PE für Mitarbeiter im mittleren Lebensalter

Zukünftig werden sich die Unternehmen wieder vermehrt auf ältere Mitarbeiter einstellen müssen. Neben der demographischen Entwicklung tragen auch gesetzliche Änderungen dazu bei, dass Menschen wieder länger in Organisationen bleiben werden - nicht nur, weil sie dies wollen, sondern weil sie keine andere Möglichkeit haben. Diese erfordert ein Umdenken in der Personalarbeit. Gefordert sind Maßnahmen, die eine Erhaltung der Produktivität, der Innovation und der Wettbewerbsfähigkeit mit alternden Belegschaften sicherstellen.

In der Bundesrepublik lag die Höchstzahl der Geburten zwischen 1960 bis 1965. Diese Gruppe der sogenannten Baby-Boomer altert nun gemeinsam - auch in den Unternehmen. Die mittlere Gruppe der 40 – 50jährigen wird vor diesem Hintergrund besonders bedeutsam. Werden sie heute bei Personalentwicklungsmaßnahmen ausgeschlossen, so werden sie in 10 Jahren als über 55jährige den Anforderungen eines dynamischen Wirtschaftslebens kaum mehr gewachsen sein.

Für die Unternehmen geht es um die Sicherung der Produktivität mit einer alternden Belegschaft sowie um die Aufrechterhaltung der Motivation und Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Für die Einzelnen heißt es, die eigene Employability nachhaltig zu stärken.

Herausforderungen

Herausforderungen im Personalmanagement und der Führung Älterer liegen insbesondere darin:

  • Lebenslanges Lernen im Unternehmen zu verankern, um die Innovationskraft dauerhaft sicherzustellen.
  • Für Job-Rotationen zu sorgen, um die Flexibilität, die Beschäftigungsfähigkeit und Motivation der Belegschaft zu stärken.
  • Wissensweitergabe von Erfahrenen zu neuen Mitarbeitern zu unterstützen.
  • Motivation auch in einem Karriereplateau - das für die meisten Mitarbeitenden einmal Realität wird - aufrecht zu erhalten.
  • Die Zusammenarbeit zwischen den Altersgruppen zu fördern.

Mittelständische Unternehmen sind hierbei durchaus im Vorteil. Denn anders als Großunternehmen verfügen sie noch über Erfahrungen im Umgang mit älter werdenden Mitarbeitern. Insbesondere Großunternehmen haben dagegen in den letzten Jahren mit Mitteln eines "sozialverträglichen Personalabbaus" - durch Aufhebungsverträge mit hohen Geldzahlungen, Nutzung von gesetzlichen Altersteilzeitangeboten etc. - die Gruppe 55+ drastisch reduziert.

Unternehmen dagegen, die einen entsprechenden Anteil Älterer haben, können durch Eintritt in den Ruhestand regulär frei werdende Stellen wieder mit Jüngeren besetzen und so eine ausgewogene Alterstruktur aufrecht erhalten. Zudem - und dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen - verfügen sie über Know-how zum wertschöpfenden Einsatz ihrer älteren Mitarbeiter und können nachfolgenden Generationen positive Beispiele vorleben.

Die Unternehmen, die heute kaum mehr über 55jährige im Unternehmen haben, werden diese Kompetenzen neu entwickeln und außerdem bei der Gruppe der heute 40 bis 50jährigen das Verständnis für eine noch circa 20 Jahre andauernde Berufstätigkeit wieder wecken müssen.

1. Rekrutierung

Trotz der seit vielen Jahren hohen Arbeitslosigkeit haben gerade klein- und mittelständische Unternehmen an weniger attraktiven Standorten Schwierigkeiten, offene Stellen mit gut qualifiziertem Nachwuchs zu besetzen.

Ein genereller "war for talents" scheint zwar angesichts anhaltender Standortverlagerungen und Rationalisierungen zweifelhaft. Bis 2015 wird das Erwerbspersonenpotenzial - durch Verlängerung der Lebensarbeitszeit ebenso wie durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und eine Verkürzung der Ausbildungszeiten (Schule G8 und Hochschule Bachelor- Abschluss) - sogar weiter ansteigen und erst danach um ca. 0,5 % pro Jahr schrumpfen. Doch Engpässe für einzelne Funktionen, Qualifikationen oder Standorte wird es immer geben.

