Professionalisierung der Personalarbeit

Prozess der allgemeinen Qualitäts- und Leistungsverbesserung der Personalarbeit (-> Personalmanagement) im Zusammenhang mit der Entwicklung einer entsprechenden mentalen Konstruktion dessen, was als "professionelle Personalarbeit" gelten soll.

Professionalität bedeutet umgangssprachlich, dass Personen einen Beruf (ihre Profession) besonders gut ausüben, also letztlich gelernt haben, welches Wissen für ein erfolgreiches Bewältigen der berufsspezifischen Herausforderungen nötig ist, und dieses auch einsetzen können. Eine berufliche Tätigkeit soll damit nicht amateurhaft, sondern eben auf "Profi Niveau" ausgeführt werden. Diese Begriffseingrenzung ist jedoch noch recht grob. Konkreter werden Autoren wie beispielsweise Tietgens (1988) oder Mieg und Pfadenhauer (2003), die Professionalisierung in verschiedenen Berufsfeldern eingrenzen. Bei ihnen kommen Aspekte wie

  • das Wissen, in welchem Gebiet genau man professionell sein möchte oder muss und Verantwortung übernehmen wird,
  • das hohe Kompetenzniveau in dem Sinne, das berufsbezogene Spezialwissen, das auch in anderen Kontexten oder gänzlich abstrakt erworben worden sein kann, fachlich einwandfrei anwenden zu können, sowie
  • die Verantwortlichkeit im Sinne eines Mit- und Vorwärtsdenkens aus der Perspektive des Auftraggebers, also des Unternehmens, um dessen Zukunftsfähigkeit zu sichern,

zum Tragen. Diese Aspekte führen tendenziell zu einer Unentbehrlichkeit der Träger des Spezialwissens, aber auch zu potenziellen Spannungen zwischen professionellen Mitarbeitern samt ihrer sachbezogenen Autorität (-> Macht) und dem daraus entstehenden Handlungsdrang auf der einen Seite mit den Mitarbeitern im Unternehmen, die aufgrund ihrer formalen Autorität viel stärker auf die Beachtung organisatorischer Regeln beharren, auf der anderen Seite (Schimank 2004). Hilfreich zur Entfaltung professioneller Arbeit ist daher ein flexibler Umgang mit den formalen Strukturen im Unternehmen.

Die Voraussetzung der Professionalisierung eines Berufsfeldes ist die grundsätzliche Möglichkeit, diesen Beruf professionell ausüben zu können. Im Fall der Personalarbeit befasst man sich seit den 1960er Jahren in der betriebswirtschaftlichen Forschung systematisch mit dem Personalwesen, das sich zu einem eigenständigen Hochschul-Fachgebiet entwickelt hat. Die einzelnen Tätigkeiten der Personalarbeit sind hinreichend definiert und mit Erklärungsmodellen unterlegt, und unzählige Personal-Fachbücher geben ihren Lesern darüber hinaus konkrete Hinweise für die Anwendung des Wissens. Die Professionalisierungspotenziale der Personalarbeit wachsen dauerhaft an, so lange man ernsthaft an ihr forscht. Dies allein stellt jedoch noch nicht sicher, dass einzelne in der Personalarbeit Tätige auch als Individuen "professionell" handeln.

Die Gründe für eine unprofessionelle Personalarbeit sind vielfältig und liegen entweder in der Organisation begründet, die professionelles Handeln gar nicht erst zulässt oder verhindert, oder aber im Individuum begründet, das zu professionellem Handeln nicht in der Lage ist.

Im Verantwortungsbereich des Unternehmens wird zunächst gerade das Berufsfeld der Personalarbeit häufig von Personen gestaltet, die die Systemzusammenhänge des Personalmanagements aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht wirklich gelernt haben. Obwohl auch Psychologen, Soziologen und Quereinsteiger aus noch entfernteren Berufen gute Personaler werden können, ist die Personalarbeit dennoch als betriebliche Funktion zunehmend in die betriebswirtschaftlichen Unternehmensstrategie-, Rechnungslegungs-, Finanzierungs- und Controllingzusammenhänge eingebettet, die verstanden werden müssen und in deren Umfeld man sich behaupten muss. Dies gelingt vor allem mit betriebswirtschaftlichen Argumenten, beispielsweise mit den gemeinsamen Währungen "Geld", "Kosten" oder "Wertschöpfung". Letztlich ist also die betriebswirtschaftliche Einbettung der Personalarbeit ein "Muss".

