Diversity Management: Einige Erfolgsgeschichten der Synergiewerkstätten II + III

Bankamiz: Markterfolg Bottom-Up

Der Impuls für das Bankamiz Angebotskonzept kam vor ca. 4,5 Jahren von Ergün Akinci und den anderen türkischsprachigen Beratern der Deutschen Bank, die bis dahin äußerst erfolgreich mit türkischen Kunden zusammengearbeitet hatten. Durch deren besonderen Zugang über Sprache, Wertvorstellungen und Serviceverständnis erreichten sie große Erfolge. So entstand die Idee das Angebotskonzept "Bankamiz" (türkisch für "unsere Bank"), die Produkte der Deutschen Bank in ihrer Vermarktung, d.h. in ihrer Darstellung und beim Service durch die KundenberaterInnen, an die Be-dürfnisse und Wünsche der türkischstämmigen Bevölkerung anzupassen. Erleichtert wurde der Auf-bau von diesem besonderen Angebot durch das breite Verständnis für Vielfalt in der Deutschen Bank, welches durch die Aktivitäten des Global Diversity Office seit 1999 geschaffen wurde. Heute ist Bankamiz in knapp 60 Filialen der Deutschen Bank mit ca. 120 Beratern für über 80.000 Kunden da.

Deutsche BP: Kundenbedürfnisse erkennen

Veränderte Bedürfnisse der KundInnen zu erkennen, heißt, zu fragen: Welche Teile der Bevölkerung arbeiten, leben und kaufen in welcher Weise? Das inspirierte das Marketing der BP zu der Frage: Welche Kundengruppe kommt mit welcher Einstellung zur Tankstelle? Über Studien wurde festge-stellt, dass die Mehrheit der Frauen nicht gerne zur Tankstelle fährt. Daraus folgte: Die Tankstellen müssen anders gestaltet werden! Frauen bevorzugen helle und saubere Tankstellen, die sich durch frische Ware im Shopbereich auszeichnen und die keine provokanten Warenangebote im Kassenbe-reich platziert haben. An den Aral Stationen ist darauf reagiert worden, und der Erfolg gibt Recht!

IBM: Innovation durch multikulturelle Teams

Zum 16. Mal in Folge führt IBM 2008 die Liste der US-Patentanmeldungen an. Dies lässt sich sicher-lich auch darauf zurückführen, dass IBM eine langjährige Diversity-Tradition hat und die Teams in Forschung & Entwicklung seit jeher international besetzt sind: Top Shots aus überall in der Welt brin-gen ihre verschiedenen Perspektiven, Lösungsansätze und Verfahrensweisen mit ein, um gemeinsam innovative Ergebnisse zu erbringen. Nicht zuletzt deshalb hat IBM Innovationskraft als einen der Sy-nergieeffekte im Business Case verankert.

E.ON: Homosexualität als Normalität

Während andere Unternehmen noch vor dem Rätsel stehen, wie sie das tabuisierte Thema sexuelle Orientierung im Rahmen von Diversity Management angehen, ist es bei E.ON bereits Normalität. Vie-lerorts wird darüber diskutiert, ob sexuelle Orientierung nicht reine Privatsache ist und am Arbeitsplatz nichts zu suchen hat, ob man seine KollegInnen überhaupt darauf ansprechen darf, ob man damit manchmal religiöse Werte anderer verletzt, usw. Als erster Schritt ist ein Dialog zu beginnen, in dem jeder freiwillig dieses Thema ansprechen kann, aber auch die Freiheit hat, es als Privatsache zu be-handeln. Netzwerke wie bei Ford oder IBM, in denen sich Menschen gleicher sexueller Orientierung zusammentun, um sich gegenseitig zu unterstützen und als Sprachrohr zum Diversity Manager fun-gieren, können eine Plattform dafür sein, um irgendwann Normalität darüber zu erzielen. Dies ist E.ON gelungen: Eine lesbische Frau kann ein Bild ihrer Ehefrau auf dem Schreibtisch haben, von der Partnerschaft berichten und offen mit ihren KollegInnen damit umgehen. Dies fällt inzwischen schon gar nicht mehr als etwas Besonderes auf, sondern ist Büroalltag.

