Worauf achten Personaler bei Bewerbungen – und worauf sollten sie eigentlich achten?

Als führender Mitarbeiter in einer Personal- respektive Human-Resources-Abteilung hat man es bekanntlich nicht immer leicht. Fast täglich landen neue Bewerbungen auf dem Schreibtisch – und meist deutlich mehr, als es überhaupt freie Stellen zu besetzen gibt. Die Kriterien, nach denen die Jobaspiranten beurteilt und ausgesiebt werden, folgen in einigen Fällen einer gewissen Linie, doch fallen trotzdem immer wieder talentierte Bewerber durch eben dieses Raster. Woran liegt das eigentlich? Und was könnten HR-Manager gerade hierzulande ändern, um potenzielle Talente trotz mangelhafter Bewerbungsunterlagen besser und einfacher erkennen zu können?

Wohl jeder Personalentscheider kennt die folgende Floskel: Der erste Eindruck zählt. Diese vier Worte bestimmen seit Jahrzehnten die Herangehensweise und ebenso das eigentliche Ausschlussverfahren bei Bewerbungen. Doch muss man sich mittlerweile die Frage stellen, ob diese Art und Weise auch in der heutigen, modernen Zeit überhaupt noch anwendbar ist. Sagen Kaffeeflecken auf dem Lebenslauf denn tatsächlich etwas über die Qualifikation des Bewerbers aus? Bedeuten einige wenige Rechtschreibfehler, dass der Aspirant keinesfalls zu dem Unternehmen passen kann? Und sind fehlende Unterlagen wirklich ein direktes Ausschlusskriterium? Um all diese Fragen beantworten zu können, müssen wir uns die Ist- und die Könnte-Situation etwas genauer anschauen – und dabei vielleicht die eine oder andere antiquierte Sichtweise ad acta legen.

Was sagt die Bewerbung tatsächlich über den Bewerber aus?

Um die aktuellen Veränderungen innerhalb des Personalwesens besser greifen und verstehen zu können, bedienen wir uns der Einfachheit halber dem nun folgenden Beispiel: das Bewerbungsschreiben einer Grafikdesignerin. Die Unterlagen sind nicht vollständig, da das letzte Schulzeugnis fehlt. Die äußere Form und der damit verbundene erste Eindruck werden durch Eselsohren, qualitativ schlecht kopierte Dokumente und einen Rechtschreibfehler direkt im ersten Satz des Anschreibens bestimmt. Und als ob das nicht schon reicht, hat die Bewerberin zudem auch noch das Foto und die Unterschrift im Lebenslauf vergessen. Darüber hinaus weist die Vita die eine oder andere Lücke auf – ohne dass diese näher erläutert werden. Die Chance, dass diese angehende Designerin trotzdem zu einem persönlichen Gespräch eingeladen wird, dürfte in den Augen der meisten Personaler bei marginal bis nicht existent liegen.

Nun hat diese fiktive Grafikerin allerdings gleich mehrere Projektbeispiele angehängt, die glasklar zeigen, dass sie über ein großes Talent verfügt. Das Problem ist jedoch, dass diese Arbeitsproben aufgrund der schludrigen Bewerbung gar nicht erst wahrgenommen werden. Und statt die hauseigene Grafikabteilung mit der offensichtlich talentierten Designerin zu verstärken, landet die Bewerbung direkt auf dem Absagestapel. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass in zahlreichen Personalabteilungen noch immer mit einem Maß gemessen wird, das schon seit Langem zum alten Eisen gehört. Das Hauptproblem ist die festgefahrene Herangehensweise, die sich bereits vor Jahrzehnten etabliert und seitdem nicht mehr wirklich verändert hat. Dabei muss man sich als Personalentscheider gar nicht verbiegen und sein Handwerk neu erlernen, es reicht bereits, die altbackenen Scheuklappen abzulegen und damit zu beginnen, über den Tellerrand hinaus zu schauen.

