Josef Blatter: Wenn man führt, dann muss man Vorbild sein!

Egal ob bei der FIFA oder in Unternehmen

Am liebsten würde man Herrn Blatter die starke Empfehlung von Bernhard v. Clairvaux (Französicher Zisterzienser-Abt) zurufen: „Stehe an der Spitze, um zu dienen, nicht um zu herrschen“! Aber vermutlich könnte er damit genauso wenig etwas anfangen, wie mit den immer lauter werdenden Forderungen nach seinem Rücktritt, die er natürlich vehement ablehnt. Mit seinem Verhalten schädigt er nicht nur nachhaltig den Fußball, sondern wird in keiner Weise den Ansprüchen gerecht, welche man an Menschen an der Spitze von Organisationen oder Unternehmen stellt. Hier heisst es nämlich VORBILD zu sein, welches wie folgt „übersetzt“ werden kann:

  • V etternwirtschaft verhindern

Diese ist ein perfektes Mittel, mit dem sich schwache Führungskräfte (in Verbänden, in der Politik, aber auch bei Unternehmen) durch entsprechende Wohltaten die Unterstützung von (ebenfalls schwachen) Mitarbeiter/innen sichern. Mit Beförderungen auf repräsentative Positionen (ausgestattet mit üppigen Gehältern) werden Abhängigkeiten geschaffen, die wiederum kritikloses „Abnicken“ der Entscheidungen des jeweiligen Vorgesetzten nach sich ziehen. Vorbildliche Führungspersönlichkeiten, die Kraft ihrer Expertise und Wertvorstellungen geachtet werden, agieren anders. Im Sinne des Unternehmenserfolges (und nicht primär ihres eigenen) fordern und fördern sie kritische, und oft sogar unbequeme Personen und bewerten bzw. entlohnen diese nach messbaren Leistungskriterien und deren Beitrag zum Unternehmenserfolg.

  • O ffen kommunizieren

Nicht nur Herr Blatter meint anscheinend, dass der Besitz von Informationen Macht bedeutet und je weniger man informiert, umso mehr die eigene Position gestärkt und geschützt wird. Dass mit diesem Verhalten aber automatisch Misstrauen gegenüber den handelnden Personen entsteht und niemand bereit ist, auch von seiner Seite aus offen und ehrlich Probleme und Lösungsmöglichkeiten zu kommunizieren, ist dann die logische Konsequenz.

Kluge Unternehmenslenker wissen, dass eine offene Kommunikation in alle Richtungen die Basis für Vertrauen und damit für nachhaltigen Geschäftserfolg ist. Sie informieren deswegen eher zu viel als zu wenig (auch bei negativen Ereignissen), erläutern Hintergründe von Entwicklungen und ihren Entscheidungen im Detail. Sie ermuntern die Beschäftigten sich offen und aktiv untereinander auszutauschen, auch über Hierarchie- und Abteilungsgrenzen hinweg.

  •  R egeln und Gesetze beachten

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jede Führungskraft, aber nicht nur bei der FIFA oft das Hochglanz-Papier nicht wert, auf dem die entsprechenden Verhaltensregeln definiert sind. Hier gilt ganz besonders das Prinzip der Unbestechlichkeit und des entsprechenden Vorlebens der Verantwortlichen auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Und dies bedeutet dann im Zweifel natürlich auch, auf Einladungen zu Fußball-Events zu verzichten, welche die entsprechenden Wertgrenzen überschreiten, egal ob von der FIFA oder vom örtlichen Lieblings-Club organisiert. Und wenn man Aufträge durch gesetzeswidrige Schmiergelder gewinnen will, sollen Ausreden wie „das macht aber unsere Konkurrenz genauso“ meistens nur von eigener Unfähigkeit oder von Schwächen im Produkt-Angebot ablenken.

