Flexibler produzieren: Workforce Management macht Arbeitswelten zukunftsfähig

Im Gespräch mit Andreas Obereder, Vorstandsvorsitzender und Firmengründer der ATOSS Software AG

Herr Obereder, das Thema Workforce Management ist in den Chefetagen angekommen. Warum gerade jetzt?

Andreas Obereder: Die zunehmende Volatilität der Märkte mit den dramatischen Schwankungen, wie wir sie in den letzten Jahren immer häufiger erleben, zwingt Unternehmen dazu, ihre Prozesse ständig zu optimieren und kurzfristig an neue Situationen und Geschäftsmodelle anzupassen. Prozesse müssen heute, bildlich gesprochen, elastisch sein. Nur so können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Von entscheidender Bedeutung dabei ist, dass Personalprozesse nicht als Bremse wirken, sondern kurzfristig die Umsetzung nötiger Veränderungen ermöglichen. Die Optimierung und Flexibilisierung von Arbeits- und Prozesswelten bekommt einen ganz neuen Stellenwert. Hier steckt ein enormes Wertschöpfungspotential. Workforce Management leistet einen entscheidenden Beitrag dazu, dieses Potential auszuschöpfen.

Wie sieht das in der industriellen Praxis aus?

Andreas Obereder: Bei schwankender Auftragslage klaffen aktueller Personalbedarf und tatsächlicher Personaleinsatz oft weit auseinander. Die Folgen sind Überstunden und Leerlaufzeiten, nicht ausgelastete Maschinen, geringe Produktivität, Umsatzverluste und häufig auch unzufriedene Mitarbeiter. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen können kurzfristig schwankende Auslastungen und auch Phasen der Kurzarbeit aufgefangen werden. Arbeitszeitkonten dienen dabei als Regulativ und verleihen den notwendigen Spielraum. Workforce Management ist letztlich die Synchronisation von Personalverfügbarkeit und unternehmensspezifischen Bedarfstreibern wie beispielsweise Auftragsvolumen, Service Level, Gesetze oder Betriebsvereinbarungen. Die Effekte können sich sehen lassen: 75 Prozent weniger Planungsaufwand oder um 50 Prozent schnellere Auslieferungszeiten - das sind Zahlen aus aktuellen Fertigungsprojekten.

Setzen Sie Schwerpunkte in bestimmten Branchen?

Andreas Obereder: Nein, grundsätzlich können Unternehmen jeder Größe und Branche von Workforce Management profitieren. Vor allem aber dort, wo extreme Auslastungsschwankungen zum Daily Business gehören und viele Mitarbeiter involviert sind, ist der bedarfsoptimierte Personaleinsatz erfolgskritisch. Nehmen wir die Automobilindustrie. Die Branche hat aus der Krise 2009 viel gelernt. Flexibilität auf Basis gut gefüllter Arbeitszeitkonten ist dort inzwischen gelebter Standard. Und die notwendigen betrieblichen, tariflichen und technischen Rahmenbedingungen werden kontinuierlich optimiert.

Viele Automobilproduzenten und Zulieferer nutzen bereits moderne Workforce Management Software, um auf Konjunktur- und Auftragsschwankungen kurzfristig und wirtschaftlich reagieren zu können.

Können Sie Beispiele nennen?

Andreas Obereder: Zu unseren Kunden gehören Unternehmen wie Allgaier, Dyneon, Schmitz Cargobull, Magna Steyr, TI Automotive, Bridgestone, Key Safety Systems und MAN Nutzfahrzeuge. Sie verschaffen sich mit unseren Lösungen mehr Flexibilität und Transparenz rund ums Personal. Unser Kunde Allgaier beispielsweise setzt konsequent auf eine bedarfsoptimierte Einsatzplanung. Über unsere Lösung stehen dem Systemlieferanten für die internationale Automobilindustrie planungsrelevante Informationen auf Knopfdruck zur Verfügung. Auch Prognosen in die Zukunft sind beliebig möglich, Planungsszenarien lassen sich durchspielen. So schafft Allgaier Transparenz und die notwendige Reaktionsgeschwindigkeit, um dem internationalen Wettbewerb erfolgreich zu begegnen.

Und wie verhält es sich in Krisenzeiten?

Andreas Obereder: Auch dazu ein Beispiel aus der Praxis: Das 3M-Tochterunternehmen Dyneon ging ursprünglich mit zwei Zielen in unser gemeinsames Projekt: eine bedarfsorientierte Schichtplanung und eine gerechte Arbeitszeitverteilung. Mittlerweile ist unsere Lösung zum System des Vertrauens geworden. In der letzten Krise unterstützte sie Dyneon als zuverlässige Datenquelle bei der Umsetzung der erforderlichen Kurzarbeit. Aber nicht nur das: Die Mitarbeiter fühlen sich informiert und involviert - das schafft ein gesundes Betriebsklima und sorgt fürengagierte Leistungen - in guten wie in schlechten Zeiten.

Wie geht man an das Thema Workforce Management heran?

Andreas Obereder: Grundsätzlich müssen drei Dimensionen in Einklang gebracht werden: Zum einen die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens, beispielsweise die aktuelle Auftragslage in der Produktion. Der zweite Bereich sind die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Faktor, der stark zu Motivation und Mitarbeiterbindung beiträgt. Und drittens müssen Rahmenbedingungen wie Gesetze, Tarife, Betriebsvereinbarungen, Qualifikationen und Arbeitszeitmodelle in die Planung einfließen. Alle diese Faktoren im Sinne der Unternehmensstrategie optimal in Einklang zu bringen, ist eine unserer Kernkompetenzen.

Das klingt ziemlich komplex ...

Andreas Obereder: Stimmt! Eine bedarfs- und kostenoptimierte Planung mit ihren vielfältigen Einflussfaktoren ist heute ohne eine leistungsfähige IT-Unterstützung gar nicht mehr möglich. Traditionelle Methoden wie Tabellenkalkulationen sind schlicht überfordert. Die Software muss alle planungsrelevanten Informationen zusammenführen und eine exakte Planung ermöglichen. Auch komplexeste Einsatzszenarien lassen sich realisieren. In der Fertigung kommen zum Beispiel Daten aus dem PPS-System, aus der Zeitwirtschaft sowie Lohn und Gehalt dazu. Wir verfolgen deshalb eine Strategie, die unseren Lösungen die reibungslose Interaktion mit vor- und nachgelagerten Systemen wie z.B. SAP® HCM Software ermöglicht.

Wohin geht die Reise beim Workforce Management?

Andreas Obereder: Nun, die Zukunft ist auch beim Workforce Management mobil. Neue Geräte und Nutzungsszenarien revolutionieren traditionelle Arbeitsweisen. Je enger die internationale Zusammenarbeit, je mobiler die Mitarbeiter und je flexibler die Arbeitszeiten, desto wichtiger sind auch orts- und zeitunabhängige Personalprozesse. Strategisch gesehen geht es künftig verstärkt darum, die Personaleinsatzplanung in den Gesamtkontext der mittel- und langfristigen Personal- und Unternehmensplanung einzuordnen. Welche Mitarbeiter- und Qualifikationsstruktur ist erforderlich, damit ein optimaler Personaleinsatz möglich ist? Welche Auswirkungen haben Veränderungen beim Personal auf Qualität und Kosten? Simulationen und Szenarien dieser Art gewinnen zunehmend an Bedeutung. In Zeiten von demografischen Veränderungen und Fachkräftemangel wird professionelles und ganzheitliches Workforce Management zur Kernfunktion im Unternehmen.