Candidate Experience als Erfolgsfaktor für die Unternehmensmarke

Mit Theorie und Praxis ist das so eine Sache. Theoretisch wissen die meisten Unternehmen, dass es eng wird auf den Talentmärkten und die Suche nach geeigneten Kandidaten immer schwieriger wird. Wer im Wettbewerb bestehen will, muss Bewerbern die eigene Qualität als Arbeitgeber vom ersten Moment an zu spüren zu geben. Bewerber sind keine Bittsteller, sondern wollen wie Kunden überzeugt und für sich gewonnen werden. 

Praktisch herrscht bei vielen Unternehmen dann doch vielfach immer noch Ratlosig- und Einfallslosigkeit, wenn es darum geht, den Bewerbungsprozess für die Bewerber tatsächlich so angenehm wie möglich zu gestalten und das Unternehmen als Arbeitgeber positiv erlebbar zu machen. 

Bewerber stellen Unternehmen schlechtes Zeugnis aus

Fragt man Kandidaten nach ihrer Candidate Experience während des Bewerbungsvorgangs, so fällt das Urteil ernüchternd aus. Die jüngste Studie „Bewerbungsverfahren und Markenwahrnehmung. Wie Recruitingprozesse Marken beeinflussen“, welche die Berliner E-Recruiting-Firma softgarden gemeinsam mit der Markenberatung ESCH. The Brand Consultants durchgeführt hat, dürfte in den Recruitingabteilungen der Unternehmen die Alarmglocken schrillen lassen.

softgarden und ESCH haben dazu im Frühjahr 2015 über 1.000 aktive Bewerber nach ihrer Candidate Experience befragt – von der Jobsuche bis zum Vertragsabschluss. Im Zentrum der Online-Untersuchung stand die Frage, wie Kandidaten den Bewerbungsprozess erleben und wie diese Erlebnisse ihre Haltungen gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber beeinflussen. 

Die Ergebnisse des 29-seitigen E-Books liest sich wie eine No-Go-Liste einer zeitgemäßen Bewerberansprache: Der Bewerbungsprozess als Markenerlebnis ist in vielen Unternehmen derzeit offenbar nicht mehr als graue Theorie. In den meisten Bewerbungsverfahren kommt weder an, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber steht noch wird den Kandidaten ein positives Gefühl vermittelt. 

Weniger als die Hälfte der Kandidaten macht positive Erfahrungen

Derzeitige Bewerbungsverfahren überzeugen der Studie zufolge die meisten Kandidaten nicht. 57 Prozent der Teilnehmer haben keine positiven Bewerbungserfahrungen gemacht. Eine besondere Herausforderung liegt im emotionalen Erleben von Bewerbungsverfahren, mit dem Kandidaten direkt an das Unternehmen und die Marke gebunden werden. Den meisten Unternehmen gelingt es jedoch nicht, bei ihren Bewerbern ein „gutes Gefühl“ zu erzeugen. Insbesondere die „Kundenorientierung“ der Verfahren schneidet schlecht ab: Nur 29 Prozent konnten von dem Erlebnis berichten, wie „Kunden“ behandelt worden zu sein.

Doch selbst die Kernfrage, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber steht, kommt in den meisten Bewerbungsverfahren nicht an. Die Bewerbung als Markenerlebnis funktioniert offensichtlich nicht: Lediglich 47 Prozent der Befragten wurde während des Bewerbungsprozesses vermittelt, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber steht.

Bedenklich stimmt ebenfalls, dass nur 48 Prozent Bewerbungsprozesse als „gut organisiert“ bezeichnen. Nur rund die Hälfte der Bewerber hält den zeitlichen Rahmen für angemessen. Zu lange Reaktionszeiten, komplizierte Bewerbungsverfahren: Gerade auf Arbeitsmärkten mit knappem Angebot kann das dazu führen, dass Arbeitgeber keine oder nur die zweitbesten Kandidaten bekommen. 