Hinzu kommt die Ausweitung der betrieblichen Partizipation: In projektorientierten Arbeitsstrukturen, die zur Mode geworden sind, darf zunehmend "jeder" mitmachen. Dies hat einerseits den Vorteil, dass man näher an unterschiedlichen Problemen des Unternehmens mitarbeitet. Es kommt aber gleichzeitig zu einem wachsenden Einfluss von Personalarbeits-Laien in personalwirtschaftlichen Entscheidungsprozessen, wodurch die professionalisierte Personalarbeit zurückgedrängt wird.

Eine weitere Deprofessionalisierung resultiert aus der Bedrohung der Personalarbeit durch die Informationstechnologie. Wenn Computer die Personalarbeit übernehmen, dann ist auch viel Beurteilungskompetenz gerade komplizierter personalwirtschaftlicher Zusammenhänge verloren. Auch eine hochqualitativ personalwirtschaftliche Unternehmenssoftware versucht, die Personalarbeit zu standardisieren und zu normieren. In einem solchen Fall ist die logische Konsequenz, dass personalwirtschaftliche Besonderheiten eines Unternehmens, die vielleicht über Jahre hinweg gewachsen sind und die einen wesentlichen Teil der Arbeitgebermarke ausmachen, plötzlich der Informatisierung der Personalarbeit geopfert werden. Entsprechende Bestrebungen seitens IT-Anbieter, die Personalarbeit in eine "HR-Fabrik" umzuwandeln, also in eine IT-gestützte, automatisierte Massenabfertigung der Humanressourcen eines Unternehmens, gefährden die Professionalität der Personalarbeit.

Problematisch im Hinblick auf die Professionalisierung kann die Entscheidung von Unternehmen werden, große Teile der Personalarbeit von dezentralen Bereichen in zentrale, unternehmensinterne "Shared Service Center" zu verlagern oder an externe Dienstleister zu vergeben. Dies ist bei eher harmlosen Aufgaben wie der operativen Personalverwaltung oder Gehaltsabrechnung zwar durchaus möglich, nicht zuletzt aufgrund gut definierter Service Level Agreements. Doch je mehr strategierelevante Personalarbeitsbereiche ausgelagert werden, desto bedrohter ist die Professionalität der Personalarbeit (Scholz 2003): Wie soll denn ein Unternehmen im War for Talents bessere Mitarbeiter bekommen als sein Konkurrent, wenn beide Unternehmen bei demselben Personalbeschaffungsdienstleister ihre Personalrekrutierung bestellen? Wo bleibt die Möglichkeit, sich als Unternehmen individuell mit einer "Unique Selling Proposition" also einer unverwechselbaren Markenbotschaft, auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren? Dies trifft auch für die ähnlich strategierelevante Personalentwicklung zu, da nicht zuletzt über sie die Bindung von Mitarbeitern zentral beeinflusst wird. Somit ist gerade eine Auslagerung der Personalarbeit ein indirektes Eingeständnis, dass die eigene Personalarbeit nicht dazu fähig ist, aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen strategische Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Man verzichtet auf die Möglichkeit, bessere Personalarbeit zu machen als die Konkurrenz, und gibt damit die Chance auf, die Mitarbeiter, das wichtigste Kapital des Unternehmens, auch als solches zu behandeln.

Im Individuum begründet liegt die Auffassung der Personalaufgabe an sich. So kann man Personalarbeit sowohl in konjunkturell guten als auch in konjunkturell schlechten Zeiten entweder gut oder schlecht machen. Eine schlechte Personalarbeit zieht sich darauf zurück, die bürokratischen Aufgaben zu bewältigen, sich aber aus weit reichenden Entscheidungen herauszuhalten (Scholz 2000): Man ist eher Personalfunktionär oder taucht ab wie ein "Unterseeboot" spielt den Sozialapostel oder Weihnachtsmann, wenn es Geld zu verteilen gibt, oder hilft gar, als "Totengräber" großzahlige Mitarbeiterfreisetzungen auszuführen. Auf die gegenteilige Personalarbeit, die weit professioneller wäre, wird damit verzichtet - nämlich Ideengeber zu sein, mit Visionen und passenden Realisierungsvorschlägen zur Entwicklung des gesamten Unternehmens beizutragen, sich mit Managementfunktionen wie etwa dem Controlling auf Augenhöhe auseinanderzusetzen und im Übrigen als Ansprechpartner beratende Funktionen wahrzunehmen, die durchaus auch mit "harter" Betriebswirtschaft in der vermeintlich "weichen" Personalfunktion zu tun haben.

