Führung in Veränderungssituationen und Mitarbeiterzufriedenheit

Sie sind mit Ihrem Unternehmen mal wieder in Veränderungssituationen? Oder eigentlich – wie inzwischen viele Unternehmen – sogar dauerhaft in Veränderung? Die Mitarbeiter haben sich bereits daran gewöhnt, dass jede Woche eine „andere Sau durchs Dorf getrieben“ wird und reagieren auf neuen Ideen nur noch mit Gleichmut oder gar Unmut, anstatt mit Begeisterung?
Aus Befragungen wissen Sie, dass die Mitarbeiter nicht mehr wirklich stolz darauf sind, für das Unternehmen zu arbeiten und immer häufiger hören Sie auch entsprechende Äußerungen?

Aber was soll man tun, denken Sie sich? Ihnen und Ihren eigenen Vorgesetzten ist bewusst, dass Ihr Unternehmen längst nicht mehr zu den beliebtesten Arbeitgebern der Branche gehört, aber Sie beruhigen sich damit, dass Veränderungen ja ohnehin heute dazu gehören und Sie ja keine Wahl haben – letztlich leiden sie als Führungskraft ja ebenso, unter der Gesamtsituation.

Doch kann man die Gedanken damit beruhigt zur Seite schieben? Was geschieht, wenn Mitarbeiter in einem Unternehmen dauerhaft unzufrieden sind? Schlägt sich die schlechte Stimmung nicht ebenso auf die Qualität der Mitarbeiterführung nieder? Führungskräfte werden mit ihrem Unternehmen identifiziert: Führungskraft in einem Unternehmen mit schlechtem Ruf zu sein, kann bedeuten, selbst nicht den besten Ruf zu genießen.

Als Lehrbeauftragte an einer Unternehmerhochschule, die auch ein 5. Semester kurz vorm Bachelor betreut, höre ich seit Jahren, wie sich Studierende darüber austauschen, welche Unternehmen empfehlenswert sind, und welche nicht. Vorbei sind die Zeiten, in denen ausschließlich Unternehmen die Auswahl hatten, sich Bewerber um jeden Job rissen. Die guten Bewerber, die High Potentials, die suchen sich längst die Unternehmen selbst aus. Unternehmen mit schlechten Arbeitgeberqualitäten müssen zusehen, wer bei ihnen anfangen will – die besten und engagiertesten werden es nicht sein.

Employer Branding, ist das Zauberwort, was in diesen Zusammenhängen fällt. In Zeiten absolut rascher Veränderungen und immer mehr Öffentlichkeit durch weltweite Vernetzung und Arbeitgeberbewertung im Internet, müssen nicht nur Arbeitnehmer damit rechnen, mehr als einmal in ihrem Leben zu wechseln.
Unternehmen fusionieren, Strukturen verändern sich ununterbrochen, Führungskräfte und Mitarbeiter müssen sich ständig entwickeln, um den Veränderungen gerecht zu werden. Das Wirkungsgebiet aller wird immer größer (weltweit), gleichzeitig scheint die Welt zu schrumpfen: Dank Internet und moderner Medien eilt einem ein Ruf oft schneller voraus, als einem lieb sein kann.

Wir sind beobachtbar, einschätzbar und gläsern. Auf Internetplattformen werden der beliebteste und unbeliebteste Arbeitgeber gekürt, Auftritte von Vorständen werden per Video festgehalten und sind, Dank Youtube und Co., auch noch in vielen Jahren abrufbar und für jeden anzusehen. Employer Branding ist plötzlich für Unternehmen ein wichtiges Thema – will man doch auch zukünftig Top-Bewerber für das eigene Unternehmen interessieren. Und das geht nur mit einem entsprechend guten Ruf.
Und so ist auch die Mitarbeiterführung im Laufe der Jahre nicht nur weitaus komplexer geworden, sondern öffentlicher. Schlechte Führung wird ebenso im Internet dokumentiert, wie Unternehmen, die sich positiv abheben.

Aber was macht gute Führung heute aus?

