Warum es sich lohnt, das teuerste Unternehmenskapital zu pflegen

„Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital“ – dieser Satz ist in Geschäftsberichten oder Unternehmensbroschüren häufig zu lesen. Leider bleibt es oft bei dieser Floskel. Gerade in Krisenzeiten fallen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung schnell dem Rotstift zum Opfer. Doch auch ohne zusätzliche finanzielle Mittel gibt es viele Möglichkeiten, ein angenehmes Betriebsklima zu schaffen, die Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen und damit die Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Dazu gehören vor allem kurze Wege und eine offene Unternehmenskultur – mit Platz für den Menschen. Langsam scheint sich diese Erkenntnis in den Unternehmen wieder durchzusetzen. Denn Mitarbeiter sind in der Tat das wertvollste und teuerste Kapital eines Unternehmens, das es sich zu pflegen lohnt.

In Krisenzeiten reagieren viele Unternehmen erst mit harten Strukturierungsmaßnahmen und rigorosen Kostensenkungen. Danach stehen sie vor der Aufgabe, ihre Mitarbeiter wieder zu motivieren. Somit rücken weiche Themen wie Personalführung wieder nach oben auf der Agenda. Zu diesem Resultat kommt auch die Boston Consulting Group (BCG) in der aktuellen Studie "Organisation 2015". Mehr als 1000 Führungskräfte und Experten für Organisationsentwicklung wurden befragt. Demnach gewinnen weiche Themen wie Personalführung, Mitarbeitermotivation und Unternehmenskultur wieder an Bedeutung. Und zwar aus einem reinen ökonomischen Grund: Sie beeinflussen messbar den Unternehmenserfolg.

Erhalt der Mitarbeiterzufriedenheit vorrangig

Dass die Mitarbeiter im wahrsten Sinn des Wortes das "teuerste" Kapital darstellen, offenbart ein Blick auf die Kosten. Die Personalkosten machen in der heutigen Unternehmenswelt den Löwenanteil der Ressourcen aus. In Unternehmen der Dienstleistungsbranche erreicht ihr Kostenanteil sogar über 80 Prozent und mehr. Diese Fixkosten sind ohne massive Auswirkungen auf das Geschäft kurzfristig kaum zu beeinflussen, weshalb die Personalkosten bei der Unternehmensplanung eine wichtige – wenn nicht die wichtigste - Rolle spielen.

Genau hier liegt das Spannungsfeld: Einerseits stellen die Mitarbeiter sowohl in der produzierenden Industrie als auch in der wachsenden Dienstleistungsbranche das wichtigste und auch mit Abstand teuerste Kapital einer Firma dar. Andererseits wird aber am wenigsten für den dauerhaften Erhalt dieser Ressource getan. So investiert die Mehrheit der deutschen Unternehmen in den Werterhalt und die Pflege einer Maschine wesentlich mehr als in die Erhaltung der Mitarbeiterzufriedenheit.

Pflege des teuersten Kapitals

Doch sollten sich Führungskräfte bewusst machen: Die Mitarbeiter "sind" das Unternehmen und sie entscheiden maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmung. Dabei spielt die Persönlichkeit eines Mitarbeiters für den Unternehmer eine entscheidende Rolle, denn seine Wünsche, Vorstellungen und Ziele werden in die Unternehmenspersönlichkeit einfließen und diese prägen.

Nach der Maslowschen Bedürfnispyramide (Harold Maslow, 1908 – 1970) bauen die menschlichen Bedürfnisse in fünf „Stufen“ aufeinander auf. Ab der Ebene drei folgen die sozialen Bedürfnisse, Individualbedürfnisse und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, die auch für die Unternehmen relevant sind. Denn je mehr ein Mitarbeiter diese persönlichen Bedürfnisse in der Arbeit verwirklichen kann, desto mehr ist er gewillt, seine Arbeitskraft für das Unternehmensziel einzusetzen. Das wiederum fördert den Erfolg des Unternehmens.

Maslowsche Bedürfnispyramide

  • 1. Stufe: Körperliche Grundbedürfnisse – Essen, Trinken, Schlafen.
    Diese Bedürfnisse sind in unserer Gesellschaft in der Regel immer befriedigt, unabhängig von der Arbeit.
  • 2. Stufe: Sicherheitsbedürfnisse – Recht und Ordnung, Schutz vor Gefahren, fester Arbeitsplatz, Absicherung.
    Auch diese Bedürfnisse sind grundsätzlich abgedeckt.
  • 3. Stufe: Soziale Bedürfnisse – Freundschaft, Liebe, Gruppenzugehörigkeit. Ab dieser Ebene beginnen die Bedürfnisse der Mitarbeiter eines Unternehmens.
  • 4. Stufe: Individualbedürfnisse – Status, Anerkennung, Wertschätzung, beruflicher Erfolg.
    Auf dieser Ebene findet der Hauptanspruch der Mitarbeiter an das Unternehmen statt.
  • 5. Stufe: Selbstverwirklichung – Individualität, Talententfaltung, Perfektion, Erleuchtung.
    Diese Ebene stellt den höchsten Anspruch der Mitarbeiter an einen erfüllenden Arbeitsplatz dar.

