Innovationsmanagement
engl. : innovation management
der proaktiven sowie begleitenden Gestaltung von Veränderungs- und Erneuerungsprozessen in Organisationen gewidmet.
Innovationsmanagement umfasst zwei Aspekte:
- Ein Aspekt besteht in einer spezifischen Funktion des Managements als dispositiver Faktor. Unternehmerische Veränderungen müssen administrativ begleitet werden, das heißt es müssen die für innovative Veränderungen wesentlichen Ressourcen (insbesondere in der erforderlichen Weise qualifiziertes Personal) zur richtigen Zeit am organisational richtigen Platz vorhanden sein. Insofern handelt es sich um eine spezifische Funktion des Managements, die je nach Größe und Dynamik der Organisation selbst innovativen Charakter aufweisen kann oder auch in metaprozessualer Sicht eine reine Routineaufgabe sein kann.
- Ein weiterer Aspekt unterteilt sich in die Herstellung eines günstigen Innovationsklimas im Hinblick auf das kreative Entstehen von Inventionen (-> Technologischer Wandel) einerseits sowie auf die Durchsetzung der Veränderungen, die zur Umsetzung der Inventionen erforderlich werden, andererseits. Der Nationalökonom Schumpeter (1912) hat darauf hingewiesen, dass zwischen der Invention und der Innovation begrifflich dringend zu unterscheiden sei. Während die Invention den kreativen Akt des neuen Gedankens betreffe und insofern für eine Innovation notwendige Voraussetzung sei, erlange die Invention erst durch die Innovation in hinreichender Weise ökonomische Bedeutung.
Ein wesentlicher Moment im Innovationsmanagement liegt in derTatsache begründet, dass Veränderungen in aller Regel Widerstände bei den Betroffenen hervorrufen. Daher liegt eine besondere Aufgabe des Innovationsmanagements in der Durchsetzung der Innovation. Ein besonders elaboriertes Modell liegt mit dem Witte-Hauschildt-Modell des Innovationsmanagements vor (Witte 1973, Hauschildt 2004). Aus systemtheoretischer Sicht lässt sich das Innovationsmodell als ein intrasystemisches Koalitionsproblem darstellen, in dem sich Befürworter und Gegner einer Innovation rivalisierend gegenüberstehen.
Basis der Argumentation ist die Existenz von Personen, die eine Invention getätigt haben, zumindest aber davon in Kenntnis sind, und diese als innovative Idee in einen Innovationsprozess einbringen und deren Vergesellschaftung durchsetzen wollen. Die Widerstände, die sie bei der Durchsetzung ihres Anliegens zu überwinden haben, werfen Probleme auf, nämlich
- inhaltliche
- führungspolitische und
- rein organisatorische Probleme,
welche es unter Beachtung ihres wechselwirkenden Zusammenhangs jeweils zu lösen gilt.
"Während das inhaltliche Problem darin besteht, die innovative Idee immer mehr Personen nahezubringen und sie gleichzeitig von ihrer Nützlichkeit und Durchsetzbarkeit zu überzeugen, lässt sich das führungspolitische Problem auf die Verkürzung des Faktors "Zeit" in der Durchsetzung der Innovation zurückführen. Dem Machtaspekt folgend finden sich solche Personen in den oberen Rängen der Unternehmenshierarchie, teils jedoch auch informell bei charismatischen Meinungsführern (-> Charisma).
Aus dem unübersichtlichen Verhältnis der inhaltlichen und führungspolitischen Probleme ist das dritte, das organisatorische Problem des Innovators abzuleiten. Die Formulierung und Verbreitung der inhaltlich bestimmten Idee muss mit ihrer machtvollen Durchsetzung abgestimmt werden. Anzumerken ist, dass die Modellierung eine im Wesentlichen statische Perspektive auf die Organisationsumwelt wählt.
Aus der hier vorgenommenen Problemanalyse lassen sich funktional aus den verschiedenen Managementaufgaben Rollen definieren, die abweichend von der antiken Dialektik von Proponent und Opponent als die Rolle des Fachpromotors, des Machtpromotors und des Prozesspromotors bezeichnet werden. Im Gegensatz zum Role-Taking im Entwurf des Modells der sozialen Rolle bei Mead (1934) bleibt eine relative, personale Statik zu konstatieren. In der Weiterentwicklung des Innovationsmodells durch Hauschildt und Chakrabarti (1988) sind die Begriffe deutlicher auf das Rollenkonzept hin akzentuiert und finden weitgehend Entsprechung in der angelsächsischen Literatur (-> Change Maker). Folkerts (2001) hat den Rahmen des Modells in Richtung einer stärkeren Dynamik ausgeweitet.
Diese Rollen sind vermutlich für die analytische Erfassung eines jeden Durchsetzungsprozesses von Innovationen bezüglich eines gegebenen sozialen Systems universal gültig, da sie sich funktional herleiten. Gleichzeitig können die Rollen situativ auf eine einzelne Person konzentriert wie auch auf eine größere Gruppe von Personen verteilt sein. Anders als bei Hauschildt (2004) vorgesehen kann die Rollenverteilung dynamisch umstrukturiert werden, obzwar aus der übrigen sozialen Rollenstruktur bestimmte Vorbedingungen einzuhalten sind: Ein Außenseiter in der Gruppe kann die Rolle des Machtpromotors ebenso wenig übernehmen, wie etwa ein Rechnungswesenexperte eine ingenieurwissenschaftliche Lösung inhaltlich voranzubringen vermöchte.