  • Nutzen von Marktchancen

    Aktuell ist es so leicht wie später nie wieder, ausgezeichnete Nachwuchskräfte zu gewinnen und ein gutes Arbeitgeberimage aufzubauen: Durch die Verkürzung der Gymnasialzeit werden in den einzelnen Bundesländern zeitlich versetzt jeweils zwei Jahrgänge gleichzeitig auf den Markt drängen; das heißt doppelt so viele junge Menschen suchen einen Ausbildungsplatz beziehungsweise wenn sie sich für ein Studium entscheiden, einige Jahre später den Berufseinstieg.

    Zudem verkürzen sich an den Universitäten und Fachhochschulen durch die Umstellung von Diplom hin zu Bachelor die Studienzeiten. Das heißt, es wird Jahrgänge geben, wo die letzten Diplom-Absolventen und die ersten Bachelor-Studierenden gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt drängen. Natürlich steigt das Erwerbspersonenpotenzial damit nicht insgesamt an. Doch für den Augenblick erleichtert es Recruitern das Leben und sie und sie können ihren Personalbedarf mit guten Leuten decken.

  • Auswirkungen der Wirtschaftskrise

    Zwischen 2008 und 2011 ging die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge bundesweit um mehr als 46.000 zurück. Unternehmen, die antizyklisch Personal rekrutieren, haben demzufolge weniger Konkurrenz um gute Kandidaten. Auch internationale Rekrutierungen (insbesondere aus südlichen Ländern mit hohen Arbeitslosenzahlen) bieten Chancen zum Besetzen von Fachpositionen.

  • Einstellung Älterer

    Speziell Jungingenieure werden händeringend gesucht. Mittelständische Unternehmen haben häufig das Nachsehen, wenn sie mit renommierten zahlungskräftigen Großunternehmen um den Nachwuchs konkurrieren. Doch gleichzeitig stehen viele arbeitslose Ingenieure über 40 zur Verfügung. Es ist kaum vorstellbar, dass keiner von diesen mehr lernfähig ist!

    Vor diesem Hintergrund ist schwer nachvollziehbar, dass nur eine Minderheit der Arbeitgeber Bewerber über 50 Jahren einstellt - dies gilt nach Analysen des VDI sogar für die aktuell so gesuchten Ingenieure. Im IT-Bereich scheint bereits die Gruppe 35+ ein Vermittlungsproblem zu haben. Personen über 45 Jahre werden - von Top-Führungspositionen abgesehen - in der Mehrzahl der Fälle bei Neueinstellungen ausgeschlossen.

    Personalentwicklung für das mittlere Lebensalter bedeutet aber auch, dieser Altersgruppe weiterhin Chancen zu geben. Noch dazu haben ältere Ingenieure nach Analysen des VDI ein ausgesprochen positives Image: Gelobt werden ihr Know-how, ihre Erfahrungen und Spezialkenntnisse, Branchen- und Produktwissen, ihr Verhandlungsgeschick sowie ihre Stressresistenz. Insofern macht es auch wirtschaftlich Sinn, diese Gruppe einzustellen.

Zudem ist es beispielsweise für einen mittelständischen Automobilzulieferer wenig Erfolg versprechend, mit den großen Automobilherstellern, die zudem noch mit attraktiven Standorten punkten können, um die Jungingenieure der Top-Hochschulen zu konkurrieren.

Hier empfiehlt es sich vielmehr, den Fokus zu verlagern: auf Absolventen der umliegenden Hochschulen, die gerne in der Region bleiben wollen, und vor allem auf Personen im mittleren Lebensalter, die eine neue Perspektive suchen oder denen es in der Phase der Familiengründung attraktiv erscheint, außerhalb der Ballungsgebiete zu leben. Ein 50jähriger wird zukünftig 15 weitere Jahre berufstätig sein – das übersteigt die Verweilquote vieler junger Nachwuchskräfte deutlich und ermöglicht sinnvolle Planungszyklen.

2. Qualifizierung und Training

Weiterbildung wird – speziell von bundesdeutschen Unternehmen - bei Mitarbeitern ab Mitte 40 kaum mehr als lohnende Investition angesehen. Im europäischen Vergleich nehmen Beschäftigte über 45 Jahre in den Niederlanden, Frankreich und der Bundesrepublik unterdurchschnittlich an Weiterbildungen teil, während speziell in den skandinavischen Ländern die Teilnahmequoten auch bei Älteren hoch bleiben.

