Arbeit 2030 – Arbeitsplatz der Zukunft
Fliegende Autos, autonome Siedlungen unter Wasser, Leben auf dem Mond und humanoide Roboter auf der Erde. Als Kind schaute ich mir allzu gerne bebilderte Sachbücher meines Vaters an. Darin: Zukunftsvisionen der 70er, die uns zeigen sollten, wie Menschen im Jahr 2000, 2010 oder gar 2020 leben würden. Rückblickend können viele dieser Zukunftskonzepte als verfrühte Träumereien abgetan werden.
Leider bin ich heute Morgen nicht zur Arbeit geflogen, leider schlafe ich heute Nacht nicht in meinem Haus unter Wasser und menschliche Roboter sind noch immer hochempfindliche Prototypen, die das Labor selten verlassen.
Auch im Jahre 2030 werden wir uns nicht mit dem fliegenden Auto auf den Weg zur Arbeit machen – begeben wir uns überhaupt auf den Arbeitsweg, oder arbeitet schon längst jeder von zu Hause aus? Diese und weitere Fragen möchten wir heute erläutern und im Kontext unserer Serie – Arbeit 2030 einen Blick in die Zukunft wagen.
Home-Office und Coworking – arbeiten ohne “echtes” Büro.
Um gleich die erste Frage aufzugreifen: Nein, es wird natürlich nicht allen wissensbasiert arbeitenden Mitarbeitern möglich sein, die Arbeit von zu Hause aus zu verrichten. Allerdings sind gerade “Büro-Jobs” einem Wandel unterworfen, der eng mit der Digitalisierung verknüpft ist. Die Anzahl physischer Arbeitsplätze wird sich pro zehn wissensbasiert arbeitenden Mitarbeitern auf acht bis sieben verringern – und das schon bis 2020!
Erst die digitale Vernetzung machte es möglich, zu Hause wirklich genauso produktiv zu arbeiten wie im Büro. Die Zeiterfassung erfolgt nun in einem Online-Tool und kann somit von überall eingetragen werden. Projekte können mittels Projektmanagementsoftware von verschiedenen Personen aus allen Ecken der Welt (Internetverbindung vorausgesetzt) koordiniert werden, und die Kommunikation erfolgt nun nicht mehr nur per Telefonkonferenz, sondern auch via Videocall oder Screencast. Diese Tendenz hin zum – durch Tools unterstützten – vernetzten Arbeiten wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Die Arbeitskräfte sind in ihrer Arbeit möglichst mobil und ortsungebunden. Zur Ergänzung des Home-Office entstehen immer mehr sog. Coworking Spaces, also Räume und Infrastruktur, die völlig verschiedenen Beschäftigten offen stehen können. Dort arbeiten Freelancer und „digitale Nomaden“ neben Mitarbeitern kleinerer Start-ups Seite an Seite. Im Optimalfall stellen sich in solch einer Räumlichkeit, durch die heterogene Struktur, Synergieeffekte ein.
KMU können ebenfalls von dieser Entwicklung profitieren. “Höhere raum-zeitliche Flexibilität ist zu einem wesentlichen Motivationsfaktor geworden.” so Prof. Dr. Hartmut Schulze von der FHNW (Institut für angewandte Psychologie) im Gespräch mit dem KMU-Magazin. Und weiter: ”Wir wissen aus unseren Studien, dass Mitarbeitende, die die Möglichkeit zu mobil-flexibler Arbeit haben, ihren Arbeitgeber attraktiver finden”. Prof. Dr. Schulze erkennt darin einen klaren Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, die flexible Arbeitsweisen anbieten, auch bezüglich Rekrutierung und Bindung ans Unternehmen. Mit Hilfe der oben genannten Tools wird die Implementierung von Home-Office und anderen flexiblen Arbeitsmodellen immer einfacher und kostengünstiger – auch für kleine und mittelständische Unternehmen.