Mitarbeiter wollen inzwischen respektiert und wahrgenommen werden. Sie wollen eigenständiger arbeiten, wollen sich entwickeln, wollen gehört werden, Chancen haben, Potentiale entfalten können. Führung, wie man sie einst verstand, ist heute nicht mehr zeitgemäß und entspricht nicht mehr den Erwartungen der Mitarbeiter. Kaum einer will heute mehr stur Anweisungen befolgen. Und die, die es noch wollen, wollen dennoch freundlich und respektvoll behandelt werden.

Was also muss eine Führungskraft heute wirklich mitbringen, um den Anforderungen nicht nur gerecht zu werden, sondern Mitarbeiter auch in wirklich schwierigen Veränderungssituationen mitzunehmen und zu begeistern? Welche Möglichkeiten muss ein Unternehmen den Führungskräften und Mitarbeitern heute bieten, gesunde und potentialfördernde Führung zu leben?

Die so genannte „charismatisch-transformationale Führung“ bietet eine Lösung, die jede Führungskraft und jedes Unternehmen für sich nutzen kann. Was sich hinter dem sperrigen Namen verbirgt, ist eine Führungsform, die in respektvoller Weise alle Mitarbeiter mit ihren Bedürfnissen berücksichtigt: „Transformational“ beinhaltet schon, worum es geht: Um Entwicklung und Veränderung. Die Führungskraft fasziniert also mit ihrem Charisma und inspiriert die Mitarbeiter zu Commitment und hoher Leistung, Entfaltung des Potentials. Und sie bewirkt dadurch Veränderung: Beim Mitarbeiter und im Unternehmen.

Über 15 Jahre Forschung in den USA über charismatisch-transformationale Führungsmodelle zeichnen ein einheitliches Bild: Die Zufriedenheit der Mitarbeiter wächst mit dieser Führungsform enorm, die Führungskräfte selbst sind ebenfalls glücklicher. Ziele werden im höchsten Maße durch die Mitarbeiter internalisiert und mit Freude und Verantwortungsbewusstsein umgesetzt. Selbst in schwierigen Zeiten bekommt eine charismatisch-transformationale Führungskraft das Commitment der Mitarbeiter. Alles in allem: Unternehmen und Mitarbeiter profitieren im gleichen Maße aufs Höchste.

Charisma – das hat aber doch nicht jeder?  Können denn nur Ausnahmeerscheinungen unter den Führungskräften so etwas für sich und die Mitarbeiterführung nutzen? Wenn man beleuchtet, was Charisma genau ist, sieht man rasch, dass die Sache weitaus weniger mysteriös ist, als sie sich anhört. Ursache dafür sind nämlich ein paar grundlegende Missverständnisse, die den Begriff Charisma umgeben.

Beispielsweise halten viele Menschen Charisma für eine persönliche Eigenschaft, was es jedoch nicht ist. Vielmehr handelt es sich um eine durch andere Menschen zugeschriebene Eigenschaft. Kein Mensch kann von sich selbst behaupten, charismatisch zu sein – jedoch können andere dies über eine Person sagen. Darüber hinaus kann sich diese Zuschreibung auch jederzeit verändern. Bekommt heute jemand Charisma zugeschrieben, kann das morgen schon wieder anders sein, wenn derjenige sich anders verhält, oder die Erwartungen der anderen nicht erfüllt. Alleine daran wird ersichtlich, dass es sich bei Charisma keineswegs um eine persönliche Eigenschaft sondern um ein soziologisches Phänomen handelt. Wir können Charisma so definieren: Es ist eine „außergewöhnlich intensiv wirksame Ausstrahlung, die eine größere Anzahl anderer Menschen starke Gefühle empfinden lässt.“
Eine weitere Ursache für Missverständnisse: In einigen Lexika wird Charisma nach wie vor als „Gottesgeschenk“ bezeichnet. Das impliziert, dass Charisma nicht erlernbar sei, sondern angeboren. Dies ist aber nicht der Fall. Natürlich gibt es große Begabungen, die einige der nötigen Eigenschaften als Charaktermerkmale bereits mitbringen. Jedoch handelt es sich hier kaum um ein „Gottesgeschenk“, sondern vielmehr um erlerntes Verhalten und persönliche Charaktereigenschaften – sei es durch Erziehung, sei es durch Erfahrung geprägt, oder schlicht in Persönlichkeitsentwicklung erarbeitet - die dann in Summe die Zuschreibung von Charisma begünstigen.