Wirtschaftliche Stabilität durch Mitarbeiterbindung

Wie wertvoll Mitarbeiter sind, merkt so mancher Manager allerdings erst, wenn er zu wenig gute Fachkräfte hat, um anstehende große Aufträge zu erledigen. Eine nicht zu unterschätzende Problematik in der heutigen schnelllebigen Welt, in der jeder Kunde vorrangig und sehr schnell bedient werden will. Zudem ist die Rekrutierung von neuen Mitarbeitern ungleich aufwändiger und teurer als das Halten von vorhandenen Fachkräften. Die Personalsuche und der Kompetenzaufbau kosten viel Geld und Zeit, die die Beteiligten von ihrer produktiven Arbeitszeit abschneiden müssen. Erschwerend hinzu kommt, dass neue Mitarbeiter erst mühsam eingearbeitet werden müssen. Man geht im Durchschnitt von einem Zeitraum von sechs Monaten aus, nach der ein neuer Mitarbeiter erst so produktiv arbeitet wie eine versierte, eingearbeitete Fachkraft. Diese Kosten können Unternehmen leicht einsparen, indem sie ihre Mitarbeiter langfristig binden.

Verständnis als Grundpfeiler

Doch welche effektiven, aber kostengünstigen Maßnahmen können Unternehmen ergreifen? Zunächst sollten Führungskräfte sich bewusst machen, dass die wenigsten Menschen in der Zwangslage sind, speziell für ihr Unternehmen arbeiten zu müssen. Ein Mitarbeiter kann sich in der Regel frei entscheiden, für welches Unternehmen er seine Lebenszeit und -energie einsetzen möchte.

Hier beginnt die Vorbereitung für eine erfolgreiche Mitarbeitermotivation und langfristige Bindung. Man tauscht zunächst die eigene Lebenszeit gegen Geld ein. Erst danach kommt das Fachwissen, das man sich wiederum im Tausch gegen Lebenszeit aneignet und gegen Geld eintauscht. Jeder versucht diese Zeit so gut und so angenehm wie möglich zu verbringen. Dieser Wunsch ist der uns alle verbindende gemeinsame Nenner. Deshalb ist es nicht so schwer Mitarbeiter zu verstehen – eine Grundvoraussetzung um sie zu motivieren.

Wertschätzung und Motivation

Neben dem Verständnis spielt auch schon nach Maslow die Anerkennung eine wichtige Rolle. Um einen Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, muss ihm ein Vorgesetzter zeigen, was er ihm und dem Unternehmen wert ist. Diese Kommunikation muss offen sein und in einer Sprache und mit Mitteln erfolgen, die beim Mitarbeiter ankommen. Kurze Wege und eine offene Unternehmenskultur schaffen Vertrauen. Leere Floskeln dagegen wurden oft genug gehört, sie erreichen das Gegenteil, nämlich dass die Mitarbeiter abschalten oder sich nicht ernst genommen fühlen.

Langfristige Mitarbeiterbindung ist immer mit Motivation verknüpft. Allerdings finden genau hier die meisten Fehler statt – in dem Irrglauben, man könnte die Menschen materiell motivieren. Motivation ist nichts Materielles, das man kaufen kann. Motivation spricht den Geist und die Emotionen an. Deshalb sollten Unternehmer ihren Mitarbeitern ermöglichen, ihre Wünsche, Sehnsüchte und Ziele zu verwirklichen – natürlich nur, wenn sie konform gehen mit den Unternehmenszielen.

Klare Perspektiven

Ein weiterer Aspekt, der oft vernachlässigt wird: Perspektiven aufzuzeigen. Dies ist ein einfaches Werkzeug, den Mitarbeitern Planbarkeit, Bestätigung und damit Sicherheit zu geben – und dies zu Null Kosten. Zunächst gilt es, klare Strukturen mit Karrieremöglichkeiten zu schaffen. Dabei sollten die Zeitabstände zwischen den einzelnen Karrierestufen nicht zu lang sein, denn Menschen sind ungeduldig.

Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter im Vertriebsinnendienst, der seine Ziele im ersten Jahr übererfüllt, wird im zweiten Jahr Teamleiter und bekommt Verantwortung für zwei neue Innendienstmitarbeiter. Allerdings sollten Vorgesetze unbedingt die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitarbeiter in der Karriereplanung beachten. Jemand der zum Beispiel kein Personal führen möchte, sollte ebenso in der Hierarchie aufsteigen können wie jemand der sich als wahrer Personalmanager erweist. Allein durch die Aussicht auf beruflichen Erfolg durch einen größeren Verantwortungsbereich werden die Mitarbeiter ehrgeiziger an ihre Aufgaben heran gehen und wesentlich bessere Ergebnisse liefern.