Echtzeit-Kommunikation statt argumentieren im Autopilot

Gespräche, Telefonate, Meetings und Verhandlungen bieten kaum Zeit zum Nachdenken. Erfolg hängt in diesen Situationen davon ab, welche Kompetenzen spontan abrufbar sind, denn es gibt keine Chance, in Checklisten zu schauen, Kollegen zu fragen oder gar mehrere Minuten nachzudenken.

Für Sie kein Problem? Selbst, wenn man Sie nachts um 3 Uhr weckt, haben Sie konkrete und bildhaft den Kundennutzen formulierende Argumente parat?

Das ist gut, aber nicht gut genug.

Argumente verkaufen nicht!

Sie fragen warum? Was soll dagegen sprechen, dass eingängige, am Kundennutzen orientierte Argumente aus Interessenten schnell Käufer machen?

Nun, dagegen spricht die Natur des Menschen und seiner Informationsverarbeitung!

Zum Verständnis verfolgen wir den Weg eines Arguments ins Gehirn. Erster Checkpunkt ist die Amygdala. Dieser zentrale Bereich des Limbischen Systems dient der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen bei gleichzeitiger Analyse möglicher Gefahren. Von jeder Information, mit der wir konfrontiert werden, entsteht in der Amygdala ein erstes grobes Bild – und eine emotionale Bewertung: Gefährlich oder ungefährlich, kritisch oder harmlos?

Ist ein Argument nicht willkommen, wertet die Amygdala es kritisch und löst je nach unbewusster Einschätzung der Lage beim Adressaten Abwehr oder Rückzug aus. Ersteres äußert sich in spontanen Gegenargumenten, letzteres in Ausreden oder Rechtfertigung. Wirkliches Reflektieren und Abwägen des unwillkommenen Arguments finden so nicht statt.

Solange uns ein Gesprächspartner skeptisch oder gar kritisch gegenübersteht, können wir mit den sprichwörtlichen Engelszungen formulieren - seine Amygdala wird Abwehr auslösen und das Eingehen auf unsere Argumente verhindern.

Argumentieren scheitert an einem auf Abwehr eingestellten Autopiloten unseres Gegenüber!

Autopilot und Pilot

Der hier beschriebene Automatismus im Gehirn – unser Autopilot – setzt Umweltinformationen innerhalb von etwa 0,1 bis 1 Millisekunden in emotionale Reaktionen um. Der Autopilot ist etwa 150.000 mal schneller als das reflektierte Denken – unser Pilot. Das bewusste Erfassen und Bewerten einer Situation im Piloten braucht damit mindestens 15 Sekunden. Deshalb hat unser Pilot nur dann die Chance einzugreifen, wenn der erste emotionale Impuls des Autopiloten nicht schon spontan zu einer Handlung geführt hat. Denn wenn wir Ablehnung spüren, drängt der Autopilot uns zu vermehrter Anstrengung, zu neuen, vielleicht stärkeren Argumenten. Es kommt zu einer Spirale aus Überredungsversuchen und deren Abwehr.

Wie lässt sich diese Spirale nun stoppen? Was können wir tun, um unseren Argumenten eine reale Chance zu verschaffen?

Der Schlüssel liegt in den eben genannten 15 Sekunden! Wenn es uns gelingt, dem drängenden Impuls unseres Autopiloten, zu argumentieren, so lange auszuhalten, bis auch unser bewusster Pilot die Situation erfasst hat, verlassen wir den reinen Reaktionsmodus und stellen die Weichen auf bewusstes agieren. Echtzeit-Kommunikation bedeutet also, das Gesprächstempo so weit zu reduzieren, dass es zu einem echten Austausch kommt, dass die Gesprächspartner auch reflektieren, was der jeweils andere sagt.

Kommunizieren in Echtzeit heißt Kommunikation entschleunigen

Das bedarf einer gezielten „Umprogrammierung“ des eigenen Autopiloten durch Verinnerlichen der Regel „so lange ich nicht sicher bin, worum es meinem Gegenüber geht, sage ich nichts, was gegen mich verwendet werden kann“.

Neben der Akzeptanz dieser Regel bedarf das einiger Übung. Wir müssen lernen, die kurze Spanne von 15 bis 20 Sekunden im Wortsinn inne zu halten und darauf zu vertrauen, dass unserem bewussten Piloten in dieser Zeit eine Frage einfällt, die die Amygdala unseres Gegenüber nicht provoziert, sondern diesen zum Nachdenken bringt.

Reagiert ein Interessent etwa auf Ihren Preis mit „zu teuer“, hilft die Verteidigung des Preises nicht, auch wenn Ihre Argumente dafür absolut schlüssig sind. Die offene Frage dagegen, „Was ausser dem Preis ist für Sie noch entscheidungsrelevant?“, eröffnet ein Gespräch über mögliche Hintergründe des „zu teuer“. So erfahren Sie, welche Ihrer Argumente für Ihren Gesprächspartner relevant sind.

Und, Sie gewinnen für sich wertvolle Zeit zum Nachdenken. Zum Beispiel über weitere zielführende Fragen und natürlich über Ihre, für diesen Gesprächspartner relevante Argumente.

Nun können Sie selten im Gespräch 15 oder mehr Sekunden in Stille verharren. Denn Schweigen wird nach etwa 5 bis 6 Sekunden als drückend oder verlegen empfunden. Hier hilft unverbindlicher Small Talk. So bringt ein gedehntes „okay“, eingerahmt von 3 bis vier Sekunden davor und danach schon die halbe Zeit. Statt okay tut es auch ein „hm“, oder wie auch immer man dieses mit geschlossenen Mund vorgebrachte Lebenszeichen schreibt. Danach können Sie das „zu teuer“ wie in Gedanken verloren einfach wiederholen und sich nach weiteren 3 bis 4 Sekunden mit „danke, dass Sie das so direkt ansprechen“ die Zeit zu verschaffen, Ihre klärende Frage zu stellen.

Natürlich müssen Sie Ihren ganz persönlichen Small Talk für Zeitgewinn in kritischen Situationen finden - und so trainieren, dass er Ihnen leicht von den Lippen geht. Doch dann ist Ihr Weg frei für zielführendes Kommunizieren in Echtzeit.

Und hier noch zwei Tipps für passende Trainings: http://bit.ly/situativ-kommunizieren-effektiv-verhandeln-individuell-ueberzeugen
oder auch: http://bit.ly/intensiv-training-kommunikation

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