Eine solche Vergeudung von Humankapital werden sich Unternehmen zukünftig nicht mehr leisten können (s. DGFP, 2012). Es gilt, durch zielgerichtete Maßnahmen on und off the job

  • das Wissen der Mitarbeiter up-to-date zu halten
  • die Mitarbeiter zu fordern und zu fördern
  • lebenslanges Lernen sicher zu stellen
  • die Employability der Mitarbeiter zu stärken
  • die Besonderheiten des Lernens von Erwachsenen zu berücksichtigen

Als best practice Beispiele sind beispielhaft zu nennen:

  • Perspektivenworkshops bei der Lufthansa für die Gruppe 40+. Hier geht es um eine individuelle Standortbestimmung mit Stärken-, Schwächen- und Zielanalyse ebenso wie um konkrete Maßnahmenplanung mit verantwortlichen Personalentwicklern.
  • Wissenstandems bei der Deutschen Bank, wo ein älterer, erfahrener Kollege über einen Zeitraum von mehreren Monaten mit einem Jüngeren zusammenarbeitet, um diesem Know-how, Praxistipps und Kontakte zu Kunden zu vermitteln.
  • Einsatz Älterer in Expertenpools, so dass sie ihr Wissen weitergeben können und selbst durch neue Aufgaben gefordert sind (zum Beispiel Bosch Management Support GmbH).
  • Schulung der älteren, erfahrenen Führungskräfte durch jüngere Mitarbeiter - die Lufthansa School of Business entwickelte ein Programm, wo jüngere Mitarbeiter das obere Management im Internet schulen.

Oben wurde bereits ausgeführt, dass alle Studien einen starken Rückgang der Weiterbildungsteilnahme für die Altersgruppe 45+ zeigen. Für Unternehmen folgt daraus,

  • die eigenen Weiterbildungsquoten altersabhängig zu analysieren, um Handlungsansätze zu identifizieren
  • in Gesprächen und Diskussionsrunden mit den Betroffenen zu klären, warum die Teilnahme Älterer abnimmt und welche Angebote sie sich wünschen
  • das Angebot speziell für Ältere zu überarbeiten und zu klären, inwieweit auch altershomogene Kurse angeboten werden sollen
  • Führungskräfte aufzufordern, Ältere weiterhin in gleichem Maße für Kurse anzumelden
  • das Verständnis für die Verantwortung hinsichtlich der eigenen Employability zu erhöhen

Notwendig ist eine Beibehaltung des Lernens über die gesamte Lebensspanne hinweg. Dazu gehört zunehmend auch eigenverantwortliche Weiterbildung, das heißt Fortbildung, die vom Mitarbeiter selbst ausgewählt wird, in seiner Freizeit stattfindet und/oder finanziell von ihm (mit)getragen wird.

Zu warnen ist vor einer Spezialisierung in veralteten Wissensbeständen. Je mehr man in einem Gebiet zum Experten wird, umso größer ist die Gefahr, sich in einer beruflichen Sackgasse wieder zu finden, wenn dieses Gebiet als nicht mehr zukunftsträchtig gilt. Dann wird aus dem einstigen Experten schnell der hoch spezialisierte, unflexible Problemfall, der nicht mehr zu vermitteln ist.

Altersgemischte Teams

Altersheterogen zusammengesetzte Gruppen gelten vielen Unternehmen als Chance, die Stärken der Jüngeren mit den Stärken der Älteren zielführend zu verbinden und den Wissensaustausch zu sichern. So kann der Erfahrungstransfer on the job erfolgen, Know-how-Lücken werden vermieden. Mit bewusst altersheterogen zusammengesetzten Arbeitsgruppen arbeitet zum Beispiel BMW in seinem neuen Leipziger Werk.

