Mediative Kompetenzen als Schlüssel zum nachhaltigen unternehmerischen Erfolg

Jede Gesellschaft, jede einzelne Generation und die mit ihr verbundenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, haben so „ihre“ Themen, sehen sich Herausforderungen ausgesetzt, genießen Privilegien und Freiheiten. Oder eben nicht. Während sich z.B. mancher heute 70jährige Europäer zum Zeitpunkt seiner Abiturreife vor allem darüber freute, überlebt zu haben, sieht sich der heutige Jugendliche mit ganz anderen Themen konfrontiert: Seine Existenz dreht sich (in Ländern wie Deutschland) vordergründig um Bildung und Leistung, er entwickelt die Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit materiellen und immateriellen Ressourcen, blickt jeder Zeit über seine geographischen Grenzen hinaus und sucht nach Orientierung und Stand, die ihm in der enormen Vielfalt und Entschlankung der gesellschaftlichen Bindungen schwer fallen.

Die dabei klare Andersartigkeit der Gegebenheiten und Erwartungen machen uns deutlich, dass beide Akteure andere Verhaltensweisen, Fähigkeiten oder sogar Werte entwickeln und priorisieren müss(t)en, um gesund zu überleben. Und wir können genau beobachten, wie die einzig konstante Veränderung, diese Vielfalt und Komplexität uns permanent herausfordern und in Bewegung setzen. Sie schenken uns aber auch Entwicklungsmöglichkeiten und die Chance, eine Balance zwischen dem Vertrauten und Bewahrten sowie der Flexibilität zu generieren. So auch im Themenbereich der Führung, des Umgangs mit materiellen und immateriellen Gütern eines Unternehmens, dem Umgang mit sich selbst.

Die folgenden Beiträge befassen sich mit einzelnen Aspekten dieser Vielfalt und liefern Denkanstöße für einen schonenden Umgang mit sich selbst und der eigenen Umgebung als Unternehmen, Führungskraft oder Personaler. Sie laden dazu ein, die eigene innere Haltung zu überdenken und Schritte zu tun, die diese dem erwünschten Zukunftsszenario näher bringen. Spinnen Sie diese Anstöße weiter, es bleibt sicherlich spannend!

  1. Mediative Kompetenzen und Führung
  2. Führung von Diversität
  3. Medikation, Meditation und Mediation - Führungskräfte auf der Suche nach Allheilmittel?
  4. Mediative Kompetenzen im Kanzleimanagement
  5. CSR (Corporate Social Responsibility) und Ihr Unternehmen - passen Sie zusammen?

1. Mediative Kompetenzen und Führung

Die Herausforderungen des westlichen Alltags sind u.a.: mit dem Innovationsdruck, mit vielseitigen Erwartungen, Strategien und Engpässen zugunsten der Ergebnisorientierung umzugehen und gleichzeitig die Spannungen in Teams gekonnt aufzugreifen und enthalten dadurch sicherlich einen spannenden Kern. Im Übermaß oder ungünstig aufgegriffen sind sie dennoch selten gewinnbringend oder gesundheitsfördernd. Wenn Sie daher als Unternehmer oder Führungskraft diese Potenziale aufgreifen und aus denen schöpfen möchten, lohnt es sich nach Möglichkeiten hierfür zu schauen. Und zwar solchen, die jenseits der Erwartung, als Führungskraft ein „Kompetenzmensch“ sein zu müssen, Ihnen eine balancierte Entwicklung ermöglichen. Wählen Sie vielmehr, wie aus einem hochqualitativen Menü das heraus, was Ihnen gut bekommt und wonach Sie in der Lage sein werden, sich in einem stark wettbewerbsorientierten Umfeld durchzusetzen, sich und andere Menschen handlungsorientiert und zielführend zu begleiten und dabei am besten auch Freude erleben. Menschen erfolgreich zu führen bedingt, dieses zunächst bei sich selbst zu erreichen. Daher stets an den zur integralen Führung zugehörigen fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen, der Emotionalen Intelligenz (Goleman 1997), dem Verantwortungsbewusstsein und der Selbstführungsfähigkeit zu arbeiten und es zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu beanspruchen. Der Weg dorthin ist sicherlich kein kurzer, dafür aber bunt und von konkreten Erfahrungen im beruflichen Alltag bereichert. Eine ausgezeichnete Route dafür bietet Ihnen z.B. die Entwicklung von mediativen Kompetenzen, die aus der Profession der Mediatorin  entnommen in den Führungsalltag übertragen werden. Insbesondere dorthin, wo viele Konfliktpotenziale existieren und man diese eher aufgreifen und Konflikte kooperativ lösen als sich durch diese umschlingen lassen möchte.

