Variable Vergütung im Vertrieb: Ist sie noch zeitgemäß?
Zahlreiche Unternehmen, die langjährige Erfahrungen mit variabler Vergütung im Vertrieb gesammelt haben, stellen sich immer wieder die Frage, ob solche Anreizsysteme sinnvoll sind und den damit verbundenen personellen und materiellen Aufwand rechtfertigen.
Dahinter stehen zwei Fragen:
- Motiviert die aktuelle variable Vergütung im Vertrieb die Mitarbeiter ausreichend, um gute Vertriebsergebnisse zu erzielen?
- Führt und steuert die variable Vergütung im Vertrieb die Mitarbeiter umfangreich genug, um das Unternehmen auf der Erfolgsspur zu halten? Werden die richtigen KPI vergütet?
In Anbetracht der enormen Fülle an Vergütungsmöglichkeiten (Fixum, Provisionen, Boni, Zielprämien etc.) stellt sich außerdem die Frage, ob der Mix aus den gewählten Instrumenten anspruchsvoll genug ist, um die Ziele des Unternehmens sicherzustellen?
Berücksichtigt die variable Vergütung im Vertrieb die individuellen Interessen der Mitarbeiter?
In diesem Zusammenhang kommt eine weitere wichtige Frage in den Fokus: In Anbetracht der Tatsache, dass jeder Mitarbeiter im Vertrieb seine eigene Individualität besitzt, kann eine standardisierte variable Vergütung im Vertrieb überhaupt solche Mitarbeiter gleichermaßen erreichen bzw. motivieren?
Diese Hinterfragung des Sinns einer variablen Vergütung im Vertrieb ist übrigens primär ein deutsches Phänomen – in USA und Asien zählen monetäre Anreizsysteme zu den selbstverständlichen Einkommenselementen, teilweise dominiert der variable Einkommensanteil das Gesamteinkommen der Mitarbeiter deutlich.
Flucht in die Teamvergütung
Die angesprochenen Fragen führten bei zahlreichen Unternehmen zu einer gewissen Verunsicherung und zu einer regelrechten „Flucht“ in eine Teamvergütung, bei der die individuelle variable Vergütung im Vertrieb ersetzt wurde durch ein Unternehmensergebnis oder ein Vertriebsergebnis. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass der Erfolg einer solchen variablen Vergütung im Vertrieb, die alleine an Gesamtergebnissen festmacht, ausgesprochen mäßig war: Die herausragenden Leistungen einzelner High-Performer konnten nicht mehr angemessen vergütet werden, während die Low-Performer weiter an Engagement verloren, da das variable Einkommen auch ohne besondere eigene Leistungen gesichert war. Die Folge war in vielen Fällen, dass die High-Performer den Arbeitgeber wechselten, weil sie die Honorierung ihrer individuellen Leistungen nicht mehr als ausreichend empfanden. Die Teamvergütung wurde als quasi-sozialistischer Einheitsbrei empfunden, der der individuell erbrachten Leistung nicht gerecht wurde.
Siehe auch: vertriebszeitung.de/vertriebsverguetung-als-teamloesung/
Vorteile einer individuellen variablen Vergütung im Vertrieb
Die zeitgemäße variable Vergütung im Vertrieb weist ganz konkrete Merkmale auf:
- Die Mitarbeiter werden in verschiedene Ziele eingebunden, die die tägliche Arbeit der Mitarbeiter strukturieren und den gewünschten Unternehmenserfolg sicherstellen sollen. Dabei wird ein Mix aus individuellen und zielorientierten KPI zum Ansatz gebracht
- Die variable Vergütung wird mit diesen Zielen verbunden, um zu gewährleisten, dass die Ziele als verbindlich und wichtig erachtet werden
- Die Kurve der modernen variablen Vergütung im Vertrieb verläuft äußerst steil, d.h. ein hohes Motivationspotenzial für anspruchsvolle Leistungen wird aufgebaut
Siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=bHx9uKmBYi0&t=354s
- Durch individuelle Ziele, die die Möglichkeiten der Mitarbeiter berücksichtigen, wird die Vergütung fair und von den Mitarbeitern als gerecht empfunden
- Zahlreiche Mitarbeiterbereiche werden in eine ganzheitliche variable Vergütung im Vertrieb integriert: Außendienst, Innendienst, Produktmanagement, technische Berater, Service usw.
- Die variablen Vergütungsanteile sind spürbar, aber aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht zu hoch
- Die Systeme einer modernen variablen Vergütung im Vertrieb weisen ein hohes Maß an Flexibilität auf: Die Inhalte der Vergütung/die KPI werden in regelmäßigen Abständen auf ihre Aktualität überprüft und im Bedarfsfall ausgetauscht.