Wichtig für den Erfolg sind:

  • Eine wertschätzende Unternehmenskultur, wechselseitige Akzeptanz der Jüngeren wie der Älteren. Ältere wie Jüngere verfügen über spezielle Kompetenzen, von denen die anderen profitieren können. Es geht um eine Kombination der wechselseitigen Stärken.
  • Keine Gruppe darf in die Minderheitenposition geraten. Ein einzelner Jüngerer dürfte sich im Team der Älteren ebenso deplatziert fühlen wie ein Älterer unter lauter Jungen. Eine angemessene Mischung ist nötig. Ausgegrenzt werden dürfen weder die Älteren noch die Jüngeren.
  • Ein kontinuierliches Lernen on the job ist das Ziel.

3. Job-Rotation und herausfordernde Tätigkeiten

In einer eigenen Befragung wurden Fach- und Führungskräfte von Ende 30 bis Anfang 50 befragt, welche Ziele und Vorstellungen sie für ihre weitere berufliche Tätigkeit haben. Von 197 Befragten nannten 191 klare Vorstellungen zu möglichen beruflichen Veränderungen. Sie wünschten sich vor allem:

  • einen weiteren Aufstieg (51 %)
  • mehr Freiraum und Verantwortung (42 %)
  • Wissensweitergabe (38 %)
  • ein anderes Funktionsgebiet (32 %)
  • zusätzliche Aufgaben/Projekte (31 %)
  • die Übernahme einer Mentorenfunktion für Jüngere (28 %)

Interimsmanagement stellten sich 20 % herausfordernd vor, die (gegebenenfalls zeitlich befristete) Arbeit in Gremien oder Verbänden 17 %, 15 % fanden einen Auslandseinsatz attraktiv und 8 % einen Standortwechsel.

Auffallend ist, dass fast alle konkrete Vorstellungen haben, was für sie in den nächsten Jahren der Berufstätigkeit besonders herausfordernd sein könnte. Man kann auch nicht sagen, Ältere stünden beruflichen Veränderungen grundsätzlich negativ gegenüber. Aber die Vorstellungen sind sehr unterschiedlich, es gibt nicht "die" Motivation Älterer. Das Personalmanagement muss individuelle Lösungen finden.

Fragt man jedoch, warum keine Veränderungen vorgenommen wurden, so wird vor allem genannt, man hätte kein internes Angebot erhalten und das Alter mache einen - internen wie externen - Wechsel schwierig. In KMU werden Rotationen nur eingeschränkt realisierbar sein. Umso wichtiger ist hier eine herausfordernde und abwechslungsreiche Aufgabengestaltung durch Projekte, Freiraum und Verantwortung.

Eine echte Hilfestellung, zusätzlich zu den personalwirtschaftlichen Angeboten können sogenannte Zukunftsgespräche sein. Zukunftsgespräche sind regelmäßig stattfindende Gespräche über die arbeitsbiographischen Perspektiven älterer Mitarbeiter, die das Management mit diesen ab einem bestimmten Alter führt.

Eine weitere Möglichkeit, die Arbeit attraktiv und ansprechend zu gestalten, ist das Anbieten von Entwicklungsperspektiven. Abhängig von den betrieblichen Bedingungen ist die Einführung von Fach- oder Projektlaufbahnen eine gute Möglichkeit, um Entwicklungsperspektiven für die betroffenen Mitarbeiter zu schaffen (Regnet, 2012).

4. Motivation und Leistungsbereitschaft im Karriereplateau

Für die Mehrzahl der Beschäftigten wird ein Karriereplateau früher oder später Realität sein (Kennzeichen: weitere Beförderung wird unwahrscheinlich, zu lange auf einer Position, Tätigkeiten bieten keine Herausforderungen und Lernchancen). Im qualifizierten und Führungsbereich wird dieses meist spätestens in der Phase zwischen 40 und 50 erreicht. Mögliche Gründe sind:

  • Man hat den Gipfel seiner Leistungsfähigkeit erreicht, ist an der geeigneten Position.
  • Man ist zufrieden mit dem Erreichten; möchte aus persönlicher Entscheidung nicht weiter aufsteigen, zusätzliche Verantwortung übernehmen, den Stress aushalten müssen.
  • Mit zunehmender Hierarchie stehen rein quantitativ weniger Positionen zur Verfügung. Lean-Konzepte, Fusionen und Rationalisierungsmaßnahmen verstärken diesen Trend noch.
  • Man ist von der erreichten Position überfordert – hier liegen personalpolitische Fehlentscheidungen der Vergangenheit zugrunde.

