Ethik im Personalmanagement
Postulat, den arbeitsbezogenen Werten, Bedürfnissen (-> Motiv) und Interessen der Mitarbeiter (z.B. sichere Arbeitsplätze, hohe Einkommen, sinnvolle Tätigkeiten, ausgewogene Work-Life-Balance) möglichst gerecht zu werden und so einen insgesamt hohen Grad an Arbeitszufriedenheit zu fördern.
Personalmanagement bezeichnet eine unternehmerische Aufgabe, die - wie alle unternehmerischen Funktionen - zuerst dem obersten Unternehmensziel (Gewinn) verpflichtet ist. Seinen spezifischen Beitrag zur Gewinnerzielung leistet das Personalmanagement durch die Optimierung der Personalwirtschaftlichkeit, das heißt durch eine Minimierung der personalen Kosten und eine Maximierung der personalen Leistung. Eine solche rein ökonomische Zielorientierung wird der Besonderheit - dem humanen Eigenwert - des Produktionsfaktors Arbeit allerdings nicht gerecht. Nach ethisch-moralischer Maßgabe sollte der (arbeitende) Mensch nämlich keinesfalls ausschließlich als Mittel zum (Erfolgs-)Zweck, sondern vielmehr, wie schon Kant (1785, S. 439) kategorisch forderte, "jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel" gebraucht und behandelt werden. In diesem Sinne anerkennt auch die aktuelle personalwirtschaftliche Theorie und Praxis nahezu einhellig, dass Personalmanagement nicht nur ökonomisch effizient (sachgerecht), sondern auch sozial effizient (menschengerecht) auszugestalten sei, wie beispielsweise Marr und Stitzel (1979), Steinmann und Lohr (1992) sowie Wittmann (1998) bestätigen.
Das Personalmanagement ist so gesehen zwei grundlegenden Zielen verpflichtet (Zieldualismus), was das Augenmerk auf die Frage richtet, wie eine geeignete Vermittlung zwischen diesen Zielen erfolgen kann. Analysiert man die einschlägigen Vorstellungen zu diesem Vermittlungsproblem, dann lassen sich die Grundperspektiven
- zieldependente, harmonistische Perspektive sowie
- zieldualistische, integrative Perspektive
unterscheiden. Die einfachste und auch verbreitetste Vorstellung über eine geregelte Vermittlung zwischen ökonomischer und sozialer Effizienz kann als sozialökonomisches Harmonieverständnis bezeichnet werden. Zentral ist hierbei die Überzeugung, dass die personalwirtschaftlichen Ziele derart in einem dependenten Verhältnis zueinander stehen, dass ökonomische Effizienz (optimale Arbeitsleistung) letztlich (strategisch) nur dann zu erreichen ist, wenn auch für soziale Effizienz (hohe Arbeitszufriedenheit) gesorgt wurde, wie in Abbildung 1 skizziert. Das Credo lautet mithin: Nur zufriedene Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter! Diese Anschauung, die Roth (1987) auf die prägnante Formel "mehr Zufriedenheit - bessere Leistung - größerer Gewinn" brachte, teilen nach einer empirischen Untersuchung von Ehrlich und Lange (2006) derzeit gut drei Viertel (77 %) der Personalpraktiker und immerhin 50 % der Fachwissenschaftler. Sucht man nach den Ursachen für dieses Harmonieverständnis, so stößt man auf die Erklärung, dass Mitarbeiter deshalb menschengerecht behandelt werden müssen, weil sie andernfalls ihre Motivation und Identifikation verlieren, das Unternehmen womöglich verlassen (-> Fluktuation , Brain Drain) und - als wichtigste Ressource - den Unternehmenserfolg damit substanziell gefährden. Soziale Effizienz im Personalmanagement erscheint damit als ein ökonomischer Zwang, der auf der Macht der Mitarbeiter beruht, den Gewinn von Unternehmen durch - je nachdem - außergewöhnliche Leistung oder nachhaltige Leistungszurückhaltung maßgeblich zu beeinflussen.
Bezüglich einer solchermaßen begründeten "Ethik" im Personalmanagement ist zunächst festzustellen, dass es sich hierbei natürlich weniger um eine ethische, als vielmehr um eine (macht-)politische Betrachtungsweise handelt. Vor allem aber ist auch klar zu erkennen, dass diese Denkungsart immer dann wenig praktische Relevanz besitzt, wenn die (ökonomische Bedrohungs-)Macht der Mitarbeiter gering ist. Situativ ist dies der Fall, wenn der Faktor Arbeit einem hohen Konkurrenz- und/oder Rationalisierungsdruck (potenzieller Ersatz menschlicher durch maschinelle Arbeit; potenzielle Verlagerung menschlicher Arbeit auf andere Standorte) unterliegt und der einzelne Arbeitnehmer mithin eine hohe Substituierbarkeit erfährt (individuelle Austauschbarkeit; andauernde Job Unsicherheit). Unter diesen Bedingungen erscheint die Vorstellung einer fakultativen, gleichsam vom persönlichen Zufriedenheitsgrad bestimmten Leistungsveräußerung wenig realistisch. Vielmehr ist davon auszugehen das Mitarbeiter auch und gerade dann besonders leistungsbereit - und anspruchslos - sind, wenn Arbeit zu haben ihnen wichtiger ist als zufrieden mit dieser zu sein.
