eHRM

engl. : eHRM

räumlich getrennte, technisch vernetzte und technisch unterstützte, arbeitsteilig organisierte Bearbeitung von personalwirtschaftlichen Aufgaben durch mindestens zwei Akteure.

Synonym werden nach Lepak und Snell (1998) die Begriffe virtuelles HRM, webbasiertes HRM und Business-to-Employee verwendet.

Das Kriterium der räumlichen Trennung zeigt auf, dass die beteiligten Akteure sich nicht am selben Ort befinden, zum Beispiel ein Bewerber und ein Personalsachbearbeiter bei einer Bewerbung über das Internet. Die räumliche Trennung ist dabei ein zwar vorliegendes, aber kein zwingendes Kriterium, denn es können auch Akteure vernetzt werden, die im selben Raum arbeiten.

Dagegen muss das Kriterium der technischen Vernetzung der Akteure zwingend vorliegen. Auf Basis von Informationstechnik (und der damit zunehmend konvergierenden Kommunikations- und Medientechnik) ist es möglich, Akteure technisch miteinander zu verbinden, unabhängig davon, ob diese im selben Raum oder auf verschiedenen Kontinenten tätig sind. Arbeitsteilig organisierte Personalarbeit (-> Personalmanagement) kann so raumzeitlich entkoppelt werden.

Das Kriterium der technischen Unterstützung erfordert, dass speziell die verwendete Informationstechnik über die reine Vernetzung von Akteuren hinaus, gewisse Teile der zu bearbeitenden Aufgabe (teil-)automatisiert übernimmt. Diese zusätzliche Forderung schließt aus, dass bereits bloße eMail-Kontakte zwischen Akteuren als Minimalvariante eines Electronic Human Resources Management gelten können.

Das Kriterium arbeitsteilige Bearbeitung der Aufgaben durch mindestens zwei Akteure weist darauf hin, dass eine Aufgabenteilung zwischen mehreren Aufgabenträgern zwingend vorgesehen ist und die konkrete Arbeitsorganisation, zumindest teilweise schon durch die verwendete Technik vorgegeben ist.

Das Kriterium arbeitsteiliges Bearbeiten von personalwirtschaftlichen Aufgaben zeigt auf, dass sich notwendigerweise auch das eHRM auf die Durchführung von Personalarbeit, das heißt auf Personalbeschaffung, Personalentwicklung, Vergütung richtet.

Damit ist eHRM neben dem bekannten eCommerce und weiteren betrieblichen Funktionen wie eProduction zunächst ein funktionaler Teilbereich des eBusiness. Das eHRM lässt sich dann wiederum in nachgelagerte Teilfunktionen wie etwa eRecruiting (-> Bewerbungsmanagementsysteme) oder eLearning aufspalten. Gegebenenfalls ist, wie in Übersicht 1 abgebildet, auch diese Ebene nochmals in weitere Teilfunktionen wie eAssessment aufteilbar.

Einordnung des eHRM

eHRM basiert auf Anwendungen der Informationstechnik, welche die Akteure vernetzen und bei der Aufgabenbearbeitung unterstützen. Für das eHRM sind insbesondere personalwirtschaftliche Anwendungssoftware, ERP-Systeme, HR-Portale, Selfservice Systeme sowie Workflowsysteme relevant. Dabei existieren zunehmend Abgrenzungsprobleme zwischen diesen Kategorien, weil reale Systeme die genannten Kategorien zunehmend kombinieren.

Akteure des eHRM sind diejenigen Aufgabenträger, die anfallende personalwirtschaftliche Aufgaben in technisch vernetzter und unterstützter Weise bearbeiten. Mit

  • Administration (Akteure und Institutionen der Verwaltung, wie Arbeitsämter, Arbeitsgerichte, Krankenkassen, aber auch Kreditinstitute),
  • Applicant (potenzielle und faktische Bewerber),
  • Consultant (Berater im Bereich Personalmanagement, Internet-Content- und Service-Provider, Softwareanbieter),
  • Employee (Mitarbeiter des Unternehmens),
  • Management (personalverantwortliche Linienführungskräfte) und
  • Personnel (Mitglieder der Personalabteilung)

werden sechs zentrale Kategorien von Aufgabenträgern unterschieden. Mit diesen sechs Kategorien sind die wesentlichen, aber durchaus nicht alle Akteure des eHRM benannt. In Abhängigkeit von der national unterschiedlichen Relevanz betrieblicher und überbetrieblicher Arbeitnehmervertreter können beispielsweise zusätzlich die interne Kategorie Work-Council (-> Betriebsrat) und die externe Kategorie Union (Gewerkschaft) relevant werden. Werden die sechs Akteurkategorien in Anlehnung an die Interaktionskategorien des eCommerce angeordnet, ergeben sich 36 mögliche Interaktionssegmente, die wie etwa Applicant-to-Personnel oder Personnel-to-Management jeweils eine spezifische Interaktionsvariante darstellen. Strukturiert man die Interaktionen nach der Herkunft in interne und externe Akteure, lasten sich die 36 Segmente zu vier Quadranten der Interaktion zusammenfassen (Übersicht 2)

Akteure und Interaktionen des eHRM

Die Zuordnung zu einem Segment erfolgt nach der Auslösung einer Interaktion. Beispielsweise wäre die Blindbewerbung eines Bewerbers auf der Homepage des Personalbereichs dem Segment Applicant-to-Personnel zuzuordnen, während die Bewerbung auf eine zuvor auf der Homepage konkret ausgeschriebenen Stelle im Segment Personnel-to-Applicant zu verorten wäre.

