Führungskonzepte für die Mitarbeiter von heute und morgen
Das Social Web hat nicht nur das Kaufen und Verkaufen, sondern auch die Arbeitswelt unumkehrbar verändert. Die Macht ist zur Arbeitnehmerseite gewechselt - zumindest, wenn es um qualifizierte Talente geht. Und die ‚Digital Natives‘, die derzeit ans Ruder kommen, prägen nicht nur eine neue Unternehmenskultur, sie fordern auch ein neues Führungsverhalten.
Jede Führungskraft hat Präferenzen im Denken und Handeln. So wird sie ihre Management- und Führungsaufgaben auf die ihr eigene Weise gestalten. Doch in den meisten Unternehmen wird viel zu viel Management betrieben - und zu wenig Menschenführung gelebt. Selbst ureigenste Führungsaufgaben wie zum Beispiel Mitarbeiterjahresgespräche werden „gemanagt“, also per Checkliste nach starren Regeln geführt. Angesichts einer zunehmenden Technologisierung ist genau dies auch die größte Gefahr: dass nämlich überall dort, wo Technokraten das Sagen haben und Zahlenmenschen regieren, die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt.
Zu viel Management – zu wenig Führung
Müssen sich die Oberen zwischen Managen und Führen entscheiden, würden, wie Untersuchungen zeigen, die meisten die Sachthemen wählen. Die Verteilung zwischen sachorientierter und beziehungsorientierter Herangehensweise liegt vielfach bei 80 zu 20. Ein grober Fehler, denn unternehmerische Top-Performance braucht beides zugleich: zunächst gute Führung und dann ein gutes Management. Wer nämlich etwas bewegen will, tut sich leichter, wenn er zuvor seine Mitarbeitenden zu „Fans“ gemacht hat, um sie danach auf eine gemeinsame Zukunft einzustimmen.
Es ist nun allerhöchste Zeit, in den Leadership-Etagen beide Schlüsselfunktionen, das Managen und das Führen, als ebenbürtig anzuerkennen, zu leben und zu würdigen - wobei das Managen aus der Vergangenheit kommt und das Führen uns in die Zukunft leitet. Weil dabei das Menschenversteherthema eine so zentrale Rolle spielt, habe ich es als dritte Hauptfunktion und als Basis zugleich dem Managen und dem Führen beigestellt, wie das Schaubild verdeutlicht.
Darüber hinaus ergeben sich drei Zwischenstufen, die zeigen, in welche Richtungensich die neue Führungsgeneration bewegen muss:
- kundenfokussierte Leader
- Möglichmacher
- Katalysatoren
Schauen wir uns diese drei Funktionen einmal an.
Wertschöpfend: der kundenfokussierte Leader
Kundenfokussierung bedeutet, alle Ressourcen des Unternehmens auf das zu konzentrieren, was für dessen Fortbestand am wichtigsten ist: durch und durch loyale Kunden und aktive positive Empfehler. Dies erfordert:
- gelebte Kundenfokussierung in der Chefetage
- kundenfokussierte Rahmenbedingungen
- eine kundenorientierte Einstellung der Mitarbeitenden
- das kundenorientierte Verhalten der Mitarbeitenden
Die Definition für eine kundenorientierte Mitarbeiterführung lautet so:
Führungskräfte haben die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, für die Kunden ihr Bestes zu geben - und dies auch zu wollen.
Hier die Schlüsselfragen, die sich ein kundenfokussierter Leader dazu stellt:
- Interessiert mich das Wohl unserer Kunden wirklich?
- Sind Kunden in meinen Gesprächen regelmäßig und positiv präsent?
- Wie oft spreche ich über die Bedeutung der Kunden für die Firma?
- Bitte ich die Mitarbeiter regelmäßig um kundenfokussierte Vorschläge?
- Lebe ich Kundenfokussierung sichtbar vor?
Kundenfokussierung heißt auch: Nicht glauben, zu wissen, was der Kunde benötigt und nützlich findet, sondern in der gesamten Organisation sicherzustellen, dass täglich Kunden-Rückmeldungen eingeholt werden. Exzellente Antworten erhält man übrigens in der Telefonzentrale, in einem eigenen Call Center und überall da, wo es um die Reklamationsbearbeitung geht. Und neuerdings natürlich auch im Social Web.
Pragmatisch: der Möglichmacher
Spitzenleistungen kann man nicht einfordern. Man kann sie nur ermöglichen. Sie haben immer zwei Komponenten: das Können und das Wollen. Daher arbeiten Möglichmacher vor allem an der Schaffung optimaler Rahmenbedingungen. Sie sind zupackend, nahbar, klar - und konsequent. Sie sind Inkubatoren für den Erfolg. Ihnen ist klar, dass eine Führungshauptaufgabe darin besteht, das Zusammenarbeiten zu ermöglichen. Ihre Zielsetzung ist, ein anspornendes Leistungsumfeld zu schaffen, damit sich die Leute voll entfalten können. Und sie wissen: Mitarbeiter bringen – genauso wie Spitzensportler – nur unter optimalen Bedingungen ihre Höchstleistung ein.
Deshalb müssen die jeweils individuelle Arbeitsmotive und Talente aller Beschäftigten ermittelt sowie zwischenmenschliche und organisatorische Motivationshemmer identifiziert und weggeräumt werden. Fragen wie diese sind dabei sehr hilfreich: „Was genau kann ich jetzt (sofort) tun, um hierbei zu unterstützen? ... Okay, danke. Und was noch?“ Das Nachhaken ist wichtig, denn oft werden erst im zweiten Anlauf die wahren Anforderungen, Anliegen und Wünsche genannt.