Ein Karriereplateau ist zu trennen von einem Leistungsabfall (vgl. Regnet, 2006). Vielmehr besteht die Herausforderung darin, Leistung und Motivation trotz fehlender weiterer äußerer Anreize wie Gehaltserhöhungen oder Beförderungen sicherzustellen.

Gerade die mittleren Lebens- und Berufsjahre stellen eine zentrale Zeit für die weitere berufliche Entwicklung dar - hin zur "inneren Kündigung" als Reaktion auf Frustrationen oder zum dauerhaften Leistungsträger, der in neue Rollen hineinwächst und z. B. für Jüngere zum Mentor wird.

Auch hier zeichnet sich die Forderung nach einer Individualisierung der Personalarbeit ab. Die Reaktionsformen auf ein erlebtes Karriereplateau sind unterschiedlich: Der eine benötigt neue inhaltliche Herausforderungen und Projekte, um der täglichen Routine zu entkommen. Der andere wünscht sich eine bessere Work-Life-Balance, Arbeitsflexibilisierungen und Sabbaticals, wieder andere benötigen Anerkennung und Wertschätzung ihres kontinuierlichen Einsatzes und ihrer Leistungen.

5. Gesundheitsmanagement und Arbeitssituation

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Menschen - von schweren Krankheiten abgesehen - bis ins Lebensalter von circa 70 Jahren leistungs- und lernfähig bleiben. Nichtsdestotrotz steigen die gemeldeten Arbeitsunfähigkeitstage mit dem Alter - die Krankmeldungen werden nicht häufiger, aber sie dauern länger -, im gewerblichen Bereich fällt der altersbedingte Anstieg deutlicher aus als im Angestelltenbereich.

Generell lässt sich festhalten, dass sich die Widerstandsfähigkeit gegenüber Umgebungseinflüssen und hohen psychischen Belastungen mit dem Alter verringert. Die gleiche Tätigkeit strengt den Betroffenen allmählich stärker an als in jüngeren Jahren, und es fällt schwerer, sich zu regenerieren. Ilmarinen, Tempel & Giesert (2002) plädieren deshalb dafür, die Arbeitsanforderungen und Arbeitszeiten bei über 50jährigen schrittweise abzusenken, um die negative Spirale aus Belastung, Überforderung und häufigeren stressbedingten Krankheiten zu durchbrechen.

Die Arbeitsfähigkeit hängt natürlich nicht nur vom Alter, sondern ebenso vom Gesundheitszustand, der Lebensweise und der Gestaltung der Arbeitssituation ab. Das heißt, Unternehmen sind beim Gesundheitsmanagement gefordert. Sie bieten Kurse zur Gesundheitsförderung und Prophylaxe an und lassen Arbeitsplätze unter ergonomischen Gesichtspunkten optimieren.

Im Angestelltenbereich wird es zudem um Fragen der Belastung, Stress, Arbeitszeiten und Dienstreisen etc. gehen. Im Fertigungsbereich bedeutet Gesundheitsmanagement primär die Reduzierung von körperlich stark beanspruchenden Arbeiten (durch Umgestaltungen des Arbeitsplatzes, Hebehilfen etc.) sowie die Vermeidung monotoner und stark repetitiver Bewegungsabläufe. Darüber hinaus kann man an teilautonome Arbeitsgruppen denken, um den Mitarbeitern mehr Mitwirkung und flexiblere Arbeitstätigkeiten zu ermöglichen. Gesunde Ernährung in der Kantine rundet ein ganzheitliches Gesundheitsmanagement ab.

Unabhängig davon gibt es eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die nur eine begrenzte Zeit ausgeführt werden können, weil die damit verbundenen Belastungen auf Dauer zu hoch beziehungsweise ab einem bestimmten Alter nicht mehr tragbar sind. Dabei handelt es sich um sehr monotone oder körperlich schwere Tätigkeiten wie Bauarbeiten, das Heben schwerer Lasten oder sich ständig wiederholende Montagehandgriffe in ungünstigen Haltungen, aber auch Nachtarbeit.

Unternehmen mit solchen Arbeitsplätzen sollten dafür personalpolitische Konzepte zur Begrenzung der Tätigkeitsdauer entwickeln, die vor allem klären, wo die betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab einem bestimmten Alter beschäftigt werden können, und wie sie trotz der hohen Belastungen ihre Arbeitsfähigkeit erhalten können.

