Eyetracking – Erkenntnisse über Stellenanzeigen und Bewerbertypen
Das Verfassen von Stellenanzeigen nimmt im Alltag eines jeden Recruiters einen festen Platz ein. Im Laufe der Jahre hat jeder von diesen schon unzählige veröffentlicht und sicher auch den einen der anderen neuen Angestellten damit gefunden. Ergebnisse von Eyetracking-Studien haben nun aber gezeigt, dass viele der Stellenausschreibungen in ihrer Gestaltung nicht oder nur unzureichend für den potentiellen Bewerber aufbereitet werden. Im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt erleiden viele Arbeitgeber so unnötige Nachteile.
Zum einen ist dies auf die Geübtheit der Personalverantwortlichen im Umgang mit Stellenanzeigen zurückzuführen, welche zu mangelndem Bewusstsein für die Bedürfnisse ungeübter Leser führt. Zum anderen bestehen allerdings auch Unterschiede im Rezeptionsverhalten verschiedener Bewerbertypen, die erst mittels Eyetracking sichtbar gemacht werden können.
Eyetracking - Die Technik
Wenn das menschliche Auge etwas fixiert, nennt sich diese Augenbewegung Fixation. Hierbei werden visuelle Informationen aufgenommen und verarbeitet. Die Bewegung von einer Fixation zur nächsten nennt man Sakkade. Während einer Sakkade werden visuell keine neuen Informationen aufgenommen. Diese unterschiedlichen Blickbewegungen können mittels mobiler oder stationärer Eyetracker erfasst und auf das Gesehene übertragen werden. Eine Auswertung dieser Daten ermöglicht schließlich eine Aussage darüber, welche Elemente wann und wie intensiv betrachtet wurden. Jobware z.B. hat diese Technik 2013 in einer Studie dazu verwendet, 230 Studierenden und Berufserfahrenen auf Jobsuche eine Vielzahl von Stellenanzeigen vorzulegen und deren Blicke aufzuzeichnen. Auch das Portal Monster bestätigte ein Jahr später die Ergebnisse in einer eigenen Untersuchung.
Typische Fehler
Zunächst einmal wurde gezeigt, dass eine Vielzahl an Fehlern im Aufbau vieler Stellenanzeigen vorhanden ist. So weisen viele Anzeigen noch immer einen sehr hohen Anteil an Fließtexten auf, obwohl die meisten Bewerber Stellenausschreibungen querlesen. Auch wenn dies wie bei textlastigen Ausschreibungen nicht unterstützt wird, werden die Textelemente auf willkürlicher Basis überflogen. Serielles Lesen findet selbst dann kaum statt. Die zufällig erstellten Zusammenfassungen im Gedächtnis der Leser sorgen dafür, dass viele Informationen nicht erinnert werden und oftmals sogar ein völlig falsches Bild von der ausgeschriebenen Stelle entstanden ist. Doch auch die Nutzung von Aufzählungen ist nicht immer gleichbedeutend mit einer besseren Verständlichkeit. Werden überlange Listen erstellt, wird ein Großteil der Punkte missachtet.
Häufig werden auch an anderen Stellen die bewusste Blickführung und Möglichkeit zum Querlesen nicht unterstützt. Einspaltige Stellenanzeigen, insbesondere bei viel Inhalt, sind für den Leser schlecht erfassbar. Einige Informationen sind eventuell sogar erst bei weiterem Herunterscrollen sichtbar und werden so schnell übersehen. Wenn zusätzlich noch auf Mittel zur Hervorhebung wichtiger Informationen und Überschriften verzichtet wird, ist besonders wenig Orientierung für den Leser möglich. Viel zu oft wird nicht darauf geachtet, Informationen nach ihrer Relevanz zu beurteilen und entsprechend für den Leser innerhalb der Stellenanzeige zu platzieren.