Den zentralen Schwerpunkt des eHRM bilden die internen Interaktionen zwischen Mitarbeitern, Management und Personalabteilung im Quadranten IV. Neben der generellen technischen Vernetzung und Unterstützung der Akteure liegt ein Unterschied zum konventionellen HRM darin, dass nun auch die Mitarbeiter zu Aufgabenträgern der auf sie selbst gerichteten Personalarbeit werden. Innerhalb der Quadranten II und III überschreiten die Interaktionen die Unternehmensgrenzen und gestalten sich in den Positionen spiegelbildlich. Hier lässt sich die gemeinsame Abarbeitung vielfältiger Aufgaben durch administrative Institutionen, Berater, Bewerber und interne Akteure abbilden.

Indessen finden sich in den Kategorien Administration und Consultant intermediäre Akteure, die andere Akteure des eHRM nach dem Muster Akteur-Intermediär-Akteur verbinden. Ein Beispiel eines intermediären Akteurs ist die Internet-Jobbörse, die zwischen Bewerbern und Personalabteilung vermittelt. Auf diese Weise erlangen auch Interaktionen des Quadranten I Relevanz für das eHRM.

Metamediäre Akteure schieben sich zusätzlich zwischen Akteur und Intermediär und lassen sich insofern als Intermediäre der Intermediäre definieren. Das Beziehungsmuster erweitert sich dann zu Akteur-Metamediär-Intermediär Akteur. Ein einfaches Beispiel eines metamediären Akteurs bilden Meta-Jobsuchmaschinen.

Alle Akteure werden bei der arbeitsteiligen Durchführung ihrer Aufgaben technisch unterstützt. Tritt nun in einer Interaktionsbeziehung eine Technikanwendung einem menschlichen Akteur der reinen Funktion nach wie ein menschlicher Aufgabenträger gegenüber, handelt es sich um einen virtuellen Akteur. Daher sind im eHRM reale und virtuelle Akteure zu unterscheiden. Virtuell im Sinne von "scheinbar", "vorgetäuscht" oder "nicht-wirklich" ist ein Akteur insoweit, als er kein agierender Mensch ist, sondern lediglich dessen Aufgabenbearbeitung technisch nachbildet und in diesem Aspekt die reale Existenz eines Menschen vortäuscht. Einfache Beispiele eines virtuellen Akteurs des eHRM bilden Selfservice Systeme oder HR-Portale. Das HRM, das von solchen virtuellen Akteuren durchgeführt wird, ist allerdings real und nicht nur vorgetäuscht.

Neben Interaktionen von Einzelakteuren haben im eHRM auch virtuelle Gemeinschaften Relevanz. Virtuelle Gemeinschaften sind größere Gruppen von Akteuren, die in technikunterstützten Interaktionen wie etwa Chat, Diskussionsforen oder Newsgroups gemeinsamen Interessen nachgehen. Je nach Anforderungen an die soziale Bindung, gemeinsame Kultur, Häufigkeit der Interaktion der Akteure lassen sich auch im eHRM solche Gemeinschaften oder zumindest Aggregationen interagierender Akteure nachweisen. Ein einfaches Beispiel aus dem Segment Employee-to-Applicant bieten internetbasierte Bewertungsforen, in denen aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter ihren Arbeitgeber hinsichtlich Vergütung oder Arbeitsbedingungen anonym bewerten.

Unbeschadet der Probleme einer vollständigen Aufzählung und trennscharfen Kategorisierung von personalwirtschaftlichen Aufgaben ist die grundsätzliche Konstanz personalwirtschaftlicher Aufgaben offensichtlich.

Auch im eHRM muss Personal beschafft, entwickelt oder vergütet werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob eHRM auf alle HR-Aufgaben ausgedehnt werden kann, oder ob es aus technischen, aufgabenbezogenen oder sonstigen Gründen auf gewisse Teile der HR-Aufgaben beschränkt werden muss. Die Beantwortung hängt stark vom geforderten Grad der informationstechnischen Unterstützung menschlicher Akteure ab.

Gibt man sich im Einzelfall auch mit einem eher bescheidenen Automatisierungsgrad (-> Technischer Wandel und seine personalwirtschaftlichen Implikationen) zufrieden, dann sind nach Lengnick-Hall und Moritz (2003) grundsätzlich alle HR-Aufgaben technisch unterstützbar. Dies gilt inzwischen auch für "qualitative" ehemals nicht informationstechnisch unterstützbare Aufgaben, wie beispielsweise die Eignungsdiagnose (-> Eignungsdiagnosesysteme). Generell können damit alle HR-Aufgaben im eHRM dargestellt werden, wenngleich in unterschiedlicher Intensität und Güte. Erhöht man allerdings die Anforderungen an die technische Unterstützung, werden je nach Anforderungsniveau und Aufgabe differenziertere Antworten und Systeme nötig.

Trotz der prinzipiellen Identität der HR-Aufgaben bleibt zu betonen, dass eHRM nicht einfach das elektronische Spiegelbild des HRM darstellt. Vielmehr kommt es zu teils spürbaren Veränderungen (-> Informationstechnikfolgen) aufgrund der Informationstechnik. Trotz grundsätzlicher Übereinstimmung mit den Aufgaben des HRM weist eHRM Potenziale zur Veränderung von HR-Aufgaben und ihrer Bearbeitung auf.