Kompetenz im Umgang mit KI: Was müssen Firmen ihren Mitarbeitern vermitteln?

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In vielen Unternehmen gehören KI-Anwendungen längst zur täglichen Routine. Texte werden automatisch erstellt, Kundenanfragen von Chatbots bearbeitet, Bewerbungen vorab sortiert. Meist läuft das leise im Hintergrund, effizient, schnell, unauffällig. Aber mit der wachsenden Zahl automatisierter Entscheidungen steigt auch das Risiko, dass Inhalte ungeprüft übernommen oder Zusammenhänge falsch verstanden werden. Wer sich auf das Ergebnis verlässt, ohne die Methode zu kennen, handelt leichtsinnig. Spätestens wenn aus der Empfehlung ein Beschluss wird, braucht es mehr als technisches Vertrauen.
Ab Februar 2025 verlangt der europäische AI Act erstmals, dass Unternehmen ihre Mitarbeitenden im Umgang mit KI schulen, doch diese Vorgabe ist nicht nur eine rechtliche Formalität. Sie ist auch eine Chance, den eigenen Umgang mit digitalen Systemen zu hinterfragen, Wissen zu festigen und Fehler zu vermeiden, bevor sie entstehen.
Warum KI-Kompetenz nicht länger optional ist
Der AI Act bringt eine neue Klarheit in die Debatte um Digitalisierung. Unternehmen, die KI-Systeme verwenden, bereitstellen oder entwickeln, haben künftig die Verantwortung, ihre Beschäftigten mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten. Dabei geht es nicht nur um eine vage Idee von Technikverständnis, es geht um fundiertes Wissen über Chancen, Gefahren und den verantwortungsvollen Einsatz von lernenden Systemen.
Besonders im Fokus stehen sogenannte Hochrisiko-Anwendungen, etwa in Bereichen wie Medizin, Personalmanagement oder kritischer Infrastruktur. In der Praxis betrifft das aber längst nicht nur Spezialfälle. Denn auch in der Kundenkommunikation, im Marketing oder im Rechnungswesen werden längst KI-basierte Tools eingesetzt, deren Risiken sich erst dann zeigen, wenn es bereits zu spät ist.
Die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ist dabei nur die eine Seite. Der eigentliche Mehrwert entsteht durch den Sicherheitsgewinn, die Innovationsfähigkeit und die Unabhängigkeit im Umgang mit neuen Technologien.
Gefahren, die täuschend echt wirken
Täuschung durch KI ist keine Zukunftsvision mehr, sondern längst Teil des Geschäftsalltags. Deepfakes machen es möglich, realistisch wirkende Videos oder Audiodateien zu erzeugen, in denen vermeintliche Vorgesetzte Anweisungen geben oder Zahlungen freigeben. Die Grenze zwischen echt und manipuliert verschwimmt mit gravierenden Konsequenzen.
Besonders gefährlich wird es beim Phishing. KI-generierte E-Mails wirken glaubwürdig, sind auf den Ton des Unternehmens abgestimmt und enthalten oft korrekt recherchierte Informationen. Selbst erfahrene Mitarbeitende lassen sich dadurch in die Irre führen. Noch problematischer sind Anrufe mit künstlich erzeugten Stimmen, die vertrauliche Informationen erfragen oder sensible Handlungen auslösen.
Ein weiteres Einfallstor sind täuschend echte Rechnungen oder Mahnungen. Kriminelle nutzen KI, um authentisch aussehende Dokumente zu erstellen, inklusive Logos, Unterschriften und typischer Formulierungen. Besonders heikel ist der aktuelle Fall rund um behördliche Schreiben zum Online-Glücksspiel. Einige davon sind tatsächlich echt, werden jedoch häufig als Fälschung eingeschätzt. Umgekehrt zirkulieren Fake-Schreiben, die erschreckend echt wirken.
Solche Fälle zeigen, dass es nicht genügt, technische Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Es braucht ein hohes Maß an Sensibilität, ein geschultes Auge und klare Prozesse für den Umgang mit verdächtigen Vorfällen. Wer zum Beispiel über Lastschrift einzahlen will, sollte regelmäßig checken, ob die Beträge auch abgebucht worden sind und alles rechtens ist.
Was unter KI-Kompetenz wirklich verstanden werden sollte
Die Vorstellung, dass man eine KI bedienen können muss wie ein Entwickler, hält sich hartnäckig, ist aber grundlegend falsch. Im Kern geht es um ein funktionales Verständnis dafür, wie Systeme arbeiten, auf welcher Datenbasis sie Entscheidungen treffen und weshalb diese Ergebnisse nicht immer vertrauenswürdig sind.
