Führen wird nie mehr so sein, wie es einmal war

Geniale Grenzgänge - Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt

Stellen Sie sich vor, Sie sind unumstrittener Weltmarktführer, Vorreiter, Innovationstreiber - unangreifbar, brillant, elitär. Egal ob wirtschaftlich oder eben polarhistorisch. Und in so einer überragenden Position sagen Sie sich, es reicht. Ihre Souveränität ist es, nicht alles auszuspielen. Genug ist genug, welch schöner Gedanke - gerade in Zeiten wie diesen.

Genialer Grenzgang im ewigen Eis: Die Nimrod-Expedition (1907-09)

Der erste Mensch am Südpol zu sein war Ernest Shackletons erklärtes Ziel. Die privat finanzierte British-Antarctic-Expedition verfügte mit der Nimrod nur über ein winziges Schiff. Nach einer grenzwertigen Seereise errichteten die Männer am Cape Royds ihren Ausgangspunkt Nimrod Hut. Mit seinen drei Begleitern Wild, Marshall und Adams quälte Shackleton sich bis auf 97 Meilen an den Pol heran, als die knappen Reserven ihn am 9. Januar 1909 zwangen umzukehren. Um ein Haar wäre er der berühmteste aller Polarforscher geworden. Die Rückreise über 700 Meilen geriet bei minus 52° Celsius zu einem verzweifelten Rennen gegen den Tod. Mehrmals ging den erschöpften Männern das Essen aus. Sie schafften das Unmögliche und Shackleton kehrte als Held des Empire nach England zurück. Mit den Worten Besser ein lebender Esel als ein toter Löwe, begründete er die bedeutendste Entscheidung seines Lebens.

Parallelen zwischen polarhistorischen und aktuellen ökonomischen Krisen

Geld und Zeit, Nahrung und Ausrüstung, Wissen und erfahrene Teilnehmer waren immer knapp. Zugleich wurden die Krisenmanagement- und Leadership-Eigenschaften besonders gefordert. Keine andere Expedition war jemals dermaßen isoliert und am Limit unterwegs. Nie wieder. Die Weltmarktführer in Eis, Schnee und Entlegenheit gerieten dabei in große Krisen, die beinahe unlösbar schienen.

Shackletons Handeln in der Krise

Shackletons Philosophie hat sich unter großen Bedrohungen bewährt. Er blickte der Wahrheit ins Auge und machte sich und seinen Männern nichts vor. In schwierigsten Zeiten und mit dem Rücken zur Wand hat er nie ein Menschenleben verloren. Das fasziniert und macht ihn zeitlos interessant. Shackleton hat uns vorgezeigt, wie man am Limit handelt und überlebt.

Der Stand der Dinge - die ideale Rezeptur für eine absolute Katastrophe

Wirtschaftswissenschaftliche Theorien scheinen aktuell haltlos und zusehends gewagt zu sein. Manchen Akteuren in der Wirtschaft ist das Bewusstsein für das Wesentliche abhanden gekommen: Es fehlt die Erkenntnis, dass nicht alles, was nicht verboten ist, im Umkehrschluss erlaubt ist. Damit ließen sich zwar Unsummen von Geld verdienen, aber eben auch verlieren.

Nach wie vor entscheiden in Gremien annähernd gleich alte, gleich sozialisierte und gleich ausgebildete Menschen. Ihre Übereinstimmung ist so hoch, dass sie nahezu konfrontationslos alles ab nicken. Doch Fehlentscheidungen werden dadurch, dass man an ihnen festhält, nicht richtiger. Das vorherrschendes Handlungsmuster: Wir haben zwar keine Lösung, aber wir sind fasziniert vom Problem.

Natürlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Aber sie stirbt mit diesen Entscheidern zweifellos. Die europäische oder gar weltweite Zusammenarbeit misslingt. Die globalisierte Gesellschaft macht uns aktuell zu Nachbarn, aber nachhaltig nicht zu Geschwistern.

Die Folgen der Krise:

1. Unser Wirtschaftssystem am Limit

Der Kapitalismus, eine beispiellose Erfolgsgeschichte gegenüber jedem anderen Wirtschaftssystem, hat einen Haken. Er hat uns vorangebracht, aber auch an den Rand. Man müsste einfach wissen, wie weit man zu weit gehen kann. Dort, wo alle sind, ist nichts zu holen. Dort ist nur die tote Mitte. Ähnliche Unternehmen haben ähnliche Mitarbeiter mit ähnlichen Ideen und Produkten, bei ähnlichen Preisen und Qualitäten. Wer dazugehört, wird es künftig schwer haben. Noch dazu sind gute Leute knapp. Ihre Motivation ist nicht eintreibbar, nicht einklagbar. Leistung basiert auf leidenschaftlicher Begeisterung.

