Lehr- und Lernsysteme

Informationssysteme, die dazu dienen sollen, die Effektivität und Effizienz von Lernprozessen zu fördern.

Ein Lernprozess ist ein spezieller Prozess, dessen Zielsetzung im Aufbau von Kompetenzen besteht. Der Kompetenzaufbau erfolgt subjektiv (individuelles Lernen) und kann intersubjektiv abgestimmt werden (kollektives Lernen). Ein Beitrag zur Effektivität von Lernprozessen ist gegeben, wenn eine Steigerung des Zielerreichungsgrads des Prozesses erreicht wird. Dieses kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein theoretisch vermitteltes Konzept in einem Berechnungsexperiment praktisch angewendet werden kann, so dass der Wissenstransfer in die Praxis besser gelingt. Ein Beitrag zur Effizienz wird geleistet, wenn ein spezifisches Lernziel mit geringerem Aufwand erreicht werden kann. Ein Beispiel für diese Wirkung ist die Schaffung zeitlich asynchroner und ortsungebundener Lernmöglichkeiten (Seufert, Back und Häusler 2001).

Das Spektrum an Lehr- und Lernsystemen kann anhand des in Abbildung 1 dargestellten Ordnungsrahmens veranschaulicht werden.

Funktionsspektrum von Lehr- und Lernsystemen

Vor dem Hintergrund systemtechnischer Grundlagen werden in dem Ordnungsrahmen drei Systemtypen differenziert:

  • Learning-Content-Systeme (LCS): Diese Systeme zielen unmittelbar auf die Unterstützung des Kompetenzaufbaus beim Lernenden. Prozessobjekt dieser Systeme ist der Lerninhalt, der aufzubereiten, zu speichern und zu vermitteln ist. Zu den Systemen zählen Autorentools und Onlinearchive, aber auch Trainingsprogramme, wie sie unter der Bezeichnung des Computer Based Trainings (CBT) bekannt sind.
  • Learning-Administrations-Systeme (LAS): Zur Abwicklung des Kompetenzaufbaus sind administrative Prozesse relevant. Sie werden von Learning-Administrations-Systeme (LAS) unterstützt. Zu den Funktionalitäten zählen die Verwaltung von Veranstaltungen, Klausuren, Studenten und Dozenten.
  • Learning-Management-Systeme (LMS): Um Lehr- und Lernprozesse wirtschaftlich zu gestalten, werden Learning-Management-Systeme benötigt, die relevante Prozesse der Willensbildung und -durchsetzung unterstützen. Zu unterscheiden sind Systemdienste zur Planung von Lehr- und Lernzielen, zur Organisation der Lehr- und Lerninfrastruktur sowie des Controllings zur Rationalitätssicherung der zu treffenden Entscheidungen.

Da es sich bei der Unterscheidung um Systemtypen handelt, ist in einer betrieblichen Anwendung nicht zwingend ein System je Typ auszuwählen. Denkbar sind sowohl Gesamtsysteme, die mehrere Typen realisieren als auch ein Systemmix, in dem je Typ mehrere Teilsysteme eingesetzt werden. Bei der Zusammenstellung der Systeme sind die Anforderungen der spezifischen Lernsituation zu berücksichtigen. Das in Abbildung 2 dargestellte Modell zeigt relevante Gestaltungsfelder und deren Beziehungen zueinander.

Gestaltungsfelder von Lehr- und Lernsystemen

Der Ordnungsrahmen zeigt, dass bei der Gestaltung von Lehr- und Lernsystemen technologische, methodische, inhaltliche und organisatorische Gestaltungsfelder relevant sind, die gegenüber den Umfeldbedingungen des Prozesses abzustimmen sind. Für spezifische Lernsituationen sind hierzu Strategien der Kompetenzvermittlung zu entwickeln, in denen situativ variierende Zielsetzungen und Restriktionen berücksichtigt werden. Die Gestaltung ist derart vorzunehmen, dass ein Fit of Design entsteht, in dem sämtliche Aspekte optimal auf die Implementierung einer Strategie der Kompetenzvermittlung ausgerichtet sind. Die einzelnen Gestaltungsfelder sind im Folgenden kurz vorzustellen:

