Social Media Recruiting: Eine Anleitung zur Strategieentwicklung in fünf Schritten

Mittelfristig werden wohl die allermeisten Unternehmen ihre Personalgewinnung und Bewerberkommunikation auch - aber nicht nur - über soziale Netzwerke betreiben (müssen). Dies gilt insbesondere für jene Unternehmen aus dem Mittelstand, welchen über keine bekannte Produktmarke verfügen. Ein latenter Fachkräftemangel und die extrem hohe Nutzungs- und Akzeptanzrate von Social Media bei Absolventen und der Generation Y insgesamt sorgen ihrerseits für einen sanften Sog in Richtung hin zu diesem Thema.

Bedeutet dies also für Unternehmen, dass erst einmal dabei zu sein bei Facebook und Konsorten schon die halbe Miete ist? Wohl kaum! Ja, der Trend zum sozialen Netzwerk ist ungebrochen da. Aber dabei sein ist nichts ohne strategische Vorarbeit und Vorausschau.

Einen Leitfaden für eine solche Strategieentwicklung zum Social Media Recruiting finden Sie hier in fünf Schritten:

1) Bedeutung und Veränderungen durch Social Media verstehen

Soziale Netzwerke für die Personalbeschaffung und zum Employer Branding zu nutzen ist nach wie vor ein Thema, welches hohe Aufmerksamkeit unter Personalmanagern generiert. Insbesondere DAX Unternehmen setzen bereits fast alle ein breites Spektrum von Social Media Kanälen für diese Zwecke ein (vgl. Social Media Studie 2011, FH Koblenz, Prof. Beck). Beim Mittelstand und den sog. „hidden champions“ fehlt es oft noch am Engagement in Facebook, YouTube & Co. Sehr viele HR-Vertreter dieser Unternehmen finden das Thema zwar interessant, handeln aber (noch) nicht. Um aus der Beobachterhaltung heraus zu kommen und mit der Umsetzung zu beginnen ist es notwendig einige Entscheidungen zu treffen. Oft sind HR-Verantwortlichen und insbesondere strategischen Entscheidern die sozialen Medien und deren Auswirkungen noch nicht gut genug bekannt. Die wichtigsten Auswirkungen von Social Media auf die Art wie Businesskommunikation funktioniert sollten von Entscheidern in Unternehmen verstanden sein, bevor eigene Schritte angestrebt werden.

Bedeutend ist es die Veränderungen in der Kommunikation durch Social Media zu verstehen. Diese lauten bspw.: Von der One-Voice-Policy zum mehrstimmigen Dialog (One-to-Many zu Many-to-Many); von wenigen Produzenten von Content zu vielen Produzenten von Content; von eher geringer Geschwindigkeit in der Informationsverbreitung zu schneller Informationsverbreitung.

2) Klarheit über die eigene Zielsetzung schaffen

In den metaHR Social Media Seminaren für Personaler hinterfragen wir immer wieder auch warum Unternehmen das Thema angehen wollen. Man sollte denken, da sind dann glasklare Antworten zu hören mit nachvollziehbaren Begründungen. Nun ja, die gibt es auch, aber immer wieder sind Äußerungen dabei wie „Mein Personalvorstand hat mir für dieses Jahr in meine Zielvereinbarung geschrieben, dass wir eine Facebook-Karriereseite einrichten sollen.“ oder „Unser Unternehmen will den Anschluss nicht verpassen“.

Einfach nur dabei zu sein bei Social Media bedeutet aber erstmal gar nichts. Im Gegenteil: Der Einstieg in ein soziales Netzwerk ist rein technisch meist schnell erledigt. Dazu einfach einen Account anlegen und los geht es. Insofern ist „dabei sein“ leicht, nur eben ohne klare Zielsetzung de facto wirkungslos.

Die Zielsetzung für das eigene Social Media Engagement sollte aus HR-Perspektive strategisch definiert sein BEVOR digitale Schritte unternommen werden. Derartige Zielsetzungen können bspw. lauten, dass die Recruiting-Services des Unternehmens verbessert werden sollen oder dass das Unternehmen die Beziehungen zu seinen potentiellen Bewerbern aufbauen bzw. verbessern möchte (Talent Relationsship Management) oder dass das Unternehmen seine Arbeitgebermarke schärfen möchte (Employer Branding).

Finden Sie Ihren Ziel-Mix, der zu Ihrer Unternehmenssituation passt und als dann Kompass für alle daraus resultierenden Aktivitäten dient, bevor über irgendwelche sozialen Netzwerke im Detail nachgedacht wird.