Was ist mit den “traditionellen” Büros?
Vor allem grössere Konzerne oder junge Unternehmen verändern die Arbeitsumgebung auch am eigentlichen Standort (mehr dazu im nächsten Teil der Serie). Büros werden offener und gleichzeitig vielfältiger. Vielerorts werden Coworking Spaces in gewisser Weise imitiert, indem die Räumlichkeiten nun Begegnungsorte für Mitarbeiter verschiedener Abteilungen werden. Neue Impulse aus anderen Bereichen eines Unternehmens können dem eigenen Projekt eine ganz neue Dynamik verschaffen.
Serendipität heisst das Zauberwort.
Serendipität, also die zufällige Entdeckung von etwas ursprünglich gar nicht Gesuchtem, wird durch solche Begegnungen stark gefördert. Ob im Coworking Space oder im offenen Büro – das Prinzip der Serendipität kann oftmals unverhoffte Fortschritte liefern. So ist es kein Wunder, dass die Angebote für diese Art von Gruppenarbeitsräumen stetig erweitert werden. Deloitte befragte hierzu im Rahmen einer Studie zum Thema “Der Arbeitsplatz der Zukunft”zahlreiche Betreiber von Coworking Spaces. Demnach möchten 42% ihr Angebot in den nächsten zwei Jahren ausbauen. Das enorme weltweite Wachstumsolcher Angebote spricht ebenfalls eine eindeutige Sprache.
Nicht nur wo, sondern auch wann…
Flexibel und agil – beide Adjektive beschreiben nicht nur den Ort unseres zukünftigen Arbeitsplatzes, sondern auch die Einteilung der Arbeitszeit. Wie eingangs erwähnt, unterstützen z. B. Tools zur Zeiterfassung die räumlicheUnabhängigkeit. Sie können aber ebenfalls dazu beitragen, dass flexible Arbeitszeitmodelle vermehrt den Weg in die Praxis finden. Fast zwei Drittel wünschen sich nach einer Studie von IDG flexible Arbeitszeitmodelle. Nun ist es an den Unternehmen zu reagieren. Zumindest in der Schweiz können viele Unternehmen diesen Wunsch schon jetzt erfüllen – 61 % der Arbeitnehmenden können ihre Arbeitszeiten bereits flexibel einteilen.
Handlungsbedarf besteht trotzdem.
Handlungsbedarf besteht vor allem bezüglich der technischen Ausstattung des persönlichen Arbeitsplatzes. Jeder vierte Mitarbeiter beklagt sich nach der IDG Studie über die mangelhafte technische Ausstattung auf der Arbeit. Über 80 % sehen hier Verbesserungspotential! Wäre es an dieser Stelle nicht sinnvoll, sich an die Betroffenen zu wenden, also die Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess zum Arbeitsplatz der Zukunft mit einzubeziehen? Leider verzichten gut zwei Drittel der Unternehmen auf diese Möglichkeit.
Fazit: Digital und flexibel.
Denkt man daran, wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen könnte, kommt einem nicht der eine perfekte Arbeitsplatz in den Sinn. Die Zukunft wird immer vielfältigere Angebote bieten, um die anfallenden Tätigkeiten zu verrichten. Coworking oder Home-Office, flexible Arbeitszeitmodelle oder Freelancing – das Profil des klassischen Arbeitsplatzes, den man Morgen betritt und am Abend verlässt, verschwimmt zunehmend. Die altgedienten Einzelbüros werden zu Gunsten offener und vernetzter Räumlichkeiten aufgegeben. Spontane Begegnungen und dadurch angeregte Impulse – Stichwort Serendipität – können die Produktivität steigern.
Da dieser Transformationsprozess die Beschäftigten unmittelbar betrifft, sollte man ihre Stimme nicht ungehört lassen. Sonst kehren sich die erfolgsversprechenden Effekte von Coworking und Kollaboration schnell in Unverständnis und Demotivation um.