Deutsche BP: Offener Austausch über interkulturelle Missverständnisse

Deutsche sind berühmt für ihre direkte Art: Meinungen und Entscheidungen werden klar und deut-lich geäußert. Angehörige anderer Kulturen wie beispielsweise die Briten pflegen einen aus unse-rer Sicht höflicheren Umgang, der nicht zuletzt durch eine höhere Indirektheit geprägt ist. So wird Kri-tik oder Ablehnung nicht ausgesprochen – je weiter oben im Bildungsstand, desto subtiler fallen die Äußerungen dazu aus und desto schwieriger werden sie für Deutsche zu verstehen. Dies passierte auch in deutsch-britischen Meetings auf Entscheiderebene, in denen viel diskutiert, aber nach Mei-nung der vereinzelt deutschen Anwesenden keine Entscheidung getroffen wurde. Ein offenes Wort des Deutschen an den britischen Vorsitzenden des Gremiums, dass er Problem hätte, Entscheidun-gen zu erkennen, führte zum freundschaftlichen Agreement, dass in Besprechungen ab sofort die britische Seite explizit darauf hinwies: „This is now a decision“. Nicht nur Klarheit, sondern auch Ver-bundenheit und Empathie wurden damit angestoßen. Im Verlauf der Zusammenarbeit lernten die Be-teiligten immer mehr voneinander, so dass solche Hinweise hinfällig, aber aufgrund des freundschaft-lichen und humorvollen Umgangs als running gag beibehalten wurden.

Ernst & Young: Diversity Management ist Führungsaufgabe

Georg Graf Waldersee, Managing Partner GSA (Germany, Switzerland, Austria) bei Ernst & Young stellte fest, dass Diversity Management für global tätige Unternehmen von elementarer Bedeutung sei. Unternehmen, die die Vielfalt ihres Umfeldes widerspiegeln, können neue Kunden in aller Welt über-zeugender ansprechen, denn sie kennen deren Bedürfnisse besser und sprechen ihre Sprache. Des-halb ist Diversity auch als eine der sechs globalen Prioritäten bei Ernst & Young definiert. Seit einem Jahr ist Ana-Cristina Grohnert verantwortliche Partnerin für Diversity & Inclusiveness, die vor einem Monat Assistant Director for Diversity Inclusiveness Julia Tzanakakis an Bord holte. Doch liegt die Verantwortung für den Fortschritt von Diversity und die Zielerreichung ganz klar bei den Partnern. Die D&I Strategie, Maßnahmen und Ziele werden regelmäßig in Führungsgremien überprüft. Gemeinsam mit Führungskräften der unterschiedlichen Geschäftsbereiche werden Diversity-Ziele vereinbart, die klar nachgehalten werden – Fortschritte werden belohnt, Stagnation oder Rückschritte sanktioniert. Diversity ist somit ganz klar als Business Case in den verschiedenen Geschäftsfeldern bei den jewei-ligen Führungskräften verankert.

Ford: Die Diversity Scorecard zeigt Fortschritt beim Umgang mit Vielfalt

Die Diversity Scorecard wurde bei Ford bereits vor einigen Jahren eingeführt. Das europäische Diver-sity Council legt die europäische Scorecard fest, die vom deutschen Council und den funktionalen Bereichen wie Fertigung, Produktentwicklung und IT in funktionale/nationale Diversity Zie-le heruntergebrochen werden. Schließlich werden auf allen Führungsebenen in der Zielvereinbarung individuelle Ziele hinsichtlich Diversity vereinbart. In fünf globalen strategischen Ausrichtungen werden jeweils das Ziel, die Zielvorgabe, die Kennzahl und die Maßnahmen festgehalten und am Jahresende überprüft. Die Zielerreichung der einzelnen Bereiche in der jährlich stattfindenden Mitarbeiterbefra-gung werden in den funktionalen Bereichen veröffentlicht, um einen Anreiz und Vergleich zu schaffen. Die persönliche Zielerreichung der Führungskräfte ist gekoppelt an erfolgsabhängige Sonderzahlun-gen, so dass sich gute oder schlechte Leistung hinsichtlich Diversity in der Vergütung niederschlägt. Bei der strategischen Ausrichtung „Flexibles Arbeitsleben“ beispielsweise gilt das Ziel, Arbeitnehmern Flexibilität zu gewährleisten, um bestmögliche Arbeitsergebnisse zu erreichen. Fortschritte werden über die Mitarbeiterbefragung erfasst, wo eine spezielle Dimension aus verschiedenen Items hierzu berechnet wird. Jeder Bereich ist angehalten, jedes Jahr eine Verbesserung zu erzielen. Dass Diversity bei Ford gelebt und verstanden wird, zeigt sich an folgender Zahl aus der Mitarbeiter-befragung: 81 % der Belegschaft glaubt, dass Diversity sich auf den Geschäftserfolg auswirkt.