Soziale Konflikte in der Arbeitswelt, in der Öffentlichkeit und im Privatleben gibt es seit je, auch wenn sie bis heute nur wenig enttabuisiert oder als Entwicklungspotenzial betrachtet werden. Sie irritieren, rauben Energie, Schlaf, finanzielle Mittel und nicht zuletzt das Vertrauen: in andere und in sich selbst. Man verschweigt sie oder spricht über sie, den am Konflikt beteiligten Personen jedoch selten  wertschätzend und verständnisvoll gegenüber. Im Extremfall spricht man selber ein Machtwort aus, das den Konflikt zwar nicht löst, aber für Stille sorgt. Oder aber man spricht“ über ihn gegenüber des Richters, welcher anschließend über die „Sache“ entscheidet. Geht es aber auch anders, mit dem unerwünschten Zustand namens Konflikt umzugehen?

Die Wahrnehmung und Bearbeitung von Konflikten divergiert weltweit, ähnlich den Kochrezepten, die je nach vorhandenen Zutaten, der Region aus der sie stammen, den Kompetenzen und der Anzahl unterschiedlicher Vorlieben und Geschmäcke der KöchInnen aufweisen. Bemüht man sich um ein „Kochbuch“ der Konfliktlösungsrezepte, welches dieser Diversität und der Zeit gerecht werden möge, müssen zunächst die Gemeinsamkeiten: der Hunger (in unserem Kontext der Ärger) und das Bedürfnis, satt zu werden (bzw. Klarheit und Harmonie zu erreichen) herausgearbeitet und von dort aus auch weitere Bedürfnisse der beteiligten „Gäste“ identifiziert und für diese entsprechenden Menüs zusammengestellt werden. Während dessen besteht das gewöhnliche Repertoire der, manchmal vermeintlichen, Konfliktlösung (der Bearbeitung eines Zustands also, in dem es unterschiedliche Handlungsabsichten von Personen gibt, derer Verwirklichung bei mindestens einer Person zu erlebter Begrenzung der eigenen Handlungsabsicht führt), folgende Handlungsweisen (oder aber Unterlassungen):

  1. Das Verschweigen des Konflikts, d.h. „unter den Teppich kehren“ - was häufig der Priorisierung von Harmonie in/und der erhofften Beziehungsschonung folgt,
  2. eigenständige Verhandlungen der Beteiligten, derer Gelingen den Konflikt beidseitig zufriedenstellend lösen lässt; ihr Misslingen hingegen entweder weitere Eskalation (wie Koalitionsbildung und Imageverlust) oder aber die 
  3. Beanspruchung von professioneller Unterstützung bewirkt, zu welchen u.a. Mediation, Konfliktcoaching oder aber Teamentwicklung gehören und nachhaltige Lösungen generieren lassen. Es sei denn, auch diese Wege misslingen und die am Konflikt beteiligten Personen die letzte Hoffnung darin sehen, durch 
  4. Heranziehen eines anwaltlichen Beraters, einem Vergleich, einer Schlichtung oder aber in einer weiteren Entscheidungsmacht zu erreichen (nationales, internationales Gerichtsverfahren oder solche Organisationen, die im weiteren Eskalationsstadium einer friedlichen Konfliktlösung dienen sollen).

Auf welche dieser Wege Unternehmen, Organisationen und Führungskräfte eintreten, gibt es wenig Statistiken, dafür Konfliktkostenstudien und Zahlen der Gerichtsverfahren und abgebrochenen Kooperationen, die zumeist den ungelösten Engpässen und Konflikten entkommen. Gleichzeitig lässt sich eine steigende Tendenz beobachten, das in der Kommunikation und in den Konflikten steckende Entwicklungspotenzial systematisch aufzugreifen und der Aussage „People come for the company and leave for the boss“ eine Umkehrung i.S. von „People come for the company and stay for the boss (and the company)“ zu ermöglichen. Dafür wird u.a. die Erweiterung des Repertoires bezüglich eines konstruktiven Vorgehens im Konfliktfall sowie die Entwicklung einer konstruktiven und werteorientierten Unternehmens-kultur, die durch die Offenheit und das institutionelle Interesse für diverse Konfliktlöseverfahren, insbesondere durch die folgenden Maßnahmen untermauert wird:

