Family-Friendly Policies

engl. : family-friendly policies

Möglichkeit familiäre Aufgaben, wie die Erziehung von Kindern und die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, mit beruflichen Zielen abstimmen zu können.

Arbeit und Familie üben konkurrierende Anforderungen aus, so dass die Erfüllung der einen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten der anderen geht, was sich laut Spector et al. (2004) in einem höheren Level an Belastungen und Beanspruchungen (-> Belastungs-Beanspruchungs-Modell) sowie Konflikten bemerkbar macht, die zu Lasten der - beruflichen wie auch familiären - Leistungsfähigkeit gehen.

Zielgruppe sind neben weiblichen Beschäftigten ebenso Männer, in deren Lebensplanung die Familie eine immer stärker werdende Berücksichtigung findet und die ebenso familienfreundliche Arbeitsverhältnisse fordern. Familienorientierte Personalpolitik ist damit nicht mit Frauenförderung gleichzusetzen.

Der Handlungsbedarf ergibt sich insbesondere daraus, dass Deutschland eine der niedrigsten Geburtenraten Europas und den höchsten Anteil kinderloser Frauen und Männer weltweit aufweist. Diese demographische Lage wird als langfristig problematisch eingeschätzt infolge des damit im Zusammenhang stehenden fehlenden Fachkräftenachwuchses sowie der geringeren Zahl von Unternehmensneugründungen und Innovationen (-> Technologischer Wandel).

Eine familienbewusste Personalpolitik in Unternehmen dient der Realisierung zweier, auf den ersten Blick konfligierender Formalziele und der Herstellung einer Win-Win-Situation für Organisationen und deren Mitglieder:

  1. Sie zielt auf die Erreichung einer sozialen Effizienz ab. Hier geht es um die Erfüllung der Erwartungen, Bedürfnisse (-> Motiv) und Interessen der Mitarbeiter in Bezug auf die Vereinbarkeit des Berufs mit den familiären Bedürfnissen. Auch ist die Familienorientierung eine Reaktion auf einen steigenden gesellschaftlichen und politischen Druck, um hierüber das ökonomische Handeln zu legitimieren.
  2. Der Erreichung einer ökonomischen/wirtschaftlichen Effizienz wird mittels der Umsetzung familienbewusster Maßnahmen eine große Bedeutung beigemessen.

Ökonomische Vorteile resultieren unter anderem aus der Bindung qualifizierter Mitarbeiter und Senkung der FluktuationDetail: Einer Studie von Grover und Crooker (1995) zufolge fördern familienfreundliche Maßnahmen die Bindung von Beschäftigten an das Unternehmen und bieten die Chance, deren Qualifikationspotenzial dauerhaft zu nutzen. Laut einer Prognos-Studie (2004) liegen die Rückkehrquoten nach der Elternzeit (-> Erziehungsurlaub) in Unternehmen mit familienorientierter Personalpolitik deutlich höher als im Bundesdurchschnitt und die durchschnittliche Verbleibdauer in Elternzeit ist niedriger.

Das Interesse der Bindung (-> Personalbindung) qualifizierter Angestellter begründet sich zum einen in dem sich verschärfenden Fachkräftemangel ausgelöst durch den Geburtenrückgang in Deutschland. Infolge dieses sich verengenden Arbeitsmarktes konkurrieren Unternehmen verstärkt um die besten Arbeitskräfte und die Gefahr von Abwerbungen steigt. Zum anderen besteht ein weiteres Argument darin, dass sich die getätigten Investitionen in die Aus- und Weiterbildung dieser Beschäftigten amortisieren müssen. Die Einführung familienfreundlicher Maßnahmen kann helfen, die Kosten für die familienbedingte Fluktuation von Mitarbeitern und für die Wiedereingliederung von Rückkehrern aus der Elternzeit, welche mit der Dauer der Betriebsabwesenheit steigen, ebenso wie die Wiederbeschaffungskosten von Ersatzkräften mit gleichem Qualifikationsniveau zu senken. Weitere Vorteile sind:

  • Erleichterung bei der Personalbeschaffung: Familienfreundliche Maßnahmen leisten laut einer Studie von Nielsen, Simonsen und Verner (2004) einen Beitrag dazu, dass umworbene Bewerber entsprechende Unternehmen als Arbeitgeber bevorzugen. Dadurch können bei der Personalgewinnung Einspareffekte erzielt werden.
  • Verbesserung der Attraktivität des Arbeitsplatzes und des Firmenimages: Die Umsetzung und Kommunikation praktizierter Maßnahmen kann neben einem positiven Einfluss auf das Personalmarketing auch eine imagefördernde Wirkung auf externe Akteure haben, was sich wiederum im Absatz der Produkte beziehungsweise Dienstleistungen oder dem Aktienkurs (Arthur und Cook 2004) widerspiegelt.
  • Reduzierung von Stress/Konflikten: Familienfreundliche Maßnahmen sind dazu geeignet, Stress und Konflikte, die sich aus der Organisation von Beruf und Familie ergeben, zu reduzieren. Dadurch ist es den Beschäftigten möglich, sich voll auf das berufliche Aufgabenfeld zu konzentrieren und bessere Leistungen zu erbringen.
  • Erhöhung der Motivation: Arbeitnehmer, die ein Interesse an ihrer Person und ihren individuellen Bedürfnissen wahrnehmen, weisen qualitativ höhere Arbeitsergebnisse auf und sind leistungsfähiger, wovon wiederum die Unternehmen profitieren,

Letztendlich tragen familienfreundliche Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie der Unternehmensleistung bei und rechnen sich damit nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich.

