Personalbindung

engl.: staff retention

umfasst alle personalpolitischen Maßnahmen, mit denen das Commitment der Beschäftigten erhalten und damit ihre Qualifikationen und ihr Engagement für das Unternehmen gesichert werden.

Personalbindung kann sich aber auch allein auf die Sicherung der strategisch wichtigen Wissensressourcen durch die Speicherung in so genannten Wissenssystemen beziehen.

Für Unternehmen ergibt sich ein hoher Personalbindungsbedarf, wenn sich in ihrem Markterfolg vom persönlichen Wissen und Engagement ihrer Beschäftigten besonders stark abhängig sind und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter mit hohem Aufwand verbunden ist. Symptome für einen hohen Bindungsbedarf sind außerdem Gefährdungen durch ausgeschiedene Mitarbeiter, die als Konkurrenten im Markt auftreten, oder markante Ergebniseinbrüche nach dem Weggang einzelner Mitarbeiter.

Symptome einer mangelnden Personalbindung der Beschäftigten können sich sowohl im Verhalten als auch den Leistungen äußern:

  • Überdurchschnittliche oder wachsende Fehlzeiten und Fluktuationsraten im Branchenvergleich.
  • Hohe Konfliktneigung und Arbeitsniederlegungen verbunden mit aktiver Demotivation anderer Beschäftigter oder gezielter Schädigung des Unternehmens.
  • Hohe Fehlerraten in der Leistungserstellung und fehlende Initiative bei der Identifizierung und Beseitigung der Fehlerursachen.
  • Geringe Anzahl von Verbesserungsvorschlägen und eine generelle Neigung zu Änderungswiderständen.
  • Unerlaubte Nebenbeschäftigungen während oder außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit.
  • Geringe Loyalität der Beschäftigten gegenüber dem Unternehmen im Kontakt zu Kooperationspartnern und Kunden.
  • Geringes Interesse insbesondere an betriebsspezifischen Weiterbildungsangeboten des Unternehmens.

Maßnahmen der Personalbindung lassen sich danach unterscheiden, wie sie auf die Motivation der Beschäftigten, im Unternehmen zu verbleiben, wirken. Dabei unterscheiden Klimecki und Gmür (2005) vier Bindungsmuster:

  • Bindung durch Zwang: Sie besteht dann, wenn die Person überzeugt ist, keine Alternative zum bestehenden Beschäftigungsverhältnis zu haben, weil ein Ausscheiden mil untragbaren Konsequenzen verbunden wäre. Eine solche Situation liegt beispielsweise vor, wenn arbeitsvertraglich (-> Arbeitsvertrag) ein weitreichendes Konkurrenzverbot (-> Wettbewerbsverbot) für den Fall des Ausscheidens vereinbart wurde. Der Bindungseffekt ist für das Unternehmen zweischneidig: Ein Weggang des Mitarbeiters wird zwar nahezu ausgeschlossen; das Bewusstsein darüber kann aber zu Demotivation führen, wodurch sich der Nutzen des Mitarbeiters und seiner Fähigkeiten (-> Qualifikation) für das Unternehmen unweigerlich vermindert.
  • Bindung durch affektives Commitment: Die Bindung beruht hier auf Affekten und Emotionen (-> Aktionstheorie der Motivation), wie zum Beispiel Freude, Stolz, Zuneigung oder Dankbarkeit. Sie kann darauf beruhen, dass der Mitarbeiter die Produkte des Unternehmens attraktiv findet und sich damit identifiziert. Auch freundschaftliche Beziehungen zu Vorgesetzten oder Kollegen können affektives Commitment begründen, wenn diese Beziehungen in engem Zusammenhang zur Berufstätigkeit stehen.
  • Bindung durch normatives Commitment: In diesem Fall fühlt sich der Mitarbeiter dem Unternehmen, seinen Werten und Zielen oder den übrigen Beschäftigten gegenüber moralisch verpflichtet. Die normative Bindung nimmt eine mittlere Position zwischen der Bindung durch Zwang und der Bindung durch Affekte ein: Die Person fühlt sich zum Verbleib gedrängt und sie ist emotional verpflichtet, aber diese Verpflichtung ist an einen höheren Wert gekoppelt. Beispiele dafür können verwandtschaftliche Beziehungen oder familiäre Traditionen sein, auf denen das Angestelltenverhältnis aufbaut. Eine normative Bindung besteht jedoch auch, wenn sich eine Führungskraft während einer Krisensituation ihren Mitarbeitern gegenüber verpflichtet fühlt.
  • Bindung durch kalkulatives Commitment: Die Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen ist das Ergebnis einer Abwägung von Vor- und Nachteilen der aktuellen Beschäftigung im Vergleich zu alternativen Stellenangeboten. Kalkulative Bindung beruht auf der Überzeugung, bei einem Weggang Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, welche durch die in Aussicht stehenden Vorteile nicht aufgewogen werden. In diese Überlegungen fließen nicht nur finanzielle Gewinne oder Verluste ein, sondern auch Überlegungen bezüglich Sicherheit, Zugehörigkeit, Anerkennung oder Selbstverwirklichung (-> Bedürfnishierarchie). Eine solche Bindung kann sich auf ein überdurchschnittliches Gehalt, die Mitgliedschaft in einer Karriereseilschaft oder außergewöhnliche Freiräume in der Ausübung der eigenen Tätigkeit beziehen. Im Vergleich zu den drei anderen Bindungsmustern lässt sich eine kalkulative Bindung durch das Unternehmen am leichtesten steuern. Sie ist aber mit dem Nachteil verbunden, dass sie finanziell aufwändig ist.