  •   B escheiden bleiben

„Wir sind wegen hartem Wettbewerb leider gezwungen, Beschäftigte freizustellen, beantragen aber gleichzeitig die überfällige Erhöhung von Vorstandsbezügen und Boni auf Marktübliche Verhältnisse“. Viele Verantwortliche von Unternehmen sind sich entweder nicht bewusst, wie verheerend sich so ein Verhalten auf das Engagement ihrer Mitarbeiter/innen auswirkt, oder es ist ihnen schlichtweg egal. Dass damit automatisch die emotionale Bindung an den Arbeitgeber verloren geht, sich viele Beschäftigte sogar in die innere Kündigung zurückziehen und nur noch Dienst nach Vorschrift machen, ist die logische Konsequenz. Wenn schon gemeinsam harte Zeiten durchgestanden werden müssen, dann ist das mindeste, was von einer akzeptierten Führungskraft erwartet werden kann, das gemeinsame Teilen der schmerzhaften Einschnitte und nicht der Belegschaft „Wasser predigen“ und selber „Wein trinken“.

  •  I ntegrität beweisen

„Der Zweck der FIFA ist: Integrität, und Ethik zu fördern“ (aus deren Satzung). Wenn man sich die ursprüngliche Herkunft (lateinisch "integritas") und Übersetzung des Wortes (anständig und ehrlich) vor Augen führt, kommt man nicht nur beim Handeln von Repräsentanten der FIFA, sondern auch bei dem von manchen Unternehmen ins Grübeln. Führungskräfte, egal in welcher Funktion oder bei welcher Organisation, müssen sich immer bewusst sein, dass sie an der eigenen Integrität gemessen werden. Nur wenn sie anständig und ehrlich mit ihrer Mannschaft umgehen, erhalten sie im Gegenzug die entsprechende Unterstützung der Teammitglieder und hohe Leistungsbereitschaft.

  • L oyalität vorleben

Das „wahre“ Kapital eines Unternehmens sind treue Kunden oder Geschäftspartner und vor allem qualifizierte, engagierte und loyale Mitarbeiter/innen.

Um diese (hohe) Loyalität zu erreichen, ist es entscheidend, dass Fairness und Aufrichtigkeit wiederum nicht nur in irgendeiner einer Satzung oder in einem Unternehmensleitbild stehen, sondern gerade von Führungskräften tagtäglich praktiziert werden. Wenn diese Werte nicht vorhanden sind oder sogar massiv verletzt werden, muss man sich nicht wundern, dass dann das „Kapital“ (egal ob Sponsoren der FIFA oder Mitarbeiter/innen eines Unternehmens) fluchtartig das Weite sucht, und man plötzlich „Kevin allein zu Haus“ spielen muss.

  • D emut zeigen

Damit wären wir wieder bei Bernhard von Clairvaux und dem Dienen an der Spitze, aber diese Eigenschaft ist vermutlich nicht nur Herrn Blatter unbekannt, bzw. wird als „aus der Mode gekommen“ betrachtet. Dabei sollten sich vor allem die Verantwortlichen in Spitzenpositionen täglich vor Augen führen, wem sie denn eigentlich den persönlichen Erfolg zu verdanken haben. In vielen Fällen ist dies nämlich oft der Zufall (zur richtigen Zeit am richtigen Fleck), oder das berühmt-berüchtigte Vitamin-B (Beziehungen).

Ach so, beinahe hätte ich meine Abschlussempfehlung für Josef Blatter vergessen! Zu einem echten Vorbild gehört nämlich auch das Übernehmen von persönlicher Verantwortung, wenn in der entsprechenden Organisation schwerwiegendes Fehlverhalten (z.B. Verstoss gegen Gesetze) auftritt. Und egal, ob man darin direkt involviert war, Kenntnis davon hatte, oder nicht. Weil auch im letzteren Fall (nichts wissen/mitbekommen) hat man im Umsetzen der entsprechenden Vorsorge-/Kontrollmassnahmen versagt und seine Aufsichtspflicht verletzt. Und wenn Herr Blatter oder andere Unternehmenslenker Nachhilfe im Ziehen entsprechender Konsequenzen brauchen, einfach z.B. in den Memoiren von Willy Brandt blättern, der aus wesentlich banaleren Gründen zurückgetreten ist, auch um die von ihm vertretene Organisation zu schützen.

Potsdam, den 30. Mai 2015

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