Mit einer solchen Positionierung (-> Profilierungsfunktion) hängt auch zusammen, dass Personalentwicklung zwar für die Mitarbeiter des Unternehmens, nicht aber für die Mitarbeiter der Personalfunktion selbst vorgesehen wird. Eine Weiterbildung in eigener Sache wäre jedoch für eine Reihe von Personalmitarbeitern dringend angeraten, weil sie sich durch Ignoranz der Lernnotwendigkeit oder durch Lernverweigerung bereits von vielen Entwicklungen der zeitgemäßen Personalarbeit abgekoppelt haben.

Um den Professionalisierungsanspruch für das Personalmanagement zu entwickeln und einzulösen, lassen sich die folgenden sechs Postulate als Orientierungsrahmen heranziehen:

  • Unternehmen müssen bewusst auf die Ausdifferenzierung, Spezialisierung und Weiterentwicklung ihrer Personalfunktion setzen - anstatt lediglich darauf zu hoffen, die anstehenden Probleme lösten sich von selbst! Der Dreiklang "Differenzierung - Professionalisierung - Kontinuität" wird erfolgsentscheidend: Die Kenntnis über die tatsächlichen, differenzierten Bedürfnisse der Kunden der Personalarbeit, die nur über das tatsächliche Befragen gegenwärtiger und potenzieller Mitarbeiter zu erwerben ist, muss in der personalwirtschaftlichen Arbeit professionell gespiegelt und glaubwürdig eingelöst werden - und dies nicht nur in einmaligen Aktionen, sondern kontinuierlich und damit sowohl für vorhandene Mitarbeiter als auch für gesuchte Bewerber nachvollziehbar und verlässlich.
  • Unternehmen müssen ihre Personalarbeit zu einer zentralen Kernkompetenz des Unternehmens machen, die sie stringent als solche kommunizieren, umsetzen und kontrollieren! Dazu ist das strategische Bekenntnis des Unternehmens unverzichtbar, die Suche und das Binden ihrer Leistungsträger explizit zu einer der Kernprioritäten der Unternehmensentwicklung zu machen. Ohne ein solches Commitment, das sich durch die verschiedenen hierarchischen Ebenen des Unternehmens ziehen muss, entfalten etwaige Anstrengungen keine Nachhaltigkeit.
  • Unternehmen müssen ihre Personalleitung durch professionelle Personalmanager besetzen - also Personen, die fundiert personalwirtschaftlich ausgebildet sind! Unternehmen benötigen für ihre Personalarbeit damit "echte Fachleute" die nicht im erstbesten Gespräch mit Unternehmensberatern mangels Argumenten einknicken, sondern ernstzunehmende Partner auf der Suche nach guten Problemlösungen sind.
  • Unternehmen müssen ihre Personalfunktion als lernende Funktion ausgestalten, die sich auch selbst weiterentwickelt und die mit der Entwicklung des gesamten Unternehmens eng verzahnt ist! Hierzu gehören nicht nur die Personalentwicklung der Personalabteilungsmitarbeiter, sondern auch deren Vernetzung mit Experten anderer Unternehmensbereiche, anderer Unternehmen und auch die Vernetzung mit der wissenschaftlichen Forschung.
  • Unternehmen müssen dafür sorgen, dass professionelles Personalmanagement auf dem Radar der Unternehmensleitung und gerade auch der Aufsichtsgremien wie Aufsichtsrat oder Gesellschafterversammlung ist - zum Einfordern und zum ständigen Erinnern! Je präsenter die Personalaufgaben Dritten sind, desto höher wird die Chance, dass es auch zur "Ablieferung" der professionellen Personalarbeit kommen wird. Damit werden in der Zukunft nicht nur Banken gemäß den Basel II-Richtlinien die Qualität von Management- und Personalführungsarbeit als Kriterien für die Kreditvergabe abfragen, sondern auch im Unternehmen selbst interessieren sich unterschiedliche Stellen für die Frage, wie wertschöpfend und erfolgsbeitragend die Personalarbeit ist.
  • Unternehmen müssen nicht nur zulassen, sondern aktiv fördern, dass ihr Personalmanagement im Unternehmen als originäre Funktion gleichberechtigten Einfluss auf strategische Entscheidungen hat und nicht von anderen Funktionen wie der Kostenrechnung oder der Finanzfunktion dominiert wird! Die übrigen Funktionen im Unternehmen sollten ebenso bereit sein, den Beitrag der Personalfunktion anzuerkennen, wie die Personalfunktion deren Beiträge zum Gesamterfolg würdigt. Die Arroganz, mit der einige Finanzmanager und Controller (-> Controlling) auf die aus ihrer Sicht inferiore Personalabteilung und deren Arbeit herabblicken, ist gänzlich unangebracht und zeugt nur von strategischer Inkompetenz.