Insgesamt werden Arbeitsplatz und Aufgabe an die Fähigkeiten der Stelleninhaber angepasst – und nicht umgekehrt. Möglichmacher sehen sich als Potenzialentwickler und nicht als Exekutierer der Unternehmensstrategie. Sie sind Dienstleister für ihre Mitarbeiter-Kunden. Und sie verlagern einen Großteil der Entscheidungen dorthin, wo die kompetentesten Leute sitzen. Sie müssen nur wissen, wie das aussieht und was es bedeutet, wenn jemand auf den einzelnen Professionalitätsstufen seinen Job richtig gut macht. Sie müssen aber nicht jeden Job selbst gut können.
Sicherlich lässt sich nicht jede Entscheidung an ein Mitarbeiterkollektiv übertragen. Die meisten allerdings schon. Möglichmacher wissen genau: Wer mitunternehmerisch handelnde Mitarbeiter will, muss diese in einem ersten Schritt zu unternehmerischem Denken befähigen. Möglichmacher stellen die erforderlichen Ressourcen bereit, sie übertragen die für die Aufgabenstellung notwendige Entscheidungsgewalt, und sie übertragen Ergebnisverantwortung. Denn sie wissen: Höchstleistungen können nur in Möglichkeitsräumen entstehen. Und Kreativität braucht Spielwiesen. Unter Druck werden höchstens Allerweltslösungen erzeugt. Eine freudige Stimmung des Zulassens hingegen beflügelt schöpferische Denkprozesse. Die Intuition erwacht und Querdenk-Potenzial wird aktiviert, um Wege ins Neuland zu wagen.
Virtuos: der Katalysator
Der Katalysator ist eine Inspirationsfigur, die andere für eine Idee entflammt, Impulse setzt, einen Prozess in Gang bringt und dann die Sache laufen lässt. Verantwortung und Monitoring verbleiben im Mitarbeiterteam. Ein Katalysator führt, indem er einen passenden Rahmen vorgibt, das Arbeitsgeschehen moderiert und Vorschläge macht. Er führt hingegen nicht über strikte Anweisungen und harsche Kontrollen.
Ein Katalysator steckt das Spielfeld ab, in dem seine befähigten Leute dann spielen können – nicht zu groß, aber auch nicht zu klein, abhängig von Aufgabe und Mitarbeitertypologie. Er schafft Orientierung, gibt die Anforderungen vor und sorgt für einen reibungslosen Prozessablauf. Sogar in schlechten Zeiten sendet er zunächst Appelle wie diesen: „Wir wollen Ihnen keine Vorgaben machen, wo Sie sparen sollen. Denn Sie wissen alle von zu Hause, wie man einen Haushalt führt, wenn’s mal weniger gut läuft.“ Und dann lädt er die Mitarbeiter zu einem Ideenfeuerwerk ein.
Nachdem die Eckpunkte einer Aufgabenstellung geklärt sind, zieht er sich zurück. Nur im Notfall greift er steuernd ein. Wenige Spielregeln bestimmen, was geht und was nicht. Eine schnelle Fehler-Lernkultur und regelmäßige Feedback-Schleifen sichern ein zügiges Voranschreiten der Projekte. Regelmäßig besprochen werden folgende Punkte:
- Was wurde seit dem letzten Mal geschafft?
- Was sind die nächsten Schritte?
- Was hat besonders gut geklappt?
- Welche Hindernisse sind aufgetaucht?
- Was können wir beim nächsten Mal besser machen?
Die Kommunikation eines Katalysators ist unkompliziert, offen, ehrlich und vertrauensvoll. Während beim alten Führen Projekte ständig stocken, weil man auf Entscheidungen von oben warten muss, ist das Vorgehen hier schnell und agil. Beim alten Führen geht es vor allem um das marionettenhafte Abarbeiten von Vorgaben nach Standards, Normen und Plan - gepaart mit Kontrolle, Drohmechanismen und einer aufwändigen Absicherungsdokumentation. Die wichtigsten Zutaten eines Katalysators hingegen sind die: Eigenverantwortung, verbindliche Absprachen und Verlässlichkeit.
Insgesamt bieten Katalysatoren im Führungsteam die besten Voraussetzungen zum Erzielen von Spitzenleistungen in Hochleistungsteams. Sie legen eine perfekte Basis für die Selbstorganisation ihrer Leute, für Top-Performance und wirtschaftlichen Erfolg. Angesichts der neuen Formen von Arbeit, der immer stärker zuströmenden Digital Natives, der versocialisierten Businesswelt und der machtvollen Kunden wird diese Form von Führen in Zukunft wohl unumgänglich sein.
Das Buch zum Thema
Anne M. Schüller: Das Touchpoint-Unternehmen: Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt, Gabal, März 2014, 368 S., 29,90 Euro, ISBN: 978-3-86936-550-3
Die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfache Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum und hält Vorträge und Workshops zum Thema. Sie ist Gastdozentin an mehreren Hochschulen. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der deutschen, schweizerischen und österreichischen Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus und vergibt Touchpoint-Lizenzen. Info und Kontakt: www.touchpoint-management.de und www.anneschueller.de