Deutsche Unternehmen schöpfen trotz Fachkräftemangel Weiterbildungsbudgets nicht aus

Was tun gegen den Fachkräftemangel in Deutschland? Vom kleinen Mittelständler bis zum Großkonzern setzen Unternehmen aller Branchen vor allem auf eine Lösung, auf die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Meinungsforschungsinstitut forsa befragte die Fachleute im Auftrag von „Springest“, einem internationalen Anbieter von Weiterbildungsdatenbanken, Personalverantwortliche aus 200 Unternehmen in ganz Deutschland mit mehr als 100 Mitarbeitern. 95 Prozent der Befragten gaben Weiterbildung ihrer Mitarbeiter als das Mittel der Wahl gegen den Fachkräftemangel an. Die Suche nach Fachkräften im Ausland, ein großes Thema in Medien, Politik und Verbänden, spielt im Alltag der Unternehmen eine überraschend geringe Rolle: weniger als 10 Prozent der kleinen Unternehmen unter 250 Mitarbeitern unternehmen den Versuch, freie Stellen mit Bewerbern zu besetzen, die außerhalb der Grenzen Deutschlands leben.

Dabei ist der Fachkräftemangel tatsächlich ein großes Problem für die deutsche Wirtschaft: in knapp der Hälfte der kleinen Unternehmen unter 250 Mitarbeitern gelingt es Personalverantwortlichen nicht, für eine oder mehrere Stellen die richtige Fachkraft zu finden. Bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern sind dies schon 60 Prozent, ergab die forsa-Umfrage.

Doch gerade beim Thema betriebliche Weiterbildung, das laut Umfrage der Königsweg gegen den Fachkräftemangel sein soll, scheint es Verbesserungsbedarf zu geben. Hans-Ulrich Nordhaus, der im DGB-Bundesvorstand die Abteilung Bildungspolitik und Bildungsarbeit leitet, sieht eine mögliche Ursache darin, dass betriebliche Weiterbildung in Deutschland nicht klar genug geregelt ist: „Weder Gesetze noch Tarifverträge geben in einem einheitlichen und verbindlichen Rahmen vor, wie berufliche Weiterbildung zu definieren, zu organisieren, zu finanzieren und zu zertifizieren ist“. Zusätzlich zu Weiterbildungsbudgets hält Nordhaus sogenannte „Qualifizierungstarifverträge“, die es bereits in einigen Branchen gibt, für ein sinnvolles Instrument, räumt aber auch ein: „Die Verträge abzuschließen ist das eine, sie umzusetzen das andere. Gleiches gilt für Budgets.“

Budgets für Weiterbildung werden oft nicht ausgeschöpft

36 Prozent der deutschen Unternehmen haben feste Budgets, die nach Bedarf und Anfrage verteilt werden, ergab die forsa-Umfrage. Ein knappes Viertel der Personalverantwortlichen hat dieErfahrung gemacht, dass das Budget meist nur teilweise eingesetzt wird. Und acht Prozent der befragten Personalverantwortlichen gaben an, dass das Budget meist am Jahresende verfällt, weil es nicht ausgeschöpft wurde.  Dirk Werner, stellvertretender Leiter Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik im Kompetenzfeld Berufliche Bildung des Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, bezweifelt, dass die Tatsache, ob ein Weiterbildungsbudget ausgeschöpft werde oder nicht, relevant für die Einschätzung der Gesamtsituation der betrieblichen Weiterbildung sei. Zum einen sei es die Ausnahme, dass ein Budget überhaupt nicht genutzt werde. Zum anderen könnten beispielsweise auch einfach volle Auftragsbücher dazu führen, dass Weiterbildungen verschoben werden müssten und deshalb ein Budget unterschritten werde.

Unumstritten ist bei Gewerkschaften wie bei Arbeitgebern allerdings der hohe Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung. Der Bedeutung werde in den kommenden Jahren noch weiter steigen, prognostizieren beide Seiten übereinstimmend. Dirk Werner vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat beobachtet, dass Unternehmen mit Stellenbesetzungsproblemen derzeit zwar noch bereit seien, „Abstriche bei den Anforderungen an die Bewerber zu machen“. Dies führe aber in Zukunft zu einem noch mehr steigenden Weiterbildungsbedarf. Auch Gewerkschafter Nordhaus hält es für „erfreulich, dass die Weiterbildung für die Mehrzahl der Unternehmen eine wichtige Maßnahme zur Fachkräftesicherung ist und zunehmend Weiterbildungsbudgets existieren. Der schon existierende Fachkräftebedarf und demografischer Wandel, so Nordhaus, würden „zwangsläufig den Druck erhöhen“.

Sollen Mitarbeiter über ihre Weiterbildung selbst entscheiden?

Kann die Bereitschaft zur Weiterbildung gesteigert werden, wenn Mitarbeiter stärker als bisher in die Wahl der Maßnahme einbezogen werden? Dirk Werner vom Institut für deutsche Wirtschaft stellt klar, dass es sich „um eine Investitionsentscheidung handelt, die letztlich das Unternehmen trifft“. Werner fordert von Mitarbeitern, die besonders aufwendige Fortbildungsmaßnahmen wahrnehmen wollen, einen stärkeren Eigenbeitrag: „Von solchen Weiterbildungen profitiert besonders der Mitarbeiter, weshalb eine Kostenteilung und ein intensiver Freizeiteinsatz angemessen erscheinen."