Aufbauend auf solcherart definierten Kompetenzen lassen sich die Aufgaben eines zeitgemäßen Personalmanagements - also unter anderem Identifikation, Aufbau, Weiterentwicklung und Schutz von hochleistungsorientierten Kernkompetenzen des Unternehmens - über die zentralen Aktivitäten Personalmarketing, Personalbeschaffung, Personalentlohnung, Personalentwicklung, Personalbindung und Personalführung (-> Mitarbeiterführung) differenziert angehen (von der Oelsnitz, Stein und Hahmann 2007).

Die Konsequenzen einer Professionalisierung des Personalmanagements auf die in diesem Berufsfeld Tätigen ergeben sich zweifach:

Zum einen werden diejenigen, die sich nicht professionalisieren (dies also nicht wollen oder nicht können), zunehmend schneller als "unprofessionell" auffallen. "Stillstand ist Rückschritt" - nach diesem Motto bleiben die "Personaler der alten Schule" hinter Kollegen mit mehr Kompetenz oder mehr proaktiver Verantwortungsübernahme zurück. Dies führt so weit, dass selbst über Jahrzehnte hinweg "verdiente" Personalmanager in Unternehmen kurzfristig ihren Platz räumen müssen, wenn sie die von ihnen erwartete Leistung nicht erbringen. Dabei sind zwei Dinge für sie neu: Erstens fragt überhaupt jemand nach der Leistung der Personalarbeit und der sie verantwortenden Abteilung. Zweitens sollen die Ergebnisse der Personalarbeit plötzlich bewertbar sein, möglichst in Euro. Damit ist die Personalarbeit an sich nicht mehr länger ein kontrollfreies Rückzugsgebiet für Ruhesuchende, sondern unterliegt - wie alle anderen betrieblichen Funktionen auch - dem allgemeinen Ökonomisierungsdruck. In einer solchen Arbeitswelt werden somit als erstes diejenigen, die sich weder Kompetenzen aufgebaut haben noch ihrer Verantwortlichkeit für die Überlebensfähigkeit ihres Unternehmens gerecht werden, vermeintliche "Opfer" der allgemeinen Professionalisierungsbewegung.

Zum anderen profitieren diejenigen, die sich regelmäßig den "schwachen Signalen" der Umwelt nicht verschließen, sondern sich mit ihnen konfrontieren und fragen, was diese schwachen Signale für ihre zukunftsorientierte Personalarbeit bedeuten werden. Die ständige Offenheit gegenüber einem vorausschauenden Denken und Handeln ist jedoch weder Selbstzweck noch rein altruistisch für das Unternehmen gedacht: Sie hilft den Personen auch, eine innerbetriebliche Vormachtstellung im persönlichen Kampf um arbeitsbezogene Vorteile zu erringen. So geht es um die relative Sicherheit des Arbeitsplatzes, um Fortbildungsmöglichkeiten, um Karriere- und Gehaltsentwicklungen, mit denen erfolgreiche Personaler eher belohnt werden als erfolglose. Darüber hinaus geht mit einer Professionalisierung und dem damit verbundenen Qualitätsaspekt der Arbeit und ihrer Ergebnisse häufig die Steigerung des berufsbezogenen Sozialprestiges ihrer Träger einher. Auch entstehen zunehmend berufsorientierte "Communities", also etwa Vereine, Verbände oder Netzwerke mit dem Fokus auf Personalarbeit. Sie beginnen mit der Zeit, eine eigene Berufsethik des "Professionellen Personalmanagers" zu definieren.