Der Ehrbare Kaufmann: Was ist nur aus ihm geworden?!

„Wir bitten um Entschuldigung und tun alles, um das Vertrauen unserer Kunden wieder zurück zu gewinnen. Und wir brauchen eine neue Unternehmens- und Führungskultur, damit diese Fehler nicht wieder passieren“. So der Aufsichtsrat der Volkswagen AG bei der Pressekonferenz am 25. September, bei der auch der Nachfolger, Matthias Müller, von Martin Winterkorn vorgestellt wurde.

Jetzt ist nicht nur bei Volkswagen das Entsetzen gross und wieder mal staunt die Öffentlichkeit über die dreisten Machenschaften innerhalb eines Großkonzerns. Von dem Leitbild und dem Verhalten eines Ehrbaren Kaufmanns scheinen die verantwortlichen Personen entweder noch nichts gehört zu haben, oder es war auf dem Weg zu kurzfristiger Gewinnmaximierung und für die eigene Karriere einfach nur lästig. Deswegen als kleine Erinnerung meine entsprechende „Übersetzung“ des Begriffes EHRBAR:

E = Ehrlichkeit

Menschen fällt es anscheinend immer schwerer, offen und ehrlich ihre Meinung und die Wahrheit zu sagen, weil sie entweder persönliche Vorteile behalten, oder entsprechende Nachteile vermeiden wollen. Genauso verhält es sich mit Manipulieren und Täuschen, von Stehlen ganz zu schweigen. Die entsprechende Hemmschwelle wird immer kleiner, der Weg von „Schwarzfahren“ zu Steuerhinterziehung, oder gefälschten Abgaswerten wird immer kürzer. Gerade weil es zu wenige positive Beispiele und zu viele Verlockungen hinsichtlich der erwarteten „Belohnungen“ gibt, sind Menschen in Führungspositionen besonders gefordert, die in Vergessenheit geratene Tugend der Ehrlichkeit nicht nur zu predigen, sondern vorzuleben und einzufordern. Und dies ganz besonders, wenn „Werte“ im Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit stehen, egal, ob Emissionen oder Finanzen.

H = Halten an Gesetze, Vorschriften, Regeln, Vereinbarungen.

Geht Hand in Hand mit Ehrlichkeit und ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, gerade für Führungskräfte und Unternehmer. Wie beim jetzigen Volkswagen Skandal sind aber die entsprechenden Verhaltensregeln oft nicht das Hochglanz-Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Wenn Konzerne Hunderttausende von Menschen beschäftigen – bei denen es auch nicht nur „Heilige“ gibt – dann müssen entsprechende Kontrollmechanismen nicht nur installiert sein, sondern laufend überwacht und angepasst werden. Wenn hier an der falschen Stelle gespart, oder sogar weggesehen wird, dann sind die aktuellen Ergebnisse und Auswirkungen schon vorprogrammiert.

R = Respektvoller Umgang mit Menschen.

Menschen machen den Unterschied, nicht nur bei VW. Um diese für einen entsprechenden Einsatz zu motivieren, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder „Management by Angst“ (vor dem Wettbewerb, einen Fehler zu machen/zuzugeben, Verlust der Position/des Arbeitsplatzes), oder Führung mit Wertschätzung und Vertrauen. Andere Menschen eben nicht herabwürdigen, bloss stellen und gemachte Fehler nicht als Versagen, sondern als Teil eines Prozesses akzeptieren. Wenn nur mit Angst/Druck geführt und jeder Fehler gleich als Riesen Katastrophe dargestellt wird, darf man sich anschliessend eben nicht wundern, dass  diese unter den Teppich gekehrt werden und nicht bis zur Unternehmensspitze vordringen. Und wenn Verantwortliche in den jeweiligen Führungsebenen hauptsächlich nach Erreichung ihrer individuellen Ziele (Umsatz, Ergebnis, Marktanteile, Einhalten von Kostenzielen,…) gemessen und mit horrenden Bonus-Zahlungen belohnt werden, ist diesen im Zweifel die Art und Weise der Zielerreichung auch egal.