6. Neue Personalentwicklungs-Modelle

Die Beschäftigung Älterer ist nicht nur dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und der Alterung der Belegschaften geschuldet, in ihr liegt auch eine Chance: Nicht nur die Belegschaften altern, auch die Gesellschaft und damit die Kunden.

Ältere Kunden wollen nicht nur von jüngeren Mitarbeitern bedient werden, und eine altersheterogen zusammengesetzte Belegschaft mag manche Marktstudie überflüssig machen, da die Betroffenen sehr wohl wissen, was ihre Altersgruppe anspricht beziehungsweise stört.

Eine flexible Personalentwicklung ist gefordert mit situations- wie personenorientierten Karrieremodellen (s. Regnet, 2012). Die folgende Abbildung veranschaulicht exemplarisch mögliche flexible Karrierewege.


Flexible Karrierewege - schematisch dargestellt (Regnet, 2004, S. 88)

  • Variante 1 ist die karriereorientierte Aufstiegsvariante. Da es keinen Grund gibt, jemanden, der leistungsfähig und -willig ist, ab einem bestimmten Alter nicht mehr zu (be-)fördern, bricht der Karriereweg nicht im mittleren Lebensalter ab. Man denke an das Beispiel mancher Politiker, die weit im Rentenalter noch Ministerposten übernehmen. Neu ist, dass die Berufstätigkeit zukünftig wohl auch unterbrochen wird, um sich zum Beispiel in einem Masterstudiengang nach ersten Berufserfahrungen weiter zu qualifizieren.
  • Variante 2 verdeutlicht das Karriereplateau, wobei der Mitarbeiter die Gelegenheit hat, im Rahmen von Sabbaticals zeitlich begrenzt aus dem Beruf auszusteigen. Hier geht es um die Work-Life-Balance und die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Herausfordernde Aufgaben, Job-Rotationen etc. sollten gleichfalls nicht vergessen werden. Der Mitarbeiter bleibt an das Unternehmen gebunden - und leistungsbereit!
  • Variante 3 zeigt eine neue Form von Berufsentwicklung: Der Betreffende entscheidet sich in bestimmten Lebensphasen, kürzer zu treten. Es handelt sich damit um eine bewusste Abkehr vom traditionellen Modell, nach dem es immer "aufwärts" gehen soll. In den USA wird diese Entwicklung unter dem Begriff „Downshifting“ diskutiert.

Selbstverständlich setzt dies voraus, dass Gehälter leistungs- und nicht altersbezogen festgelegt werden. D.h. diejenigen, die in bestimmten Lebensphasen zeit- und/oder belastungsmäßig kürzer treten wollen, müssen hinsichtlich Entgelt, Hierarchiestufe und Status Abstriche hinnehmen.

Ziel ist die win-win-Situation, d. h. für das Unternehmen geht es um Flexibilität und die Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeitenden, für den Einzelnen um eine zufrieden stellende berufliche Entwicklung, die Raum lässt für persönliche Ziele. Gleichzeitig versprechen solche variablen Karrieremodelle, die Arbeitsfähigkeit bis ins hohe Lebensalter zu erhalten und unterschiedlichen Lebensentwürfen gerecht zu werden.

Literatur

  • DGFP (Hrsg.). (2012). Personalentwicklung bei längerer Lebensarbeitszeit, Bielefeld 2012.
  • Ilmarinen, J., Tempel, J. & Giesert, M. (2002). Arbeitsfähigkeit 2010. Was können wir tun, damit Sie gesund bleiben? Hamburg 2002.
  • Regnet, E. (2004). Karriereentwicklung 40+. Weitere Perspektiven oder Sackgasse? Weinheim und Basel 2004.
  • Regnet, E. (2006). Karriereplateau im mittleren Lebensalter – Chance oder Sackgasse? In L. M. Hofmann, K. Linneweh & R. K. Streich (Hrsg.), Erfolgsfaktor Persönlichkeit. S. 200 - 223. München 2006.
  • Regnet, E. (2012). Neue Karrieremodelle in einem veränderten wirtschaftlichen Umfeld. In DGFP (Hrsg.), Personalentwicklung bei längerer Lebensarbeitszeit, Bielefeld: Bertelsmann, S. 64 - 86.