  1. Edukation von alternativen Streitbeilegungsverfahren und Auswirkungen der Konflikte auf das Unternehmen sowohl finanzieller Art (siehe Konfliktkostenstudien der KMPG, 2012) oder auf der gesundheitlichen Ebene (siehe konfliktbedingte Ausfälle, Krankheiten und Demotivation der MitarbeiterInnen, hin bis zu derer inneren oder realen Kündigung).
  2. Etablierung von Konfliktmanagementsystemen, wie bei Siemens, Fraunhofer oder SAP, die alle auch zum "Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ gehören.
  3. Verknüpfung von Change Management und mediativen Begleitung bei Veränderungsprozessen im Unternehmen.
  4. Training der mediativen Kompetenzen in der Führungsetage.
  5. Begleitung der Führungsetage durch interne oder externe Mentoren und Sparringpartner (Trainer, Coaches, Mediatoren).

Wenn über mediative Kompetenzen die Rede ist, muss auch auf deren Quelle zurückgegriffen werden: die Mediation. Das Mediationsverfahren ist, trotz etlicher Hinweise auf dessen historische Verankerung, ein relativ neues Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Anders als in dem traditionellen Gerichtsverfahren, welches auf die Schuldzuweisung, den retrospektiven Blick auf die Sachbestände und die Externalisierung der Entscheidungsverantwortung auf den Staat (hier in persona des Richters vertreten) basiert, wird sich in der Mediation sowohl auf die Eigenverantwortlichkeit der beteiligten Parteien (sog. Medianten), die Vertraulichkeit des Verfahrens als auch auf die Zukunftsorientierung der Lösung fokussiert. In der westlichen Welt wird das Verfahren zumeist strukturiert und durch professionelle Dritte durchgeführt und während dieses Verfahrens erreichte Mediationsvereinbarung beim Interesse der Medianten für vollstreckbar erklärt. MediatorInnen, die den Prozess begleiten, verfügen über eine Palette von methodischen, fachlichen und sozialen Kompetenzen. Es sind die Fähigkeiten zum selbstorganisiertem, kreativen Handeln in neuartigen Situationen (Erpenbeck 2010)  die darauf abgestimmt sind, es einem fremden konfliktären System zu ermöglichen, seinen Konflikt selbstorganisiert in Konsens zu transformieren (Kraus 2014). Führungskräfte, die mediative Kompetenzen entwickeln wollen, lernen - an das Mediationsverfahren angelehnt - methodisch und strukturiert vorzugehen, die Psychologie der Konfliktentstehung und -lösung zu verstehen und deeskalierend im eigenen Umfeld zu wirken. Ihr Nutzen ist es weiterhin, der am Anfang genannten integralen Führung deutlich näher zu kommen, die innere Haltung zu entwickeln, die eigenen Werten und den Werten der MitarbeiterInnen Raum und Gehör schenken lässt, ohne diese gegenseitig auszuschließen. Versiert und integer können sie dann den erwähnten Herausforderungen geduldig begegnen und fokussiert kooperative win-win Lösungen unterstützen, dabei die eigene Energie und die der MitarbeiterInnen oder GeschäftspartnerInnen zu sparen und in eskalierten Konflikten dem Gerichtsweg entgehen. „Mediare“ heißt vermitteln, aber auch die eigene Mitte finden. Der Führungskraft, wie auch allen anderen Menschen, steht es offen, aus dieser Mitte heraus, andere Menschen hin zur Mitte zu begleiten, ob es die Konflikte oder andere Herausforderungen im Alltag abverlangen.

Die Autorin ist Juristin, Wirtschaftsmediatorin, Business Coach und Trainerin. Sie begleitet Menschen und Organisationen auf dem Weg der Konfliktlösung (Mediation in Organisationen, B2B und internationale Mediation) und Kompetenzentwicklung, leitet die Forschungsgruppe Mediation, ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mediation in Karlsruhe e.V. und Sprecherin  der Fachgruppe Polen der Fördergemeinschaft Mediation DACH. 

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