Beurteilungsfehler

engl. : appraising/rating error

Beurteilungsfehler betreffen bewusste und v. a. unbewusste Verfälschungen der Beurteiler (Könnens-Probleme) im Rahmen der Personalbeurteilung und teilweise der Personalauswahl. Sie lassen sich in drei Kategorien differenzieren, die weitere Unterformen aufweisen (siehe Abb. B-6):

Wahrnehmungsverzerrungen stellen unbewusste Übertreibungen eines Beurteilers dar, die sich in verschiedene Richtungen entwickeln.

  • Der Halo-Effekt kommt dadurch zum Tragen, dass ein Beurteilungsmerkmal (z. B.: Wortgewandtheit) durch eine (unbewusste) Überbewertung durch den Beurteiler auf mehrere andere (z. B. Integrität, Sozialverhalten, Zuverlässigkeit) ausstrahlt, so dass der Beurteiler letztendlich nur ein Merkmal tatsächlich bewertet.
  • Der Nikolaus-Effekt (synonym: "Recency-Effekt") drückt aus, dass der Beurteiler bei der Bewertung speziell auf Ereignisse, die erst kürzlich stattgefunden haben, abstellt.
  • Mit dem Primacy-Effekt (synonym: "First-Impression-Effekt") wird ausgedrückt, dass die in einer Beurteilungsperiode bzw. -sequenz zuerst erhaltenen Informationen bzw. Eindrücke auf den Beurteiler größere Wirkung erzielen als später erhaltene und von daher unbewusst bei der Bewertung übergewichtet werden.
  • Der Kleber-Effekt hat zur Folge, dass längere Zeit nicht beförderte Mitarbeiter von Beurteilern unbewusst unterschätzt und entsprechend schlecht bewertet werden
  • Der Hierarchie-Effekt kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Beurteiler solche Mitarbeiter besser bewerten, die höher als andere in der Hierarchie eingeordnet sind.
  • Unter dem Lorbeereffekt ist ein Beurteilungsfehler zu verstehen, bei dem der Beurteiler insbes. die in der Vergangenheit erreichten "Lorbeeren" berücksichtigt, ohne dass ein unmittelbarer Bezug zur aktuellen Beurteilung gegeben ist.
  • Der Andorra-Effekt (nach dem Roman von Max Fritsch) [Anm.: Max Frisch] betrifft eine Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung des Beurteilers bez. des zu Beurteilenden: die Prognose trifft ein. Maßstabsprobleme beziehen sich auf unbewusste Verzerrungen der Beurteiler durch verschiedene Anspruchsniveaus bzw. Maßstäbe:
  • Bei der Tendenz zur Mitte geschieht eine unzutreffende Maßstabsanwendung dadurch, dass überproportional häufig mittlere Urteilswerte auf den Skalen von den Beurteilern gewählt werden.
  • Bei der Tendenz zur Milde erfolgt eine unzutreffende Maßstabsanwendung, indem die Beurteiler in ihren Beurteilungen auf Skalen durchschnittlich im Vergleich zu anderen Beurteilern nach oben abweichen. Ihr Anspruchsniveau ist faktisch niedriger.
  • Bei der Tendenz zur Strenge verwenden Beurteiler einen unzutreffenden Maßstab durch ein zu hohes Anspruchsniveau. Dies führt im Vergleich zu anderen Beurteilern zu überproportional niedrigen Einstufungen auf den Skalen.
  • Beim Sympathiefehler erfolgt eine verzerrte Maßstabsanwendung, indem auf die Beurteiler besonders sympathisch wirkende Mitarbeiter unbewusst besser bewertet werden als andere. Umgekehrtes Verhalten stellt einen Antipathie-Effekt dar.

Daneben bestehen noch verschiedene kognitive Probleme der Beurteilung, die zu kaum beeinflussbaren Verzerrungen bei der Wahrnehmung, der Verarbeitung, der Speicherung, der Erinnerung und der Beobachtung von Informationen/Verhalten führen.

Bei bewussten Verfälschungen (Wollensprobleme) schließlich erfolgen die Beurteilungen als Mittel zum Zweck, z. B. um Mitarbeitern eine bestimmte Entgeltzulage zuzuspielen oder sie wegzuloben, um bestimmte Bewerber zu bevorzugen u. Ä. m.