B = Bescheidenheit

DAX-Vorstände verdienen bis zu zweihundertmal mehr, als ein „normaler“ Angestellter. Sie fliegen auch schon mal mit Hubschraubern von der Privat-Wohnung in´s Büro und übernachten in Luxus-Suites. Ihre Angestellten dürfen es sich bei Dienstreisen aber in der Tourist-Class „bequem“ machen und bei „Bed & Breakfast“ absteigen. Führungskräfte die so handeln, sind sich entweder nicht bewusst, wie verheerend sich so ein Verhalten auf das Engagement ihrer Mitarbeiter/innen auswirken kann, oder es ist ihnen schlichtweg egal. Natürlich sollen Spitzenkräfte gut verdienen, auch unter Berücksichtigung der besonderen Verantwortung und Belastung. Und wenn es dem Unternehmen gut geht, damit auch Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden, kann man entsprechende Einkommen in einem gewissen Rahmen auch akzeptieren. Ob es aber gerechtfertigt ist, Top-Manager, welche die Skandale zu verantworten haben,  nach Rücktritten auch noch mit Abfindungen und Pensions-Ansprüchen im zweistelligen Millionenbereich auszustatten, ist mehr als fragwürdig. Gerade, wenn dann die „Zurückgelassenen“ den angerichteten Schaden ausbaden dürfen, auch im Zweifel mit Verlust von Einkommen oder des eigenen Arbeitsplatzes.  

A = Achtung.

„Nicht nur an Umsatzzahlen und Produktionsziffern wird der moderne Unternehmer gemessen, sondern immer mehr auch daran, was er aus sozialer Verantwortung heraus bereit ist, für die Gesellschaft zu tun.“ Und wenn es um Verantwortung geht, würde ich diese Empfehlung von Werner Otto (Gründer der Otto Gruppe) zusätzlich um Achtung ergänzen. Natürlich ist der Kernzweck eines Unternehmers, eines Kaufmanns, die Erzielung eines angemessenen Gewinns, aber nicht aus purem Egoismus und „koste es was es wolle“. Rücksichtslose Ausbeutung von Menschen und Natur sind dabei ebenso zu ächten, wie das schamlose Ausnutzen der vom Staat und der Gesellschaft bereitgestellten Ressourcen und Einrichtungen.

R = Redlichkeit und Rückgrat

Jeden Morgen ohne rot zu werden in den Spiegel blicken können. Sich vor sein Team zu stellen und Verantwortung für Entscheidungen und Ergebnisse übernehmen, auch um Schaden von der Organisation abzuwenden. Und nicht den einfachen, aber unredlich erzielten Gewinn über nachhaltiges und sorgsames Wirtschaften stellen. Dies sind Charaktereigenschaften eines Ehrbaren Kaufmanns, der nicht nur von seinen Angestellten, sondern auch von Kunden, Wettbewerbern und der gesamten Gesellschaft geachtet wird. Oder einfacher ausgedrückt: Anstand!

Die Beurteilung des aktuellen Skandals und der handelnden Personen überlasse ich Ihnen, genauso, wie Ihr persönliches Verhalten in ähnlichen Situationen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass nur das Handeln wie ein Ehrbarer Kaufmann Vertrauen schafft, welches ja bekanntlich die Basis für nachhaltigen Erfolg ist. Und dies nicht nur in der Automobilbranche und nicht nur in der reinen Lieferanten-/Kundenbeziehung. Ach so, beinahe hätte ich es vergessen. Am selbigen Tag der VW-Pressekonferenz haben die Schweizer Behörden ein Strafverfahren „wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung” gegen den Fifa-Präsidenten Joseph Blatter eröffnet. Was der bloss für ein Auto fährt…?!

Der EHRBARE Kaufmann

E hrlich sein

H alten an Gesetze, Vorschriften und Vereinbarungen

R espektvoller Umgang mit Menschen

B escheidenheit

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