Die Gefahr von Präsentismus im Unternehmen

Was ist Präsentismus

Präsentismus beschreibt das Verhalten von Arbeitnehmern, die trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. Statt sich krankzumelden oder einen Arzt aufzusuchen, wird ins Büro gegangen – trotz der Gefahr Kollegen anzustecken, oder das eigene Wohlbefinden weiter zu verschlechtern. Es ist das Gegenteil des Absentismus, was die Abwesenheit von Mitarbeitern aufgrund einer Krankheit darstellt.
 
Mittlerweile wurden die ersten Erkenntnisse von Auren Uris zu diesem Thema aus dem Jahr 1955 widerlegt, die besagten, dass Mitarbeiter-Anwesenheit gleichzusetzen ist mit hoher Produktivität. Das Phänomen des Präsentismus zeigt deutlich, dass gesundheitliche Beschwerden bei der Arbeit zu teilweise massiver Einschränkung führen kann. Dies ist mit hohen Kosten und unternehmerischen Verlusten verbunden.
 
Die unterschätzten Folgen von Präsentismus

Präsentismus führt sogar zu höheren Kosten für Unternehmen als die gelegentliche krankheitsbedingte ​Abwesenheit von Mitarbeitern​. Arbeitnehmer bringen krank nie die volle Leistung. Sie sind unkonzentriert, fehleranfällig und weniger empathiefähig.
Die englische Krankenkasse Vitaly fand heraus, dass der Produktivitätsverlust durch Präsentismus der britischen Wirtschaft jährlich einen Schaden von mehr als 100 Mrd. US-Dollar zufügt. So zeigt diese Studie ebenfalls, dass der Ausfall produktiver Arbeitszeit zu 90 % dem Präsentismus zugeschrieben werden kann.
Eine weitere Folge des Präsentismus schadet dem Mitarbeiter selbst, der sich trotz Krankheit auf die Arbeit bemüht. So ist eine dänische Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit langfristig zu erkranken um 74 % steigt, wenn man öfter als 6 mal im Jahr mit einer Erkältung etc. zur Arbeit geht.
 
Dramatische Zahlen auch für die deutsche Wirtschaft

Vorab: Ein Zeichen dafür, dass das Thema Präsentismus nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient, sind die veralteten Zahlen
deutscher Studien zu diesem Thema. Die Ergebnisse sind dennoch nicht weniger alarmierend.
Auch die deutschen Studien bestätigen, dass gesundheitliche Beschwerden, die Mitarbeiter mit zur Arbeit bringen, die Produktivitätseinbußen gegenüber dem Fernbleiben der Arbeit um ein Vielfaches übersteigen. Für das Jahr 2009 beispielsweise lagen durchschnittliche Unternehmenskosten pro Mitarbeiter durch Präsentismus bei 2.399 € wohingegen die Kosten für den Ausfall durch Absentismus bei gerade einmal 1.199 € lagen.
 
Die häufigsten Gründe für Präsentismus

Warum so viele Arbeitnehmer trotz einer Erkrankung das Büro aufsuchen ist gut dokumentiert. Hier sind die sieben häufigsten Gründe, warum Präsentismus in Deutschland ein so reales Problem ist.
 
1. Kollegen entlasten
Oft wirkt der Gedanke abschreckend, dass Kollegen den eigenen Ausfall durch Mehrarbeit auffangen müssen. Stattdessen werden die Warnzeichen des eigenen Körpers ignoriert, was dazu führt, dass die kranken Arbeiter ins Büro kommen.
 
2. Arbeit soll nicht liegen bleiben
In vielen Unternehmen ist das Arbeitspensum so bemessen, dass es gerade so erreicht werden kann. Droht hier ein Ausfall durch Krankheit, würde dies bedeuten, dass Arbeit nicht fertiggestellt werden kann und nur unter Mehraufwand nach der Rückkehr aufgearbeitet werden muss. Somit führt der wahrgenommene Druck dazu, dass sich viele Mitarbeiter dazu entschließen lieber krank zur Arbeit zu erscheinen.
 
3. Vermeintliche Unentbehrlichkeit
Oftmals sehen sich Mitarbeiter selbst als Einziger in der Lage gewisse Tätigkeiten auszuüben. Dies kann tatsächlich der Fall sein, unter Umständen ist es allerdings auch nur eine subjektive Fehleinschätzung. Mit Sicherheit ist es jedoch ein Planungsfehler der Vorgesetzten, schließlich sollte für jede Tätigkeit, wenn möglich, eine Vertretung vorhanden sein.
 