3) Die eigene Ausgangslage kennen

Social Media ist oft zunächst einmal ein sog. Graswurzel-Thema, d.h. es gibt häufig einzelne Aktivitäten, ohne das es zuvor einen Beschluss der Geschäftsführung oder ähnliches dazu gab. Mitunter sind z.B. einzelne Mitarbeiter schon sehr kompetent im Umgang mit sozialen Medien, im Zweifel auch ggf. nur außerhalb des Unternehmens in Rahmen privater Betätigungen. Solche Wissensträger zu identifizieren und deren Know-how zu nutzen, sie bestenfalls sogar als Brückenköpfe der HR in den Fachabteilungen oder Multiplikatoren für das Thema in die Organisation hinein einsetzen zu können, verbessert die Startbedingungen für Unternehmen. Darüber hinaus sollte ein Unternehmen die eigene Unternehmenskultur und seine spezifischen Startbedingungen im Hinblick auf einen Social Media Einsatz im Recruiting kennen, BEVOR ein Projektplan zur Einführung dieser Technologie entwickelt und umgesetzt wird. Dadurch lassen sich unangenehme Überraschungen vermeiden und eigene Handlungsfelder klar erkennen. Wer dabei gern eine professionelle und bewährte Standortbestimmung zum Thema Social Media in der HR nutzen möchte, kann z.B. auf den meta HR Social Media Readiness-Check/ Kulturanalyse zurückgreifen. Diese Analyse legt unternehmensindividuelle Startpunkte und Ausgangssituation offen. Das Thema HR Social Media wird so in mehreren Dimensionen von Arbeitgebermarke bis zu sozialmedialen Handlungskompetenzen hin strukturiert untersucht und dargestellt. Eine für das jeweilige Unternehmen spezifische Orientierung ist geschaffen.

4) Optionen eingrenzen, eigene Kräfte bündeln

Es gibt zugegebenermaßen unheimliche viele Social Media Tools und Plattformen. Selbst wenn man nur die wichtigeren und bekannteren dieser sozialen Netzwerke und Dienste berücksichtigt ergeben sich noch eine Unzahl von Möglichkeiten wie diese von Unternehmen zum Zweck des Aufbaus der eigenen Arbeitgebermarke bzw. zum Recruiting genutzt werden können.

Diese Vielzahl der potentiellen Optionen im Social Media erschwert die richtige Auswahl der ersten Schritte, die sog. „decision paralysis“ macht sich breit, also die partielle Entscheidungsunfähigkeit im Angesicht des überwältigenden Angebots. Wir alle kennen das Phänomen auch aus dem Alltag, nämlich dann, wenn wir in ein Geschäft kommen dort ein beinah unübersichtliches Angebot an vermeintlich ähnlichen Artikeln vorfinden. Bezogen auf die Social Media Thematik mit Fokus auf deren Einsatz im Employer Branding und Recruiting ist es also durchaus sinnvoll eine Reihe Optionen anfangs auszuschließen. Redundante Netzwerke müssen ohnehin nicht genutzt werden (bspw. kann i.d.R. getrost auf Google+ verzichtet werden).

Empfehlenswert ist es eine Plattform als „Kraftzentrum“ zu wählen, wo die Social Media Aktivitäten der HR gebündelt werden können und natürlich wo genügend Potential besteht die eigene Zielgruppe anzutreffen. Eine zunächst auf sehr wenige Networks beschränkte Auswahl bietet eine solide Ausgangsposition und bündelt die eigenen Kräfte. Weitere Social Media Angebote später hinzu zu nehmen ist im Rahmen des Wachstums der eigene Community und der Erhöhung der eigenen Bekanntheit dann immer noch möglich. Nicht vergessen werden sollte hierbei die Wertigkeit der eigenen Karrierewebseite. Als Anlaufstelle für Bewerber und Interessenten ist die Unternehmenswebseite in hohem Maße wichtig. Social Media ergänzt somit den Karrierebereich der Webseite optimal, löst diesen aber keinesfalls ab!

Ausgehend von der eigenen Zielsetzung (siehe Punkt 2), dem Wissen um die spezifische Ausgangslage (siehe Punkt 3) und der Kenntnis um die am besten zur eigenen Situation passenden Options-Mix, kann eine konkretere Umsetzungsstrategie, eine Roadmap, beschrieben werden.

5) Aufwand abschätzen und Budget bereitstellen

Wenn Sie so etwas wie eine eigene Social Media Roadmap erstellt haben, also de facto eine grobe Projektplanung vorliegt, können Sie realistisch den kommenden Aufwand abschätzen und damit die Planung konkretisieren.