Wie funktioniert ein modernes HR-Management?

Während sich die Ansichten und Herangehensweisen der Bewerber zum Teil sehr deutlich verändert haben und viel moderner und medialer geworden sind, schränken sich trotzdem noch immer zahlreiche Personaler durch selbst auferlegte Kriterien ein – wie nicht zuletzt ein aktueller Fachartikel des Münchener Merkur zeigt. Um zu beweisen, dass es weder viel Mühe noch viel Zeit kostet, sich an den Fortschritt anzupassen, präsentieren wir im Folgenden einige Beispiele zur Verdeutlichung.

Grammatik- und Rechtschreibfehler: Hier gilt es, zwischen Flüchtigkeitsfehlern und groben Schnitzern zu unterscheiden. Wenn in nahezu jedem Satz ein deutlicher Fehler vorkommt, die Interpunktion komplett ignoriert und selbst die einfachen Begriffe immer wieder falsch geschrieben wurden, ist es verständlicherweise schwer, diesem Bewerber ein persönliches Gespräch anzubieten. Doch wenn es sich um einen oder auch wenige Flüchtigkeitsfehler handelt, sollte man sich nicht wie bisher darauf fokussieren, sondern besser die tatsächlich relevanten Fähigkeiten des Aspiranten genauer unter die Lupe nehmen. Und diese definieren sich eben nicht über den Lebenslauf oder das Bewerberfoto, sondern hauptsächlich über die Arbeitsproben.

Lücken in der Vita: Für viele Personaler stellt ein lückenhafter Lebenslauf ein großes Hindernis dar. Was hat der Bewerber in dieser Zeit gemacht? War er oder sie einfach nur faul? Oder gab es sogar Probleme dabei, eine neue Anstellung zu finden? Auch hier sollte man sich von einer zu negativen und vorverurteilenden Denkweise verabschieden. Denn vielleicht hat sich der Aspirant einfach nur eine kreative Auszeit genommen – oder die Zeit für private Fort- und Weiterbildungen genutzt.

Fehlende Anhänge: Wenn wichtige Dokumente, wie zum Beispiel Arbeitsproben, Zertifikate oder der Beweis, dass das Studium auch tatsächlich abgeschlossen wurde, fehlen, bedeutet das in den meisten Fällen verständlicherweise das Aus für den Bewerber. Anders sieht es hingegen beispielsweise bei Schulzeugnissen aus. Denn hier sollte man sich fragen, ob schlechte Noten während der Oberstufe tatsächlich etwas über die Fähigkeiten und Qualifikationen des Aspiranten verraten.

Bewerbungsfoto und sonstige persönliche Angaben: Natürlich möchte man wissen, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Doch auch wenn es die meisten Personalchefs vielleicht nicht wahrhaben möchten, wird das Bewerbungsfoto mehr und mehr zu einem Auslaufmodell. In vielen Ländern geht der Trend schon längere Zeit in Richtung Anonymisierung und Schutz der Privatsphäre – und dazu gehört nicht nur das Foto, sondern auch Angaben zum Geschlecht, zur Religion oder auch in Bezug auf den Familienstand. Das Fehlen dieser Dinge in einer Bewerbung ist also keinesfalls ein schlechtes Zeichen, sondern zeigt eher, dass der Bewerber am Puls der Zeit lebt und nicht sich, sondern vor allem seine Fertigkeiten in den Vordergrund stellen möchte.

Soziale Medien und Netzwerke: Obwohl sich Twitter, Facebook, Instagram und Co bereits seit Jahren stetig wachsender Beliebtheit erfreuen, finden sie bei vielen HR-Managern kaum Beachtung, wenn es um die Bewertung der Jobaspiranten geht. Ein großer Fehler, denn die verschiedenen sozialen Profile sagen in den meisten Fällen deutlich mehr über eine Person aus, als es ein Bewerbungsanschreiben oder ein Lebenslauf jemals könnten.