Folgt man diesen Überlegungen, dann ist die Beziehung zwischen ökonomischer und sozialer Effizienz weniger durch Dependenz als vielmehr durch Kontingenz gekennzeichnet. Das heißt: Ein unternehmerisches Personalmanagement kann nicht nur dann erfolgreich sein, wenn es ethisch im Grund unproblematisch ist - sondern eben auch dann, wenn es von erheblichen ethischen Problemen begleitet ist. Ein Beispiel hierfür sind sicherlich jene speziellen Praktiken eines erfolgreichen Unternehmens, die von Hamann und Giese (2004) beschrieben wurden; Beleg hierfür sind vor allem aber auch jene verbreiteten Konzepte und Verfahren, die das Personalmanagement insgesamt immer wieder mit dem Vorwurf der Inhumanität belegen und die sich kurz gesprochen auf Stichworte wie (Re-)Taylorisierung, Prekarisierung sowie Flexibilisierung der Arbeit bringen lassen (-> Humanisierung der Arbeit).
Insgesamt ist damit festzustellen: Eine Ethik im Personalmanagement ist weder prinzipiell noch pragmatisch mit der (volatilen) Macht der Mitarbeiter begründbar! Dies heißt - in Einklang mit Ulrichs (2001) Verständnis einer integrativen Unternehmensethik - nichts anderes, als dass Ethik tatsächlich nur dann systematisch Eingang in das Personalmanagement finden kann, wenn die Personalverantwortlichen in den Unternehmen dies entscheiden wollen und sich entsprechend freiwillig dazu (selbst-)verpflichten, sehr bewusst, gezielt, umfassend und dauerhaft nach solchen Wegen zur Sicherung und Steigerung der Personalwirtschaftlichkeit zu suchen, die auch in ethischer Hinsicht zu überzeugen vermögen. Die Vermittlung von ökonomischer und sozialer Effizienz wird damit allerdings zu einer vergleichsweise anspruchsvolleren, weil zieldualistischen Aufgabe, wie Abbildung 2 erkennen lässt.
Zur Verdeutlichung der unterstellten Kontingenz zwischen ökonomischer und sozialer Effizienz, aber auch zur Eröffnung von Perspektiven für das ethisch geforderte zieldualistische Personalmanagement sollen abschließend einige bedeutsame Strategien beziehungsweise Konzepte des Personalmanagements benannt werden, die exemplarisch illustrieren, dass (leider) nicht alles, was ökonomisch effizient ist, auch sozial effizient ist - und dass im Übrigen auch nicht alles, was als ökonomisch (in-)effizient gilt, auch tatsächlich so sein muss! Vor dem Hintergrund des sozial-ökonomischen Portfolios in Abbildung 3, lassen sich diese Zusammenhänge konkretisieren als:
- Strategien/Konzepte mit hoher ökonomischer und hoher sozialer Effizienz: Beispielhaft kann hier das Konzept einer Individualisierung der Arbeit genannt werden, das in Anbetracht zusehends unterschiedlicher Werte, Ziele und Bedürfnisse der Mitarbeiter darauf ausgerichtet ist, diesen eine möglichst individuell ausgestaltete Arbeit anzubieten, was zum Beispiel durch eine Individualisierung von Arbeitszeit, Arbeitsentgelt, Arbeitsinhalt oder Arbeitsort erreicht werden kann. Im Gesamteffekt erscheint nach Drumm (1989) sowie Wanderer und Kuhn (1995) dieses Konzept geeignet, sowohl eine höhere Zufriedenheit als auch eine höhere Motivation und Leistung der Mitarbeiter zu erzeugen.
- Strategien/Konzepte mit geringer ökonomischer und hoher sozialer Effizienz: Paradebeispiel hierfür ist sicherlich das Konzept der Gruppenarbeit, das seit jeher als Prototyp humaner Arbeitsgestaltung gilt, aber auch über Jahrzehnte - verglichen mit der tayloristischen Arbeitsgestaltung - als ökonomisch ineffizient eingestuft wurde - eine Einschätzung, die sich im Zuge der Lean Production-Bewegung wohl nur vorübergehend relativierte (-> Humanisierung der Arbeit).
- Strategien/Konzepte mit geringer ökonomischer und geringer sozialer Effizienz: Thesenartig ist hier das derzeit überaus populäre Konzept der leistungsorientierten Vergütung (Pay for Performance) zu nennen, das nach Deci und Ryan (1985) auf Seiten der Mitarbeiter ein Gefühl der Fremdbestimmtheit hervorruft und menschlichen Bedürfnissen wie Selbstbestimmung und Selbstachtung mithin entgegen steht, das nach Frey und Osterloh (2000) zudem aber auch dazu angetan ist, die intrinsische Motivation der Mitarbeiter zu "verdrängen" und damit negativ auf das unternehmerische Leistungs-, Wissens- und Kreativitätspotenzial zu wirken.
Ethik im Personalmanagement ist somit kein Selbstläufer und keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr eine originäre und kontinuierliche Aufgabe für Personalverantwortliche, denen die Arbeits- und Lebensqualität der ihnen anvertrauten Mitarbeiter von Bedeutung ist.