Da die Durchsetzung einer Innovation genau dann trivial gelöst ist, wenn sich ihr niemand entgegenstellt, ist die hier für die Seite der Promotoren erfolgte Analyse niemals ohne die Opponentenrolle zu denken. Deswegen ist die Rollenstruktur auf die Gegenseite zu spiegeln. Gleichzeitig gilt dies im Übrigen für die Opponentenrolle: Dort, wo niemand den Versuch einer Innovation unternimmt, gibt es auch nichts, dem man sich entgegenzustemmen hatte. Damit müssen Promotor und Opponent sich als gegenseitig bedingend betrachten. (Transitive) Macht erzeugt nach Luhmann (1975) regelmäßig Gegenmacht. Die fachlichen Argumente für eine Veränderung stehen gegen die konservativen Fachargumente, und eine gut organisierte Opposition bedarf entsprechend der Gegenseite homolog eines Prozessagenten. Hinsichtlich der Zuordnung der Rollen gilt hier prinzipiell das Gleiche wie für die Promotorenrollen.
In Abbildung 1 wird deutlich, dass Ideen, Macht und Strategien gegeneinander gesetzt werden, um die "Frontlinie" im sozialen Bezugssystem zu beeinflussen. Das Ergebnis des Prozesses einer Innovationsdurchsetzung bestimmt sich dabei als ein Machtausgleich, der von der jeweiligen Kraft der Argumente, der Führungspersönlichkeit oder der Organisationsstärke der einen oder anderen Partei beeinflusst wird. Machtausgleich bedeutet allerdings keineswegs, dass von vornherein ausgeschlossen wäre, dass sich die eine oder andere Partei in der Oberflächenstruktur des Erlebnisses vollkommen auf Kosten der Gegner durchsetzt. Zwischen einer Absorption der eingebrachten Initiative durch machtvolle Innovationsgegner und einer restlosen und zügigen, vielleicht diktatorischen Durchsetzung der Innovationsidee gegen eine schwächliche Opposition sind alle Konstellationen denkbar. Unter der gewöhnlichen Situation des politischen Kompromisses jedoch, die auf allen Ebenen sozialer Systeme vorkommt, ist die Möglichkeit der vollkommenen Durchsetzung auf Kosten anderer ohne Auswirkungen auf die Lösung späterer Konfliktlagen nicht möglich. So kann man diese Ergebnisbestimmung auch als Ausgleich der Grenzkosten aller Handlungsbeteiligten (Befürworter, Gegner und potenzielle Koalitionäre) interpretieren. Dieser Ausgleich geschieht unter Nutzung aller möglichen Transaktionsmedien wie Geld oder Vertrauen.
Die Kosten des Ausgleichs werden in drei verschiedenen Bedingungsfeldern mitbestimmt:
- Bedingungen strukturell-sachlicher Art: Erstrecken sich auf die Leistungsfähigkeit des Systems im Allgemeinen und auf die Anschlussfähigkeit der Innovation im Besonderen, wie zum Beispiel Ressourcenverfügbarkeit.
- Bedingungen personal-sachlicher Art: Hierbei handelt es sich beispielsweise um Wissen über die angestrebte Innovation.
- Bedingungen personal-affektiver Art: Emotionale Position gegenüber der angestrebten Innovation.
Geht man davon aus, dass die allgemeine Leistungsfähigkeit in der kurzen Frist als gegeben vorauszusetzen ist, dann wird deutlich, dass die besondere Aufgabe des Innovationsmanagers in erster Linie eine didaktische ist: Auf einer kognitiven Lernzielebene muss informiert, auf einer affektiven Lernzielebene müssen Ängste abgebaut werden.
Der rollenorientierte Zugriff des Innovationsmanagements muss zwingend als Idealmodell verstanden werden, das niemals in Reinform in der Praxis so zu finden sein wird. Die Konstante ist die Rolle, nicht deren personale Besetzung und somit auch nicht deren organisationale Spezialisation. Dahingehende Kritik, etwa von Noss (2002), verfehlt also ihr Ziel. Andere, an gleicher Stelle vorgebrachte Argumente hingegen gehen tiefer. So ist darauf hinzuweisen, dass ein Innovationsmanagement seine Existenzberechtigung keineswegs allein aus der Annahme einer generellen Innovationsaversion erhält. Vor allem jedoch wird mit der Bestimmung der Innovation als Managementfunktion die Abgrenzbarkeit etwa in Form eines Projekts unterstellt; zugleich wird diese Managementfunktion als auf den "außergewöhnlichen Fall" bezogen bestimmt. Emergenz (-> Emergente Personalführung) dagegen, als Ausdruck des Wandels von sozialen Systemen (wie Unternehmen) auf einer Ebene oberhalb der Mitglieder, kommt nicht vor und ist so eher dem Begriff des Change Managements zugeordnet.