Siehe auch: vertriebszeitung.de/verguetung-im-vertrieb-neue-zeiten-brauchen-neue-loesungen/
Betrachtet man die Entgeltsysteme moderner High-Tech-Unternehmen, fällt auf, dass nach den geschilderten Prinzipien vorgegangen wird. Einen weiteren Auftrieb haben diese Systeme der variablen Vergütung im Vertrieb erhalten durch den OKR-Ansatz (Objectives and Key Results), der vor allem von Google entwickelt wurde und mit großem Erfolg praktiziert wird. Zahlreiche Unternehmen sind dem Beispiel gefolgt, auch in dem Bewusstsein, dass das Engagement der Top-Leistungsträger für jedes Unternehmen unverzichtbar ist.
Mehr Individualität in die variable Vergütung im Vertrieb bringen
Variable Vergütungssysteme werden in dem Maße erfolgreicher sein, in dem es gelingt, den individuellen Erwartungen der Mitarbeiter zu entsprechen. Diese Erwartungen können durchaus unterschiedlich sein: Eine Vergütungslösung, die für einen Mitarbeiter hochmotivierend ist, kann für den nächsten Mitarbeiter eher einen demotivierenden Charakter besitzen. Deshalb sind variable Vergütungen im Vertrieb, die den Mitarbeitern Wahlmöglichkeiten bieten, von Vorteil.
Fixe versus variable Anteile
Eine Wahlmöglichkeit kann darin bestehen, dass die Mitarbeiter in ihrer variablen Vergütung im Vertrieb zwischen unterschiedlichen hohen fixen bzw. variablen Einkommensanteilen entscheiden können. Dabei werden oft drei Wahlmöglichkeiten angeboten:
fixe Anteile | variable Anteile | Gesamteinkommen |
hoch, z.B. 80% | niedrig, z.B. 20% | 95% |
mittel, z.B. 70% | mittel, z.B. 30% | 100% |
niedrig, z.B. 60% | hoch, z.B. 40% | 105% |
Dabei besteht die Möglichkeit, die Einkommensvarianten mit den mittleren und hohen variablen Anteilen im Gesamteinkommen attraktiver zu gestalten(siehe letzte Spalte), um die Mitarbeiter zu verlocken, sich eher für die leistungsbezogenen Einkommensvarianten zu entscheiden.
Siehe auch: www.youtube.com/watch
Die Mitarbeiter geben sich ihre Ziele selbst
Eine weitere Wahlmöglichkeit im Rahmen der modernen variablen Vergütung im Vertrieb geht davon aus, dass die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sich ihr Ziel selbst zu geben, indem sie aus einem Zielangebot des Unternehmens höhere oder niedrigere Ziele auswählen können. Damit hat jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, ein für sich passendes Ziel zu finden. Natürlich werden vom Unternehmen nur solche Zielvarianten angeboten, die aus Sicht des Unternehmens vertretbar sind. Ein Beispiel soll das verdeutlichen (die folgende Tabelle zeigt in der linken Spalte die unterschiedlichen Ziele, die vom Unternehmen angeboten werden, und in der obersten Zeile die Leistung, die der Mitarbeiter gebracht hat):
Variable Vergütung im Vertrieb mit Ziel-Wahlmöglichkeiten
Der Mitarbeiter erhält ein Angebot über verschiedene Zielausprägungen (linke Spalte), aus denen ein höheres oder niedrigeres Ziel ausgewählt werden kann. Die Werte innerhalb der Tabelle repräsentieren die Zielprämien, die bei Erreichung des gewählten Ziels verdient werden (hat sich der Mitarbeiter z.B. für das Ziel 1,05 Mio. entschieden und erreicht 1,1 Mio., erhält er eine Zielprämie in Höhe von 11.200,- Euro).
Diese Vorgehensweise birgt drei Vorteile:
- Die Mitarbeiter geben sich ein Ziel, mit dem sie sich identifizieren können, was eine hohe Bedeutung für die Motivation besitzt
- Das Unternehmen bietet nur solche Ziele an, die auch die Ansprüche des Unternehmens erfüllen
- Die Mitarbeiter werden über die höheren Prämien verlockt, sich ein anspruchsvolles Ziel zu geben.
Solchen Varianten der modernen variablen Vergütung im Vertrieb gelingt es, die Interessen der Mitarbeiter mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen.
Dr. Heinz-Peter Kieser berät als Inhaber einer Unternehmensberatung für leistungsorientierte Vergütungssysteme namhafte Unternehmen bei der Einführung neuer Vergütungskonzepte. Das Beratungsunternehmen besteht seit 40 Jahren und hat über 900 Unternehmen auf neue Vergütungssysteme umgestellt. Dr. Heinz-Peter Kieser ist Autor des Standardwerks „Variable Vergütung im Vertrieb“.