  • Organisation: Sie umfasst Regeln, nach denen die Abstimmung der an den Prozessen beteiligten Akteure erfolgt. Die Organisation schließt auch die zeitlich-räumliche Organisation von Lernprozessen mit ein. So werden heute in vielen betrieblichen Prozessen Formen eines "ad hoc" Lernens angestrebt, in denen einzelne Lerner ausgehend von konkreten praktischen Fragestellungen am Arbeitsplatz bedarfsgerecht Inhalte erschließen (Hohenstein und Wilbers 2002). Derartige Lernformen werden auch unter den Begriffen Just-in-Time-eLearning (-> eLearning) und Learning-on-Demand thematisiert.
  • Inhalt: Der Inhalt eines Lehr- und Lernsystems stellt die zur Kompetenzentwicklung (® Kompetenzmanagement) aufbereiteten Informationen dar (Grob und vom Brocke 2004). Sie richten sich an den sachlichen Lernzielen aus, die sich im betrieblichen Einsatzfeld insbesondere von Anforderungsprofilen (® Anforderungsanalyse) ableiten. Um die Effektivität der Lernprozesse zu gewährleisten, ist darüber hinaus auch der persönliche Hintergrund der Lerner zu berücksichtigen. Hierzu sind Nutzergruppen zu identifizieren, für die adressatengerechte Aufbereitungen der Inhalte vorgenommen werden.
  • Methode: Computergestützte Lehr- und Lernsysteme ermöglichen eine multimediale Aufbereitung von Lerninhalten (Seufert, Back und Häusler 2001, Breitner und Hoppe 2005). Sie besteht darin, dass Inhalte integriert auf unterschiedlichen Medientypen repräsentiert werden, wie Text, Ton, Video. Auf dem Gebiet der Mediendidaktik wird untersucht, welche Medientypen geeignet sind, in spezifischen Lernsituationen einen Mehrwert zu leisten. Ergänzend ist die Wirtschaftlichkeit der Lehr- und Lernsystementwicklung relevant, die durch Ansätze der wiederverwendungsorienteren Entwicklung von Informationssystemen gefördert werden kann.
  • Technologie: Die Grundlage von Lehr- und Lernsystemen bilden Soft- und Hardwareplattformen, die auch die Verbindung von Arbeitsplatzrechnern in Rechnernetzen ermöglichen (Adelsberger, Collis und Pawlowski 2002). Über die Vernetzung innerhalb einer Organisation hinaus, wie durch ein Local Area Network (LAN), eröffnet die weltweite Vernetzung von Lernern über das Internet viel versprechende Potenziale, die unter Begriffen, wie Onlinelearning, Hyperlearning oder Distance Learning, thematisiert werden. Ausschlaggebend ist hier, dass die Möglichkeiten der ort- und zeitungebundenen Kommunikation geboten werden, die zur Entwicklung von Lerngemeinschaften beitragen.

Die Vielzahl der Anforderungen führt dazu, dass die Flexibilität des Systems wesentlich über dessen Qualität entscheidet. Ein besonderes Potenzial wird hier hybriden Systemen zugesprochen, die auch zur Laufzeit unterschiedlichen Anforderungen zugleich gerecht werden. Unter dem Begriff des Multi-Channel-Learnings werden Lehr- und Lernsysteme entwickelt, deren LCS aus unterschiedlichen Lernkanälen besteht (vom Brocke 2006). Die Flexibilität des Systems kommt darin zum Ausdruck, dass mit jedem Lernkanal eine spezifische Aufbereitung des Lerninhalts vorgenommen wird, die sich an ein typisches Set von Anforderungen richtet. Beispiele sind Kanäle, wie ein Intro, eine Text Study, eine Slideshow, eine Case Study sowie ein Learning-by-Doing. Durch entsprechende Auswahlmöglichkeiten zwischen den Lernkanälen können Lerner - aber auch Lehrer und Autoren - jederzeit die von ihnen bevorzugten Lehrkanäle wählen. Eine Universität, die eine solche Mehrkanalstrategie verfolgt, wird auch als Alma Mater Multimedialis bezeichnet (Grob und vom Brocke 2004). Darin kommt zum Ausdruck, dass nicht etwa konventionelle Unterrichtsformen verdrängt werden, sondern diese gezielt beibehalten und um den Einsatz computergestützter Lernkanäle bereichert werden sollen.

Für die Implementierung von Lehr- und Lernsystemen existieren neben kommerziellen Lösungen auch mehrere Open Source-Plattformen. Zugang zu diesen Plattformen geben Open Source-Intermediäre ebenso wie Open Source-Initiativen. Beispiele für Lernplattformen, die das Konzept des Multi-Channel-Leanings umsetzen, sind Freestyle Learning, OpenUSS (Open University Support System) und HERBIE (Hybrid Education and Research Base for Information Exchange).