Von Sinn und Unsinn eines jährlichen Mitarbeitergesprächs
Man muss kein Prophet sein, um solche oder ähnliche Reaktionen auf das Stichwort „Mitarbeitergespräche“ in Unternehmen vorherzusagen: Mitarbeiter zucken wahrscheinlich die Schultern und sagen „Mein letztes Mitarbeitergespräch ist schon ewig her, regelmäßig findet das sowieso nicht statt und ehrlich gesagt, es hilft mir nicht besonders weiter!“ Führungskräfte verdrehen möglicherweise die Augen und stellen fest „Damit nervt die Personalabteilung schon eine ganze Zeit. Wir sollen melden, wann wir mit wem gesprochen haben. Aktuell ist das bei mir eher Dienst nach Vorschrift!“
Was ist also dran am „Mythos“ Mitarbeitergespräch?
An sich sind wiederkehrende Gesprächsformate zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten eine wunderbare Möglichkeit des zwischenmenschlichen Kontaktes, der die Gelegenheit bietet, sich mehr oder weniger systematisch über die individuellen Belange am Arbeitsplatz auszutauschen. Im Idealfall kann eine Führungskraft viel Informelles darüber erfahren, was im Team los ist und woran es möglicherweise hapert. Ein Mitarbeiter erlebt die volle Aufmerksamkeit seiner Führungskraft, was häufig als besondere Form der Wertschätzung empfunden wird. Insbesondere für junge Talente und Nachwuchskräfte sind solche persönlichen Formen des Austauschs für die eigene Entwicklung Gold wert, denn sie wünschen sich regelmäßig Feedback. Generation Y und Z lässt grüßen.
Aber was passiert, wenn nichts passiert?
Die wohl unglücklichste Konstellation für ein Mitarbeitergespräch ist folgende: Ein Eintrag im Kalender oder die nicht müde werdende Personalabteilung erinnert die Vorgesetzten daran, dass es mal wieder Zeit für das jährliche Mitarbeitergespräch ist. Also wird händeringend nach einem halbwegs passenden Termin gesucht – prima, um Lücken im Terminkalender zu stopfen. Eilig noch die Mitarbeiter informieren, die Gespräche zügig durchführen und anschließend der Personalabteilung „den Vollzug“ melden. Und was kommt dann? Wahrscheinlich nichts oder nicht viel, auf jeden Fall aber Frustration auf beiden Seiten, warum das Ganze jährlich durchgezogen werden muss, wenn es ja doch nichts bringt. Aber woran liegt das?
Mitarbeitergespräche können nicht eben mal aus dem Ärmel geschüttelt werden oder nebenbei stattfinden. Sie benötigen eine fundierte Vor- und Nachbereitung. Jeder Mitarbeiter hat andere Stärken und Potenziale, steht an einem anderen Punkt seiner beruflichen Karriere. Das muss in allen Gesprächen Berücksichtigung finden. Dabei spielt der Rhythmus tatsächlich gar keine entscheidende Rolle. Na klar, es geht dabei darum, eine gewisse Regelmäßigkeit einzuziehen und auch eine Kennzahl zu bedienen, die wiederum zur Einschätzung der Führungstätigkeit herangezogen werden kann. Aber letztendlich sollte doch der Bedarf entscheiden, ob und worüber und in welchem Umfang gesprochen wird. Insbesondere die neu ins Berufsleben einsteigenden Mitarbeitergenerationen (Generation Y und Z) dürsten geradezu nach Feedback. Diese Mitarbeitergruppe mit einem jährlichen Routinegespräch abzufertigen, ist sicherlich nicht klug.
Wie können Mitarbeitergespräche kreativ gestaltet werden?
Ein erster und auch entscheidender Schritt ist es, als Führungskraft den generellen Gesprächsbedarf seiner Mitarbeitenden zu erkennen und darauf abgestimmt Gesprächsangebote zu unterbreiten. Dabei können die Gespräche auch immer wieder andere Überschriften tragen: Entwicklungsgespräche, Perspektivgespräche, Motivationsgespräche … Und, diese müssen auch nicht immer steif im Büro stattfinden. Wie wäre es mit einem gemeinsamen Mittagsessen? Oder zum Kaffee ins Büro zum Chef einladen? Alles was eine angenehme Atmosphäre erzeugt, ist eine wunderbare Grundlage für ein gelingendes Gespräch. Und wie so oft, kommt das Wichtigste zum Schluss. Egal, was genau der Gesprächsinhalt ist, zum Ende sollte es zu konkreten Vereinbarungen kommen, die beiden Seiten das Gefühl geben, im Gespräch etwas erreicht zu haben. Miteinander reden ist zwar auch nett, weicht aber langfristig die Bedeutung der Gespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden auf. Dementsprechend heißt es auch, dran bleiben und das, was vereinbart wurde, nachhalten. Eventuell macht auch eine Kette von mehreren, eher kürzeren Gesprächen Sinn, um ein Projekt oder einen Entwicklungsprozess zu begleiten. Das bedeutet zwar mehr Aufwand, aber erst dann bringen Mitarbeitergespräche einen Effekt – dann machen sie Sinn!