Hans-Ulrich Nordhaus vom DGB kritisiert, dass die fehlende Einbeziehung der Mitarbeiter in die Wahl der Maßnahme „demotivierend“ sei. „Das zeugt von mangelndem Vertrauen in die eigene Belegschaft – ein Armutszeugnis“. Dass laut forsa-Umfrage nicht einmal die Hälfte der Personalverantwortlichen es für sinnvoll halte, die Beschäftigten über das Weiterbildungsbudgets und dessen Verwendung zu informieren, zeige: „Noch kann man von einer Weiterbildungskultur in den Unternehmen nicht sprechen. Wertschöpfung geht niemals ohne Wertschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

In den Niederlanden setzen die Unternehmen deshalb darauf, Mitarbeiter sehr viel stärker bei der Auswahl der geeigneten Weiterbildung zu beteiligen, wie eine vergleichbare Untersuchung, ebenfalls im Auftrag von „Springest“ ergeben hat.

Springest, europaweit aktiver Anbieter von Weiterbildungsdatenbanken und Marktführer in den Niederlanden, stellt für eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an geeigneten Weiterbildungsmaßnahmen das passende Werkzeug bereit. Springest arbeitet derzeit intensiv an Datenbanken, die einen Gesamtüberblick über das Angebot für berufliche Weiterbildung im deutschsprachigen Raum, aber auch darüber hinaus geben. Eva Mattern, Online-Marketingchefin bei Springest: „In unserer Datenbank suchen sowohl die Mitarbeiter, die sich weiterbilden wollen, als auch die Personalverantwortlichen. Damit wächst der Entscheidungsrahmen der Mitarbeiter. Gleichzeitig werden die Mitarbeiter stärker in die Verantwortung genommen, ihrer Führungskraft eine Weiterbildung vorzuschlagen, die im Sinne des Unternehmens ist“.

Regionale Unterschiede: Im Osten größerer Fachkräftemangel

Auffällig in der deutschen Weiterbildungslandschaft sind starke regionale Unterschiede. Für Unternehmen in den neuen Bundesländern ist es der Umfrage zufolge wesentlich schwieriger, die geeigneten Fachkräfte zu finden. Während 67 Prozent der befragten Personaler im Osten die Frage bejahen, ob es in ihrem Unternehmen eine oder mehrere Stellen gibt, die sie nicht besetzen können, sind dies im Süden der Republik nur 51 Prozent.

Ein Hauptgrund, warum offene Stellen nicht besetzt werden können: es gibt einfach kleine geeigneten Bewerber. Knapp 80 Prozent der Personaler in kleinen Unternehmen sind davon überzeugt. Bei großen Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern sind dies nur 61 Prozent der Befragten. Aber auch wenn es sie gäbe, so sind sie doch schwer zu finden. Darin sind sich alle Befragten einig, egal, ob sie für große oder kleine Unternehmen sprechen, und in welcher Region und Branche sie in Deutschland tätig sind. Am Geld scheint es nicht so oft zu liegen, dass eine Stelle nicht besetzt werden kann. Nur die Hälfte der Befragten gibt an, dass Unternehmen und Bewerber wegen unterschiedlicher Vorstellungen beim Gehalt nicht zusammenkommen.

Wie viel Geld investieren die Unternehmen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter? Die forsa-Befragung zeigt: zwischen 250 und 1.500 Euro pro Person stellen die Unternehmen zur Verfügung. Nur eine verschwindend geringe Anzahl von Unternehmen ist bereit, in Weiterbildungen zu investieren, die mehr als 1.500 Euro kosten.

Wie finde ich die richtige Weiterbildung?

Bei der Suche nach geeigneten Weiterbildungsmaßnahmen setzen deutsche Unternehmen noch überwiegend auf bewährte Kontakte. 90 Prozent vertrauen auf das Know-How externer Weiterbildungsanbieter, mit denen sie bereits zusammenarbeiten. Auch Mundpropaganda spielt offenbar eine große Rolle. Durchschnittlich 63 Prozent der Befragten über alle Branchen und alle Unternehmensgrößen hinweg meinen, dass die Entscheidung für eine bestimmte Weiterbildung oft auf Empfehlungen von Freunden oder Bekannten beruht. Die Suche in Weiterbildungsdatenbanken betreiben vor allem große Unternehmen. Dabei wird Weiterbildung als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel in Zukunft noch wichtiger als bisher: mehr als 90 Prozent der Befragten erwarten, dass die Zahl der Mitarbeiter, die

Weiterbildungen besuchen und die Höhe des Weiterbildungsbudgets im Jahr 2014 gleich bleiben oder sogar noch steigen werden. Dirk Werner vom Institut der deutschen Wirtschaft bestätigt diesen Trend: „Da Bildung ein Erfahrungsgut darstellt, dessen Qualität sich erst im Nachhinein abschließend einschätzen lässt, arbeiten Unternehmen gerne mit Anbietern zusammen, die gute Ergebnisse versprechen oder die sich bereits in der Vergangenheit bewährt haben. Erfahrene Partner stellen sich dann individuell auf die aktuellen Bedürfnisse des Unternehmens ein. Neue Anbieter und Weiterbildungsangebote suchen Unternehmen und auch die Mitarbeiter in Eigeninitiative häufig über Suchmaschinen oder Weiterbildungsdatenbanken im Internet und über persönliche Empfehlungen. Weiterbildungsdatenbanken sind daher insofern sehr hilfreich als sich mit ihnen thematisch und methodisch passende Angebote als Informationsgrundlage in einem ersten Schritt finden lassen, deren Qualität in einem zweiten Schritt eingeschätzt werden muss.“

Mehr Informationen, sowie die gesamte Studie finden Sie hier.