2. Unsere Gesellschaft am Limit

Es ist absurd, sogenannte wirtschaftliche Entscheidungen nur auf die Wirtschaft zu beziehen. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind offensichtlich. Der Weg zurück in die Mitte der Gesellschaft ist lang. Doch die einen sind dafür, die anderen sind dagegen und die Dritten wissen es noch nicht. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, die darauf wartet, dass ihr im Fallen Flügel wachsen.

3. Ethik und Moral ein knappes Gut

Zu oft werden moralische Limits nach unten durchbrochen. Wir brauchen ohne Zweifel zumindest eine Minimalethik: Vor allem niemanden zu schaden. Das ist wenig und viel zugleich. Gewinnstreben ist legitim, aber nur unter Berücksichtigung wesentlicher Fragen: Wie werden die Gewinne erzielt? Wie werden sie verteilt? Entsteht Schaden für Dritte? Wir müssen uns aktuell mit einem Ansatz beschäftigen: Können wir gewinnen und andere daran teilhaben lassen?

4. Desillusionierte Geldwerte

Noch stützt die Geldillusion das System, doch eigentlich ist Geld nichts außer Zahlenkolonnen oder bedrucktes Papier. Der Glaube an die Geldwerte kann schwinden, wenn sich immer mehr fragen, wer soll jemals diese Schulden zurückzahlen? Würde die Bevölkerung das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor dem Morgengrauen. Das System an sich ist marode. Menschen kaufen Dinge, die sie nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die sie nicht mögen. Noch dazu mit Geld, dass sie nicht haben.

5. Führen wird nie mehr so sein, wie es einmal war

Regierungen hinterließen, im europäischen Gedanken verhaftet, ein wirtschaftspolitisches Vakuum, das der Finanzsektor gekonnt für sich nutzte und uns alle in ein Dilemma führte. Heute fordert er staatliche Hilfen von Politikern, die durch mangelnde Entscheidungsfähigkeit glänzen. Sie reagieren oft nur mehr anstatt zu agieren. Unbestritten strengen sich viele an, doch letztlich zählen nur Ergebnisse. Menschen und Unternehmen werden nicht zwingend an dem gemessen, wodurch ihre Krise ausgelöst wird, sondern vielmehr daran, wie sie mit Krisen umgehen!

Krisenmanagement gelingt mit Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht

Moral entsteht nicht durch Verpflichtung, sondern durch Nachahmung. Es ist intelligent, Shackleton als Vorbild aus vergangener Zeit für unsere Zukunft ein Mandat zu erteilen. So viele Menschen fühlen sich aktuell enttäuscht. Doch eine Enttäuschung ist nicht negativ, sondern das Ende einer Täuschung und somit die Chance für einen Neuanfang. Die Zukunft ist nicht gratis. Dabei sind Investitionen in die Zukunft wesentlich sympathischer als Rückzahlungen für die Vergangenheit.

Das soziale Tempo steigt unermesslich und utopische Forderungen propagieren mit der Hälfte des Geldes doppelt so gut zu funktionieren. Wollen wir auf dem internationalen Markt bestehen, sollten wir vielmehr verstehen, dass dies nur mit einer ausgewogenen Lebens- und Arbeitsbalance möglich ist.
Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Handeln in Krisen sind belastbare Aussagen. Die Wahrheit ist kein Kompromiss. Man kann sich dazu entscheiden. Wenn man das nicht tut, dann heißt das etwas.

Die Erfolge von gestern sollen heute kein Unternehmen mehr beruhigen. Der größte Kostenblock sind nicht die Mitarbeiter, sondern Führungsfehler. In Führungspostionen sind nur jene Menschen interessant, die, wie Shackleton Charisma und Courage haben. Sie warten nicht, bis eine zugespitzte Situation eine Veränderung erzwingt, sondern stellen sich auf die Zukunft ein, bevor die anderen es tun. Denn wer führt, gewinnt!

Wir haben nur eine gemeinsame Chance. Die Menschen wollen definitiv Hoffnung haben und nicht irgendein Krisengeschrei.

Das Genie geht glatt durch die Wand. Auch, wenn es dazu 97 Meilen vor dem Pol umdreht.

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Peter Baumgartner - Speaker & Autor
Der Shackleton-Kenner in Europa.
Wirtschaftsliteraturpreis & Wirtschaftsbuch des Jahres 2008.
Der Wirtschaftsingenieur und Dipl.-Pädagoge begeistert als motivierender Redner bei Kongressen und Tagungen im In- und Ausland. Seine Themen: Mut machen, Geniale Grenzgänge und Leadership leben.