Führungskompetenz trotz komplexer Anforderungen
Zwanzig Prozent der Zeit führen, Präsenzkultur abbauen, Methoden gegen die Aufgabendichte und hohe Entscheidungsgeschwindigkeit setzen: Die Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability Jutta Rump der Hochschule Ludwigshafen über die Anforderungen an Chefs.
Chefs haben es nicht immer einfach: Sie müssen Entscheidungen so schnell treffen, dass sie auch immer ein erheblicher Anteil Ungewissheit ertragen müssen. Zudem strömen neue geschäftsrelevante Informationen in immer höherem Takt auf sie ein – trotzdem müssen sie die richtigen Schlüsse daraus ziehen und entschlossen vertreten. „Diese Mechanismen lassen sich lernen“, meint Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability der Hochschule Ludwigshafen.
Komplexität fordert die Chefs besonders
Die Komplexität der täglichen Entscheidungen und das Managen von Veränderungen sind nach Ergebnissen des HR-Reports 2014/2015 die wichtigsten Herausforderungen, vor denen Führungskräfte stehen. Allerdings geben sie selbst zu, dass es hier mit der Umsetzung gewaltig hapert. So geben mehr als 50 Prozent der Befragten an, dass Komplexität eine Herausforderung darstellt, doch nicht mal jeder zweite (24 Prozent) fühlt sich dafür gerüstet. „Methodenkompetenz“ nennt Rump, Mitherausgeberin der Studie, die Präventionsmaßnahme, die Chefs nicht in den Wahnsinn treibt, sondern in die Gelassenheit bringt. „Wer nicht gelassen bleibt, verliert an Ansehen und letztlich auch an Selbstbewusstsein“, ist Rump überzeugt. Wichtig sei daher, zum einen sein Erfahrungswissen einzubringen, aber auch sein Verhalten immer wieder zu reflektieren.
Fachliche Kompetenz in Deutschland besonders wichtig
Entsprechend ist in deutschen Unternehmen das Thema „Führung in den Unternehmen ausbauen“ das wichtigste HR-Thema überhaupt. Für Arbeitsforscherin Rump liegt die Erklärung dafür auf der Hand: „In Deutschland ist es in der Regel so, dass fachlich kompetente Mitarbeiter nach und nach in der hierarchischen Leiter nach oben klettern. Sind sie zwar fachlich gut, bringen aber zu wenig Methoden- oder Sozialkompetenz mit.“ In der Triangel der Führungskompetenzen aus Methoden-, Sozial- und Fachkompetenz werden zwei schlicht stiefmütterlich behandelt.
In der Schweiz wie auch in Österreich herrscht eher der angelsächsische Führungsstil vor: Hier ist eine Karriere auch ohne tiefe fachliche Expertise möglich. „Menschen aus fachfremden Disziplinen können selbstverständlich auch Führungskraft werden“, so Rump, ein Szenario, das in Deutschland deutlich seltener anzutreffen ist. In Deutschland herrscht hier also dringender Bedarf, etwas zu verändern, während das Thema in Österreich und der Schweiz gerade noch unter den Top 5 zu finden ist.
HR-Unkultur: Keine Zeit für wertschätzendes Verhalten
Gerade ein wertschätzender Führungsstil zeichnet einen guten Chef aus. Doch hier hapert es besonders in den Unternehmen, so Ergebnisse des HR-Reports. Zwar hält fast jeder Befragte (95 Prozent) eine wertschätzende Unternehmenskultur und ein gutes Betriebsklima für wichtig, um die Mitarbeiter nicht nur bei der Stange zu halten, sondern zu motivieren und zu herausragenden Leistungen anzustacheln.Allerdings sind nur 53 Prozent der Führungskräfte davon überzeugt, dass das auch gelungen ist. Zudem ist die Unternehmenskultur in der Gunst der Befragten enorm gesunken. Nur 37 Prozent der Befragten hielten es für ein wichtiges Handlungsfeld, die Unternehmenkultur weiterzuentwickeln, zehn Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Das kann zwei Gründe haben: Einerseits verspricht die Investition in die Unternehmenskultur keinen Quick-Win, bevördert also keine kurzfristigen Erfolge zu Tage. Andererseits könnten einfach andere Themen wichtiger geworden sein, die das Thema überlagert haben – wie etwa das Talentmanagement oder die hohe Priorisierung des Themas Führung.
Für Jutta Rump ist es jedoch auch der Zeitmangel, der dazu führen kann, dass Mitarbeiter „spröder miteinander umgehen“ und weniger wertschätzendes Verhalten an den Tag legen. „Immer, wenn ich den Chefs rate, sie sollten mindestens 20 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Führungsaufgaben verbringen, ernte ich nur ein müdes Lachen“, bemerkt Rump. Andersherum betrachtet könnte es aber auch heißen, dass sich die Unternehmenskultur bereits verbessert hat und deswegen der Wert geringer ausfällt als im Vorjahr.
Mythos Generation Y: Suche nach der Startup-Kultur im sicheren Umfeld
Letzteres dürfte bei der Rekrutierung des Nachwuchses durchaus hilfreich sein. Denn die Generation Y fordert flexibles Arbeiten, ein inspirierendes Umfeld und angenehme Kollegen ein quasi als Startvoraussetzung gleich ein. Allerdings ist es auch nicht so, dass jeder, der der Generation Y angehört, sich in Nullkommanichts entscheidet, lieber was Eigenes zu machen, wenn die Unternehmenskultur vielleicht nicht ganz so stimmt. Offenbar kann gar keine Rede davon sein, dass sich Absolventen lieber in die Selbständigkeit begeben, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen, nur um sich nicht in einem Unternehmen zu „versklaven“. „Der Wunsch der Generation Y, Unternehmer zu werden ist nicht steigend, sondern sogar rückläufig“, konstatiert Rump, „mit den damit verbundenen Risiken wollen sie nichts zu tun haben.“ Dagegen seien Arbeitgeber, die ihren Vorstellungen von zeitgemäßem Arbeiten offenbar schon entsprechen, die Option der Stunde. Nicht das eigene Startup sei anvisiert vom Nachwuchs, sondern allenfalls eine Startup-Kultur in sicherem Umfeld.