die Chance, den besten Bewerber zu gewinnen. Denn, wie wir alle wissen, sind diese immer nur kurz am Arbeitsmarkt verfügbar.

Wer der Verführung erliegt, auf die Analyse und/oder Planung zu verzichten, dem mag es leicht passieren, dass

  • nachdem ein entsprechender Bewerberpool vorhanden ist, die zuständige Führungskraft keine Zeit für Bewerbungsgespräche oder die Teilnahme als Beobachter an einem AC hat;
  • die Führungskraft mit der Qualität der Bewerbungen unzufrieden ist und meint, dass ja ganz andere Ausbildungen und Berufserfahrungen benötigt würden;
  • von Schritt zu Schritt geplant wird und der Gesamtprozess schlussendlich eine Laufzeit von mehreren Monaten hat, obwohl er auch in 2 bis 3 Wochen abschließbar gewesen wäre.

Fehler 3: Wozu konzentriert suchen, der/die Erste ist gut genug!

Oft wird nur halbherzig gesucht und nur wenige Bewerbungen liegen zu dem Zeitpunkt vor, der als Start der Auswahlphase geplant war. Dabei wird offensichtlich ein Grundgesetz übersehen: Die Qualität der Auswahlentscheidung hängt ab von der Qualität der Bewerber im Pool!

Es sind daher, wenn nötig, mehrere Suchwege gleichzeitig zu beschreiten, damit nach maximal 2 bis 3 Suchwochen zumindestens 20, idealerweise jedoch ca. 50 Bewerbungen für eine offene Stelle vorliegen.

Wenn Ihre Bewerberevidenz gut gefüllt ist, geht das natürlich in noch kürzerer Zeit und selbstverständlich gibt es auch Positionen, wo selbst eine angestrengteste Suche nur wenige potenzielle Bewerber hervorbringt.

Auch macht es keinen Sinn, zuerst nur einen Suchweg zu beschreiten (z. B. Ausschreibung auf der unternehmenseigenen Homepage), nach 2 bis 3 Wochen zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass nur wenige Bewerbungen eingetroffen sind, und einen weiteren Suchweg (z. B. Inserat in einer Internet-Jobbörse) dazuzuschalten. Für die Bewerber aus der ersten Suchphase wird die Gesamtprozessdauer unzumutbar lang. Die Besten werden in dieser Phase eventuell verloren gehen und unnötiger Kommunikationsaufwand mit den Bewerbern entsteht (Geduldsbriefe, Telefonate etc.).

Fehler 4: Suchen Sie nach der sprichwörtlichen „eierlegenden Wollmilchsau“!

Führungskräfte wollen Sie dazu verführen, unrealistische Anforderungen an den neuen Mitarbeiter zu akzeptieren. Erliegen Sie dieser Verführung und Sie werden kaum erfolgreich rekrutieren! Der Job des HR-Profis ist es, im Gespräch mit der Führungskraft, „nice to have“- von „must“-Anforderungen zu trennen und, die nötige Kenntnis des Arbeitsmarktes vorausgesetzt, das Anforderungsprofil so festzulegen, dass auch eine realistische Chance besteht, passende Bewerber zu finden. Hilfreich ist es, darauf zu achten, welche Anforderungen eventuell auch nachträglich schnell erlernbar sind und nachzusehen, ob es nicht im eigenen Unternehmen auch Beispiele für erfolgreiche Mitarbeiter in ähnlichen Positionen gibt, die mit geringerer Ausbildung oder weniger Berufserfahrung gestartet sind.

Fehler 5: Suchen Sie nicht intern. Sie füllen eine Lücke und öffnen die Nächste.

Mittelgroße bis große Unternehmen sollten in der Lage sein, 70 % der „Nicht-Einstiegspositionen“ intern zu besetzen. Möglichkeit zur beruflichen Karriere ist nach wie vor ein wichtiger Motivator für viele Mitarbeiter. Dies zu verwehren oder zu behindern führt dazu, dass gerade die Leistungsträger dem Unternehmen verloren gehen. Denn Mitarbeiter, die sich weiterentwickeln wollen, können nicht daran gehindert werden.

Führungskräfte, die dies trotzdem versuchen, schaden daher dem Mitarbeiter und dem Unternehmen!

Natürlich. Eine interne Nachbesetzung öffnet eine neue Lücke, die wiederum zu besetzen ist. Doch es sind gerade diese internen Verschiebungen und Rotationen, die das Know-how im Unternehmen wachsen lassen!

Fehler 6: Der Bewerber ist ein Bittsteller. Behandeln Sie ihn entsprechend.

Immer noch ist es geübte Praxis, auf Bewerbungen nicht zu antworten oder diese wochenlang liegen zu lassen, bis man sich bemüht zu reagieren. Und dies im Zeitalter des Internets, wo oft schon wenige Stunden nach der Schaltung einer offenen Position, die ersten Bewerbungen via E-Mail eintreffen. Hat der Bewerber nicht das Recht, genauso schnell auch seine Antwort zu erhalten? Mit der Einrichtung einer „automatic response“ eigentlich eine leichte Übung.

Die nächste bewerberfeindliche Realität wartet in Form eines intransparenten Auswahlprozesses auf den potenziellen neuen Mitarbeiter. Selten erfährt der Bewerber, wann welche Schritte im Auswahlprozess stattfinden werden, und noch seltener werden diese zugesagte Termine dann auch eingehalten. Eine Praxis, die im Umgang mit Kunden und Partnern im Geschäftsleben unmöglich wäre!

Fehler 7: Sorgfältig überlegte Auswahlmethoden sind nicht erforderlich. Es entscheidet sowieso der erste Eindruck!

Zu den hartnäckigsten Fehlern im Recruiting führt die Arroganz, zu glauben, nach wenigen Sekunden oder Minuten die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen sowie insbesondere seine Persönlichkeit richtig einschätzen zu können. Diese maßlose Selbstüberschätzung führt zu selektiver Wahrnehmung im Kontakt mit dem Bewerber und damit zu falschen Ergebnissen.

Um diesen Fehler zu vermeiden, ist es erforderlich, auf Grundlage des Anforderungsprofils die passende Auswahlmethode zu wählen. Wenn man z. B. die Fähigkeit eines Bewerbers überprüfen will, eine Gruppe in einer Teamaufgabenstellung zu führen, wird dies im Rahmen eine Bewerbungsgesprächs nicht gelingen. Ebenso wenig ist die Fähigkeit, einen Gabelstapler schnell und sicher zu bewegen, in einem Gespräch auszuloten. Andererseits ist das Bewerbungsgespräch natürlich eine hervorragende Methode, die Fähigkeit zur Kommunikation in 4- oder 6-Augen-Gesprächen zu überprüfen, bzw. ist es jene Methode im Auswahlprozess, mit welcher viele für beide Seiten relevante Informationen ausgetauscht werden können.

Resümee

Selbstverständlich braucht es mehr als nur die Vermeidung der oben genannten Fehler, um Erfolg im Recruiting zu haben. Doch wie so kommt es auch in diesem Fachbereich darauf an, dass die Grundlagen beherrscht werden. Nur dann macht es auch Sinn, sich z. B. in der Interview- und Fragetechnik zu vervollkommnen oder sich zum Spezialisten in der Anwendung von Tests oder ACs zu entwickeln.

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