In vielen Fällen wird auch auf eine Bebilderung zur Unterstützung des Informationstransports verzichtet. In anderen Fällen wiederum, werden zwar Bilder verwendet, diese stehen jedoch nicht eindeutig im Zusammenhang mit dem jeweiligen Unternehmen bzw. der Branche. Auch so kann ein falsches Bild der Stelle im Kopf des Lesers hängenbleiben. Werden passende Bilder verwendet, ist die richtige Platzierung das größte Problem. Aufmerksamkeitsstarke bzw. große Bilder ziehen den Blick des Lesers so stark auf sich, dass bei falscher Platzierung andere wichtige Informationen nicht wahrgenommen werden. Insbesondere bei Verwendung von Bildern mit vielen Gesichtern oder allgemein zu vielen Bildern springen die Blicke des Lesers sehr stark, ohne dass die Informationsverarbeitung gefördert wird. Dies kann kontraproduktiv sein.
Verschiedene Bewerbertypen
Neben den Schwächen vieler Anzeigen, haben neuere Studien auch interessante Erkenntnisse über die unterschiedlichen Bewerbertypen hervorgebracht. So zeigte sich beispielsweise, dass Wirtschafts- und Geisteswissenschaftler Ausschreibungen strukturierter betrachteten als Personen der MINT- Gruppe. Letztere sprangen sehr viel mehr zwischen einzelnen Elementen, betrachteten sie kürzer und übersahen durch die unstrukturierte Vorgehensweise eher Informationen. Frauen lesen zudem strukturierter als Männer, die gerne querlesen. Während die Männer eher am Unternehmensprofil interessiert waren, beschäftigten sich Frauen deutlich länger mit den Aufgaben und Voraussetzungen. Durch männlich klingende Stellennamen oder typisch männliche Eigenschaften in den Anforderungsprofilen ließen sich Frauen leicht abschrecken. Selbst das verbreitete „(m/w)“ ändert bei Stellen wie „Senior Manager“ nur wenig. Männern ist die Formulierung hingegen egal. Zuletzt konnten auch Unterschiede zwischen Absolventen und Berufserfahrenen ausgemacht werden. Letztere suchen auf Grund ihrer Erfahrung strukturiert nach Kerninformationen, während unerfahrene Absolventen eher orientierungslos vorgehen. Abgebildete Personen im Alter des Lesers bieten mehr Identifikationsmöglichkeiten für diesen.
Die 10 Gebote zur Erstellung von Stellenanzeigen
Fasst man diese Erkenntnisse einmal zusammen, lassen sich 10 Gebote zur Erstellung einer Stellenanzeige festhalten:
1. Das Querlesen wird durch den Verzicht auf Fließtexte und hervorgehobene Kerninformationen unterstützt.
2. Ein 2- bis 3-spaltiger Aufbau ermöglicht eine schnellere Übersicht der wichtigsten Inhalte.
3. Die optimale Länge für Aufzählungslisten umfasst 3 - 5 Punkte.
4. Elemente werden nach ihrer Wichtigkeit angeordnet („Das Wichtigste zuerst“).
5. Das Firmenlogo wird im oberen Bereich der Anzeige platziert.
6. Inhaltlich passende Bilder werden zur Unterstützung des Textes genutzt.
7. Bilder und Texte werden vertikal statt horizontal getrennt, Logo und Bilder eher integriert als nebeneinander verwendet.
8. Zu viele Bilder und Personen lenken vom wesentlichen Inhalt der Anzeige ab.
9. Die Gestaltung wird dem anvisierten Bewerbertypen angepasst.
10. Auf geschlechterspezifische Sprache, Anglizismen und unverständliche Ausdrücke wird
verzichtet.
Fazit
Insgesamt zeigt sich, dass bei der Gestaltung von Stellenausschreibungen viel falsch gemacht werden kann – und leider auch falsch gemacht wird. Die Zielgruppe einer Stellenausschreibung sollte immer Fokus stehen, genauso wie die schnelle Erfassbarkeit von Kerninformationen (Titel, Arbeitsort, etc.). Weniger hilfreich sind eine abwechslungsreiche Bebilderung und viel Text. Ein paar der zuvor genannten Faustregeln lassen sich schon recht einfach umsetzen und unterstützen sofort den besseren Lesefluss der Bewerber. So lassen die ersten qualifizierten Bewerbungen bestimmt nicht lange auf sich warten…
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