Schlechte Bewerbungserfahrungen schaden dem Unternehmensimage

Für Unternehmen hat dies Folgen in zweierlei Hinsicht. Erstens verschenken sie im Recruitingprozess als solchen wertvolles Potential, wenn sie sich als Arbeitgeber nicht optimal präsentieren und womöglich gegenwärtige Bewerber dadurch verlieren und künftige Bewerber abschrecken. Denn schlechte Bewerbungsprozesse sprechen sich herum: Fast alle Bewerber reden über ihre Erfahrungen, wie die Studie abermals belegt. Kommentare in Social Media oder auf Online-Bewerbungsplattformen sind dabei nur die Spitze des Eisbergs: 82 Prozent berichten in persönlichen Gesprächen über das Erlebte.

Darüber hinaus birgt ein schlechter Bewerbungsvorgang jedoch noch ein zweites Risiko, was von vielen Unternehmen unterschätzt wird. Die Studie offenbart: Nicht nur das Ansehen als Arbeitgeber wird von Bewerbern, die von ihren Erfahrungen im Bewerbungsprozess nicht überzeugt waren, danach schlechter bewertet, sondern auch die Attraktivität der Produkte und Dienstleistungen leidet teils erheblich darunter. Bei 20 Prozent der Befragten sank die Bereitschaft, Angebote des Unternehmens zu nutzen.

Für die Marken der Unternehmen ist dies verheerend. Insbesondere bei Unternehmen mit starken Produktmarken ist die Fallhöhe zu den Bewerbungsverfahren groß. Hatten die Befragten zu Beginn des Prozesses noch ein positives Bild vom Unternehmen, beurteilten sie das Image danach wesentlich schlechter. Im Branchenvergleich sind Transport und Logistik, Handel, Gesundheit, Soziales und Bildung sowie die 
verarbeitende Industrie Schlusslichter. Doch die Autoren der Studie stellen klar: So richtig stolz kann keine der Branchen sein.

So wird der Bewerbungsvorgang zum Markenerlebnis

Wie es besser geht, dafür geben die Autoren der Studie zum Schluss fünf einfache, aber wirkungsvolle Tipps. 

  • Schnelligkeit: : Kaum etwas stört Bewerber mehr als langwierige Bewerbungsverfahren und Wartezeiten. Der Recruiting-Experte Softgarden verweist auf seine 2014 veröffentlichte „Online-Recruiting Studie“, die bereits gezeigt hat: Die meisten Bewerber erwarten spätestens innerhalb von 7 Tagen eine Einladung zum Vorstellungsgespräch – oder eine entsprechende Absage.
  • Transparenz: Geben Sie Ihren Bewerbern vorher bekannt, wann sie spätestens mit einer Rückmeldung rechnen können – und sorgen Sie dafür, dass die gemachten Zusagen auch tatsächlich eingehalten werden. Nennen Sie unbedingt auch einen persönlichen Ansprechpartner für Bewerbungsfragen, am besten auf Ihrer Karrierewebsite.
  • Lückenlose Prozesse: Lückenlose und zuverlässige Kommunikation ist das A und O des Bewerbungsprozesses – von Zwischenbescheiden bis zu Absagen. Schnelle Prozesse sowie deren gute Organisation setzen generell voraus, dass alle involvierte Personen (Recruiter, Führungskräfte, Kandidaten) einbezogen werden.
  • Orientierung an den Mediengewohnheiten der Bewerber: Lernen Sie die Mediengewohnheiten Ihrer Zielgruppe kennen und machen sie sich zu Nutzen. Analog zur „Ein-Klick-Bestellung“ im Online-Shopping erwarten User auch bei Bewerbungen ein Online-Bewerbungssystem, was einfach, intuitiv und schnell zu bedienen ist. Länger als 20 Minuten wird kaum ein Kandidat investieren – insbesondere dann nicht, wenn er über mobile Geräte wie Smartphone oder Tablet auf die Seite zugreift.
  • Persönliche Wertschätzung im Verhalten: Last but not least zählt natürlich der persönliche Auftritt der beteiligten Personen und der Umgang mit den Kandidaten. Selbst Kleinigkeiten können entscheidend sein: Müssen die Bewerber lange auf ihre Gesprächspartner warten? Bieten Sie Getränke an? Haben Sie die Bewerbungsunterlagen sorgfältig gelesen und können konkret Fragen zur Person stellen? All dies fließt in das Gesamtbild ein, welches der Kandidat vom Unternehmen bekommt und entscheidet darüber, ob er mit einem guten oder schlechten Gefühl das Vorstellungsgespräch verlässt.

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