Der Aufwand kann in zwei Kategorien eingeteilt werden: Auf der einen Seite der Einmalaufwand für bspw. die Erstellung und technische Anpassung von z.B. einer Facebook-Fanpage, Beratung und Schulung usw. Und auf der anderen Seite der Aufwand für den Betrieb Ihrer Social Media, also (vergleichsweise geringe) Kosten für Premium Unternehmens-Accounts in bestimmten Netzwerken, vor allem aber der zeitlich und personelle Aufwand im Dialog mit der Zielgruppe. Letzterer ist Teil des Investments. Ohne wird es nicht gehen. Erfolg kommt nicht für Null-Budgets, auch wenn teilweise kostenfreie Accounts in sozialen Netzwerken zu diesem Fehlschluss zunächst einmal einladen.

Betrachten Sie Social Media Recruiting oder Social Media Employer Branding genau so wie andere Personalmarketing-Aktivitäten auch. Achten Sie einfach darauf gut zu investieren. Je nach Aktivitätsumfang, Zielsetzungen und – natürlich - auch Unternehmensgröße, sollten Sie anfangen mit mindestens, ich wiederhole, mindestens 0,5 FTE zu rechnen, besser 1 FTE oder ggf. mehr. Social Media ist schließlich kein Saisonthema.

Vergessen Sie bitte auch die Überlegung für die zuvor beschriebenen Schritte 1-4 vielleicht einen Bachelor-Studenten anzuwerben und dies mit dessen Abschlussarbeit zu kombinieren. Nichts gegen engagierte Studenten, aber ein Unternehmen kann kaum erwarten, dass jemand ohne jede Change- und HR-Erfahrung ein solches Projekt erfolgreich durchführt, auch wenn sonst ein gutes Verständnis für z.B. Facebook und Gen Y da sein mag. Zum Vergleich: Würde eine solche Option überhaupt im Rahmen der Überlegungen eines Unternehmens liegen, wenn es darum ginge eine neue wichtige Produktionsmaschine anzuschaffen und effektiv in den Produktionsprozess einzubinden? Zumal dann - um in der Analogie zu bleiben - beim späteren Betrieb dieser Maschine jeder weltweit wer wollte zusehen könnte? Das wäre doch wohl definitiv Sache eines Experten, vermutlich des Chef-Ingenieurs, oder? Warum sollte das ausgerechnet bei Social Media anders sein?!

Zusammenfassung

Wie aufgezeigt ist Social Media fürs Recruiting oder fürs Employer Branding erfolgreich ins Leben zu rufen kein Hexenwerk. Wohl aber ist es ein ambitioniertes Projekt. Starten Sie mit einer soliden Orientierung, worum es bei Social Media geht und bauen Sie ein Verständnis dafür auf, welche Impacts das soziale Web hat (Schritt 1).

Verschaffen Sie sich Klarheit über Ihre Ziele und was Sie mit Social Media im Personalmanagement erreichen wollen. Dazu ist bspw. der Besuch eines Basis-Seminars oder die Durchführung eines ersten Inhouse-Workshops sinnvoll (siehe Schritt 2).

Finden Sie - am besten mit professioneller Unterstützung - heraus, wie es bezogen auf Social Media um Ihre unternehmensspezifische Ausgangslage bestellt ist. Social Media ist vor allem Kulturfrage! Wo liegen die Chancen und Barrieren in Ihrer Kultur? Mit diesem Wissen ausgestattet kann eine strategische Entscheidung für ein allgemeines „Ja“ oder ein allgemeines „Nein“ gefällt werden (siehe Schritt 3).

Mit dem Support von der strategischen Spitze im Rücken kann dann ganz konkret begonnen werden, Optionen auszuwählen, welche die zu Ihren Zielen passen und wo Sie Ihre Zielgruppe antreffen. Nicht zu vergessen dabei ggf. wo schon heute viele Ihrer Mitarbeiter, Ihrer potentiellen Markenbotschafter im digitalen Raum aufhalten. So entsteht ein grober Projektplan (siehe Schritt 4).

Abschließend ist es notwendig die entsprechenden Ressourcen anzukoppeln und das hierfür nötig Budget frei zu geben um professionell und mit guten Erfolgsaussichten arbeiten zu können (Schritt 5).

Wenn Sie diesem Wegweiser folgen, können sie sicher sein, dass Sie das Thema mit der nötigen Ernsthaftigkeit intern platzieren können und Ihre Umsetzungschancen damit steigern. Viel Erfolg im Social Web!