4. Angst um den Arbeitsplatz
Mitarbeiter, die einem befristeten Vertragsverhältnis nachgehen, oder kurz vor einer möglichen Beförderung stehen, stehen häufig unter großem Druck. So befürchten diese, dass das Fehlen aufgrund einer Krankheit das Angestelltenverhältnis oder die Beförderung gefährden könnte.
 
5. Übliches Verhalten in der Firma
Unternehmenskulturen sind geprägt von unausgesprochenen Regeln, Verhaltensweisen und Strukturen. Wenn es normal ist, dass sich Vorgesetzte trotz massiver Erkältung ins Büro quälen, so werden es die Teammitglieder wahrscheinlich ähnlich machen. Diese Trends gilt zu erkennen und zu verhindern, statt sie selbst vorzuleben oder zu unterstützen.
 
6. Chef verlangt es
Das Thema Fehlzeiten ist in vielen Unternehmen ein negativ behaftetes Thema. In einigen Unternehmen werden Prämienzahlungen oder Zusatzleistungen nur dann (vollständig) ausgezahlt, wenn eine gewisse Anzahl von Fehltagen nicht überschritten wird. Diese Vorgaben lassen es für Mitarbeiter natürlich so erscheinen, als würde der Chef verlangen, krank zur Arbeit zu erscheinen.
 
7. Krankheit wird heruntergespielt
Auch ein „nur“ erkälteter Mitarbeiter kann in einem Großraumbüro schnell eine Krankheitswelle lostreten und die Produktivität einer gesamten Abteilung gefährden. Gesundheitliche Probleme sollten nie unterschätzt werden, besonders da in den letzten Jahren die Zahl von psychischen Erkrankungen stark zugenommen hat.
 
Wie kann Präsentismus vermieden werden?

Sobald das Risiko des Präsentismus erstmals erkannt wurde, gibt es einige Methoden, um dies zu reduzieren oder gar zu vermeiden.

1. ​Arbeitszeiterfassung
Eine Analyse der Überstunden kann Aufschluss darüber geben, ob das Arbeitspensum an manchen Stellen im Unternehmen möglicherweise zu hoch ist. So kann eventuell erkannt werden, dass eine Abteilung unterbesetzt ist und das Rekrutieren eines weiteren Mitarbeiters Abhilfe schaffen, bevor die Überbelastung zu einem gesundheitlichen Problem wird.

2. Arbeitsverträge überdenken
Die Gestaltung der Arbeitsverträge kann im Kampf gegen den Präsentismus ein wichtiger Faktor sein. Hier können Formulierungen geändert werden oder Zielvereinbarungen angepasst werden, die Mitarbeitern unterbewusst vermitteln, dass das Wohl der Firma der Gesundheit der Mitarbeiter übergeordnet wird.

3. Kranke Mitarbeiter nach Hause senden
Ein besonders einfacher, sowie effektiver Weg um Mitarbeitern zu zeigen, dass Präsentismus im Unternehmen nicht gern gesehen wird, wäre es kranke Mitarbeiter zu bitten nach Hause zu gehen und sich auszukurieren. Dies macht deutlich, dass Ihnen die Gesundheit der Mitarbeiter am Herzen liegt und zeigt ebenfalls, dass im Ernstfall der Ausfall einer Arbeitskraft kompensiert werden kann.

4. Pausenzeiten kontrollieren
Hiermit ist nicht gemeint, dass Mitarbeitern auf die Finger gesehen werden soll, die möglicherweise länger Pause machen. Vielmehr ist gemeint, dass darum gebeten wird, gesetzlich vorgeschriebene Pausenzeiten einzuhalten. Dies ist ein erster Schritt zu einer besseren Work-Life-Balance und signalisiert, dass eine ausgewogene Be- und Entlastung der Mitarbeiter die Grundlage für das Erreichen gesetzter Ziele ist.

5. Vorgesetzte mit Vorbildfunktion
Sensibilisieren Sie Führungskräfte im Unternehmen für die Thematik des Präsentismus. Erinnern Sie die Mitarbeiter an ihre Vorbildfunktion und bitten Sie diese ernst zu nehmen.
 
Fazit zum Präsentismus

Das Thema Präsentismus stellt eine unterschätzte und ernstzunehmende Bedrohung für das Wohl der Mitarbeiter, sowie für die Unternehmen dar. Um die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter zu fördern, sollte im Unternehmen der Standpunkt vertreten werden, dass „Arbeit trotz Krankheit“ keine Option ist. Werden Sie aktiv und treten Sie für die Interessen der Belegschaft ein und versuchen sie die oben genannten Tipps zur Vermeidung von Präsentismus bestmöglich umzusetzen.
 
Quellen:
Workforum
Baua