Welche Fähigkeiten konkret gefragt sind, hängt stark vom Tätigkeitsfeld ab. Im Personalwesen etwa besteht die Herausforderung darin, Empfehlungen automatisierter Systeme einzuordnen, ohne sie als objektiv oder unfehlbar zu betrachten. In Vertriebsabteilungen müssen Mitarbeitende nachvollziehen können, auf welchen Grundlagen eine Kundensegmentierung beruht und in der IT liegt der Fokus auf Fragen wie Modelltransparenz, Datenqualität und Monitoring. KI-Kompetenz lässt sich deshalb nicht auf eine Standardlösung reduzieren. Sie ist kontextabhängig und verlangt sowohl technisches Grundverständnis als auch rechtliche Orientierung und eine gesunde Portion kritisches Denken.
Inhalte, die in keiner Schulung fehlen dürfen
Eine fundierte Schulung deckt mehrere Ebenen ab, so die technische, die rechtliche und die ethische. Erst das Zusammenspiel dieser Perspektiven ermöglicht einen souveränen Umgang mit der Technologie und die Schulungen können auch praktisch als E-Learning stattfinden.
Auf der technischen Ebene gehören Begriffe wie maschinelles Lernen, neuronale Netze oder Trainingsdaten genauso zur Grundausstattung wie das Wissen um sogenannte Halluzinationen, also um Inhalte, die von KI-Systemen erfunden werden, obwohl sie plausibel klingen. Vor allem Sprachmodelle neigen dazu, sich Fakten auszudenken, wenn keine zuverlässige Datengrundlage vorhanden ist.
Ergänzt wird das durch juristische Grundlagen. Unternehmen müssen vermitteln, was die neue Gesetzeslage verlangt, welche Transparenzpflichten gelten und wie sich Risiken zuverlässig identifizieren lassen. Auch Dokumentationspflichten spielen eine Rolle, etwa wenn es darum geht, im Nachhinein Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.
Damit diese Inhalte nicht zur bloßen Theorie verkommen, braucht es praxisnahe Formate, verständliche Beispiele und regelmäßige Auffrischung. Denn was heute noch als neu gilt, ist morgen schon veraltet und genau darauf müssen sich Schulungskonzepte einstellen.
Wie sich KI-Kompetenz im Unternehmen nachhaltig verankern lässt
Die Einführung von KI-Schulungen erfordert mehr als gute Absicht. Zunächst gilt es, die unternehmensspezifischen Anwendungsbereiche zu identifizieren und zu analysieren, welche Zielgruppen welche Inhalte benötigen. Aus der IT kommen andere Fragen als aus der Personalabteilung oder dem Vertrieb. Diese Unterschiede müssen sich in Aufbau, Tiefe und Methodik der Schulungen widerspiegeln.
Sinnvoll ist es, interne Ansprechpersonen zu benennen, die das Thema kontinuierlich begleiten. Diese sogenannten KI-Beauftragten sollten nicht nur Inhalte koordinieren, sondern auch Feedback sammeln und als Vermittler zwischen Technik und Praxis fungieren.
Ergänzt wird das Ganze durch praktische Tools wie Leitfäden, Checklisten oder Entscheidungsbäume, die im Alltag schnell zur Hand sind. Entscheidend ist aber vor allem der langfristige Charakter. Eine einmalige Veranstaltung reicht nicht aus. Nur durch Wiederholung, Anpassung und Integration in bestehende Prozesse kann KI-Kompetenz dauerhaft verankert werden.
Was passiert, wenn nichts passiert?
Die möglichen Konsequenzen unzureichender Schulung sind ebenso vielfältig wie drastisch. Juristisch drohen hohe Geldstrafen, etwa wenn der AI Act missachtet oder notwendige Maßnahmen unterlassen wurden. Zusätzlich können Unternehmen für Schäden haftbar gemacht werden, die durch fehlende Aufklärung entstanden sind.
Mindestens genauso schwer wiegt der Verlust an Vertrauen. Kunden, Partner oder Mitarbeitende erwarten, dass mit neuen Technologien verantwortungsvoll umgegangen wird. Kommt es zu einem Vorfall, ist der Reputationsschaden oft größer als der finanzielle. Gleichzeitig eröffnet sich durch eine vorausschauende Qualifizierung die Chance, technologische Entwicklungen selbstbewusst mitzugestalten. Wer frühzeitig in Know-how investiert, wird unabhängiger, agiler und kann digitale Werkzeuge sinnvoll in bestehende Prozesse integrieren.