Die Einführung familienfreundlicher Maßnahmen ist immer mit Kosten verbunden. Infolge des zum Teil qualitativen Charakters der Maßnahmen, ist die Abwägung von ökonomischen Kosten und dem erzielten Nutzen schwierig. Die Prognos-Studie (2004) zeigt, dass sich eine familienfreundliche Personalpolitik für Unternehmen "rechnet", da der betriebswirtschaftliche Nutzen der familienfreundlichen Maßnahmen die Investitionen - auch kurzfristig - übersteigt; der durchschnittliche Return on Investment liegt bei + 25 %. Gesamtwirtschaftlich wird von einem positiven Einfluss familienorientierter Praktiken über die bessere Ausschöpfung des Erwerbspersonenpotenzials auf das Wirtschaftswachstum ausgegangen (Barth 2002).

Die Aktivitätsbereiche einer familienfreundlichen Personalpolitik in Unternehmen umfassen

  • Arbeitszeit,
  • Arbeitsinhalte und -abläufe,
  • Führung,
  • Personalentwicklung,
  • Entgeltbestandteile,
  • flankierende, familienorientierte Angebote sowie
  • Informations- und Kommunikationspolitik.

Nachfolgend sind einige Beispiele zu möglichen Maßnahmen in den verschiedenen Aktivitätsbereichen angeführt:

  • Maßnahmen im Bereich Arbeitszeit umfassen die Flexibilisierung der täglichen, wöchentlichen, monatlichen, jährlichen oder Lebens-Arbeitszeit, ein flexibler Umgang mit dem Auf- und Abbau von Überstunden zum Beispiel mithilfe eines Arbeitszeitkontos oder kurz- bis langfristige Freistellungsregelungen. Eine Führung durch Zielvereinbarungen führt zu einem Umdenken weg von der Anwesenheit hin zur erbrachten Leistung.
  • Familiäre und berufliche Anforderungen können häufig besser mithilfe einer Optimierung der Arbeitsinhalte und -abläufe in Einklang gebracht werden. So können über eine Reorganisation der Arbeitsprozesse Arbeitsinhalte neu zu Stellen zusammengefasst und angepasst sowie Abläufe flexibler gestaltet werden. Über eine Delegation von (Zeit-) Verantwortung und Entscheidungsbefugnissen wird ein eigenverantwortliches Arbeiten beispielsweise in teilautonomen Arbeitsgruppen oder an dezentralen Arbeitsplätzen ermöglicht. Mittels eines geeigneten Wissensmanagementsystems kann eine zentrale Voraussetzung für gegenseitige Vertretungen geschaffen werden.
  • Im Bereich der Führung ist es von Bedeutung, dass die Führungskräfte die Maßnahmen aktiv anwenden und die familiäre Mitarbeitersituation in personalwirtschaftliche Entscheidungen wie Qualifizierungsmaßnahmen oder Karriere- und Versetzungsplanungen einbinden. Mögliche Instrumente sind das Mitarbeitergespräch zwecks Treffen von Vereinbarungen, die Bereitstellung von Coaches oder Mentoren oder die Aufnahme des Aspekts "Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Mitarbeiter" in die Zielvereinbarungen der Führungskräfte.
  • Damit die Personalentwicklung der kontinuierlichen Aktualisierung und Erweiterung der Kompetenzen der Mitarbeiter gerecht wird, bedarf es beispielsweise der Anpassung der Entwicklungs- und Karriereplanung (-> Individuelle Karriereplanung) von Beschäftigten mit Familienverpflichtungen, Qualifizierungsmaßnahmen auch während der Erziehungsphase oder der familienfreundlichen Organisation von Weiterbildungsmaßnahmen hinsichtlich Zeit und Ort.
  • Entgeltbestandteile umfassen Zuschüsse für die Kinder- oder Angehörigenbetreuung, Haushaltshilfen, Einkaufsdienst oder Hausaufgabenbetreuung, die betriebliche Förderung pro Kind, zinsfreie beziehungsweise zinsgünstige Darlehen, die Sperrfristbeendigung für Betriebsaktien und anderes mehr.
  • Flankierende, familienorientierte Angebote betreffen die Unterstützung bei der Betreuung beispielsweise über die Schaffung oder Hilfe bei der Suche von Betreuungsplätzen, die Einrichtung eines Betriebskindergartens, die Bereitstellung von Eltern-Kind-Arbeitsplätzen, die Gewährung von Sabbaticals oder zusätzlichen Erziehungsjahren.
  • Die Informations- und Kommunikationspolitik nach innen und außen dient der Förderung der Akzeptanz familienbewusster Maßnahmen sowie der Imagepflege. Instrumente für die interne Kommunikation umfassen zum Beispiel das Mitarbeitergespräch, die Mitarbeiterzeitschrift und spezielle Broschüren, Seminare oder Workshops.

Kritisch weisen Clark (2000) sowie Guest und Conway (1998, 2000) darauf hin, dass eine familienfreundliche Personalpolitik nicht im erwarteten Maße zur Verbesserung einer Work-Life-Balance beiträgt. Ein Erfolgsfaktor hierfür ist, dass statt isolierter Praktiken ein Maßnahmenpaket implementiert wird, welches in die Organisationskultur eingebettet ist. Arbeiten von Hochschild (1997) weisen zudem darauf hin, dass ein Risiko in der Nutzung progressiver Personalpraktiken zum Zwecke der Vereinbarkeit von Familie und Beruf darin liegt, dass die Arbeit eine zu hohe Anziehungskraft hat und eine Balance dadurch nicht erreicht wird.