Soziologen haben inzwischen ermitteln können, welche Verhaltensweisen und Eigenschaften zur Zuschreibung von Charisma führen. Es handelt sich im großen und ganzen um erlernbare Eigenschaften. Auf diese Weise wird ersichtlich, Charisma kann sich jeder „aneignen“, es kann jedem zugeschrieben werden. Bleibt die Frage, um welche Verhaltensweisen und Eigenschaften es sich konkret handelt, damit eine Zuschreibung des Charismas erfolgen kann.

Die Elemente aus denen Charisma besteht, kann man in vier große Bereiche einteilen. Zum einen gibt es den Bereich des Bewusstseins, ich nenne ihn „Mind“. Hier geht es darum, was Menschen über sich und andere und die entsprechende Situation denken. Es geht im Mind-Bereich um Mut und Visionen, um das Wissen, wie Status zwischen Menschen entsteht, über das Bewusstsein darüber, wie Menschen „ticken“, was sie lieben, was sie verabscheuen. Wie Sympathie entsteht, welche Ängste Menschen haben und unter welchen Umständen sie sich führen lassen.

In diesem Bereich ist auch die Ethik angesiedelt, das Bewusstsein darüber, wie Charisma zu „benutzen“ ist, welche Verantwortung Charisma mit sich bringt.
Der zweite Bereich ist das, was als erstes sichtbar ist: Das Äußere. Denken Sie hier an Körper, an Körpersprache, Körperspannung, an Rhetorik, Stimme und Aussehen. Ich nenne diesen Bereich „Body“.

Nicht unterschätzen sollte man „Awareness“. Generell steht der Begriff für Bewusstsein oder Bewusstheit. Ich möchte ihn aber noch etwas weiter fassen: Es geht um ein inneres Gespür für andere Menschen, den emotionalen Quotienten, die innere Haltung. Denn die wird immer dafür verantwortlich sein, wie ich einem anderen Menschen gegenüber trete. Und das beeinflusst die persönliche Außenwirkung erheblich.

„Unterstützende Faktoren“, nenne ich die vierte Komponente - gerne unterschätzt, gilt sie doch als oberflächlich. Es handelt sich hier um Kleidung, Inszenierung, Statussymbole usw. Wir vergessen an dieser Stelle gerne, wie grob unser Gehirn im ersten Eindruck kategorisiert, wie erheblich diese Faktoren somit auch für die Wahrnehmung des Gegenüber sind.

Was aber genau ist nun eine charismatisch-transformationale Führungskraft? Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie von den Mitarbeitern als charismatisch, als besonders ausstrahlungsstark, wahrgenommen wird. Die Mitarbeiter fühlen sich durch sie ernstgenommen und unterstützt. Sie ist beinahe Coach des Mitarbeiters, fördert und fordert gelichermaßen. Solche Führungskräfte erwarten selbstständiges Denken und sehen im Mitarbeiter ein Gegenüber auf Augenhöhe. Trotzdem haben sie Vorbildfunktion, stehen mutig in der ersten Reihe, geben Orientierung, sind im besten Fall sogar visionär. Die Mitarbeiter vertrauen, weil sie wissen, diese Führungskraft denkt und handelt immer fair. Aus diesem Grund erweisen sich Change-Prozesse auch als weitaus weniger problematisch, als unter herkömmlicher Führung. Das bestehende Vertrauensverhältnis sorgt dafür, dass sogar unpopuläre Entscheidungen von den Mitarbeitern mitgetragen werden.

Kann man charismatisch-transformationale Führung in Unternehmen überhaupt so einfach implementieren? Die Antwort ist ein klares Ja! Denn Führungskräfte haben es selbst in der Hand, als charismatisch wahrgenommen zu werden und eine solche Führung zu leben. Und diese Führungsform wird auch in Zukunft an Popularität gewinnen, auch, wenn sie nicht eben an einem Wochenende zu erlernen ist, sondern sich die Führungskräfte auf einen prozessualen Weg begeben. Denn unterm Strich erleichtert sie vieles. Und alle profitieren. Die Unternehmen, die Mitarbeiter und die Führungskräfte selbst.

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