NDR: Kleine Schritte auf dem Weg zum nachweisbaren Erfolg

In den meisten Bereichen arbeiten bereits sehr viele Frauen, doch einige weisen einen sehr geringen Anteil auf. So entschied man sich seit 1992, in die Stellenausschreibungen für die Bereiche mit Frau-enunterrepräsentanz explizit den Satz „ Der NDR hat die Gleichstellung von Frauen und Männern zum Ziel. Deshalb sind Bewerbungen von Frauen besonders erwünscht.“ aufzunehmen. Dies erfolgte absolut kostenneutral, zeigte jedoch große Wirkung: Der Anteil der Bewerbungen von Frauen stieg sprunghaft an und führte dazu, dass Frauen vermehrt eingestellt werden konnten. Diese Erfolgsge-schichte zeigt, dass erstens Maßnahmen konkrete Wirkungen haben und zweitens kleine Änderungen in der Einstellung ohne kostenintensive Programme bereits Erfolge bewirken. Die Kommunikation dieser kleinen Schritte als Best Practices im Unternehmen befördert die Einsicht, dass gezieltes Di-versity Management die unternehmerischen Ziele unterstützt und in Zukunft verstärkt werden sollte.

Axel Springer: Über persönliche Interviews Probleme und Hindernisse erkennen

Zahlen wie Frauen pro Führungsebene werden schon lange erfasst, doch man erkannte, dass sich daraus kaum Aussagen über die Entwicklung einerseits und die Ursachen für mangelnden Fortschritt andererseits treffen lassen. Daher sorgte Astrid Westermann, Leiterin Koordination Personalentwick-lung und Mitglied im internen Arbeitskreis Chancengleichheit und Diversity, gemeinsam mit einer ei-gens gegründeten Projektgruppe dafür, dass inzwischen neben den Einstiegsgehältern und Funkti-onsbezeichnung auch die Verweildauer von Männern und Frauen auf den verschiedenen Führungs-ebenen erhoben wird, um zu erkennen, inwiefern sich die Karrieren zwischen den beiden Gruppen unterscheiden. Zudem wird nun in einem großangelegten Projekt auf qualitative Art und Weise er-forscht, warum Frauen beispielsweise länger auf einer Ebene verweilen. Hierfür werden Frauen gezielt für Interviews angesprochen – und die Teilnahme liegt bei 100 Prozent, d.h. jede der angesprochenen Frauen gibt Auskunft über ihre Situation und Beweggründe. Über diese Daten kann erkannt werden, wo die tatsächlichen Hindernisse für Frauen auf ihrem Weg nach oben liegen, und entsprechend rea-giert werden.

Henkel: Die Investition in Betriebskindergarten rentiert sich

Henkel unterstützt seine Mitarbeiter dabei, ihr berufliches Engagement mit ihrer persönlichen Lebens-planung in Einklang zu bringen. Für die deutschen Standorte beispielsweise legt die Arbeitsgruppe „Familie und Beruf“ Ziele fest und erarbeitet Lösungen. Besonderes Augenmerk kommt hier weiterhin der Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu. In diesem Bereich konnte das Angebot am Standort Düsseldorf im Jahr 2006 auf insgesamt 26 Betreuungsplätze mehr als verdreifacht werden. Bereits seit 1940 besteht die Gerda-Henkel-Kindertagesstätte in Düsseldorf-Holthausen mit nun 142 Plätzen. Henkel übertrug 1997 die Trägerschaft an die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Familienglobus gGmbH (= gemeinnützige GmbH), Düsseldorf. Diese vertrauensvolle, langjährige Zusammenarbeit wird auch in der neuen Kindertagesstätte „Kleine Löwen" mit insgesamt 85 weiteren Plätzen fortgesetzt. Diese zweite Kindertagesstätte wurde im Oktober 2008 eröffnet. Die durchschnittliche Dauer der Elternzeit von weiblichen Führungskräften hat sich in den letzten Jah-ren - nicht zuletzt durch die Bereitstellung von Kinderbetreuung und anderen familienfreundlichen Angeboten - von rund 2 Jahren auf 1 Jahr halbiert.