Bindungsmaßnahmen können, unabhängig vom Bindungsmuster, auf fünf verschiedenen Ebenen ansetzen, die von der Gesamtorganisation bis zur individuellen Aufgabe reichen (Übersicht 1):

  • Bindung an das Unternehmen: Sie bezieht sich insbesondere auf die Produkte des Unternehmens und sein Image in der Öffentlichkeit, kann aber auch mit der Unternehmerpersönlichkeit und den von ihr vertretenen Werten (-> Normen und Werte) verbunden sein.
  • Bindung an den Unternehmensbereich und seine Position innerhalb des Unternehmens: Diese Bindung kann aus einer hohen Identifikation mit der Funktion des Bereichs und seinem Ansehen innerhalb des Unternehmens resultieren.
  • Bindung an die Arbeitsgruppe: Hiermit ist die Bindung an den Kreis der Kollegen, mit denen die betreffende Person persönlich zusammenarbeitet, gemeint. Die Bindung ist hier der Ausdruck einer starken Integration im Team.
  • Bindung an einzelne Bezugspersonen, die auf einer engen Zusammenarbeit oder persönlicher Freundschaft beruhen kann: Wichtige Bezugspersonen können neben der unmittelbaren Führungskraft auch ein Mentor (-> Mentoring) oder ein Kooperationspartner sein. Die Bindung kann sich beispielsweise aus einer besonders vertrauensvollen Beziehung, einer persönlichen Verpflichtung oder aus dem Kalkül heraus ergeben, mithilfe dieser Bezugsperson über außergewöhnliche Karrierechancen zu verfügen.
  • Bindung an die Aufgabe: Das heißt die Arbeitsinhalte sowie die Verantwortung oder das Prestige, die damit verbunden sind. Eine Bindung über die Aufgabe kann für eine Person auch in einem hochspezialisierten Qualifikationsprofil begründet sein. Das ist der Fall, wenn die Person über spezifische Qualifikationen verfügt, die für die jetzige Aufgabe wichtig sind aber in einer anderen Position nutzlos wären.

Übersicht 1: Ansätze der Personalbindung (Klimecki/Gmür 2005)

  Zwangsbindung Normative Bindung Affektive Bindung Kalkulative Bindung
Unternehmen und seine Produkte ein arbeitsver-tragliches Wett-
bewerbsverbot im Falle eines Ausscheidens
Betriebszugehö-rigkeit aufgrund familiärer Tradition die Identifikation mit attraktiven Produkten des Unternehmens Entgeltbestand-teile, die nach der Dauer der Be-
triebszugehörig-
keit berechnet werden
Abteilung und ihre Stellung eine Tätigkeit im Entwicklungsbe-
reich mit weit-
reichendem Ge-
heimhaltungs-
gebot
innere Verpflich-
tung gegenüber einem Unterneh-
mensbereich in einer Krisenphase
Stolz auf den Erfolg einer Abteilung, in der man selbst eine führende Rolle spielt persönlicher Status, der auf der Zugehörigkeit zu einer erfolgreichen Abteilung beruht
Team und Arbeitsklima Mitarbeit in einem zeitlich festge-
legten Projekt und Sanktionen bei vorzeitigem Austritt
Fuhrung eines Teams in einer laufenden Restrukturierung starke Einbindung in ein erfolg-
reiches Team
Mitgtiedschaft in einer karriere fördernden Seilschaft
persönliche Beziehung Mitarbeit auf-
grund streng sanktionierter verwandtschaft-
licher Verpflich-
tungen
Bestehen einer Mentorenbezie-
hung, die sich in einer kritischen Phase befindet
enge freundschaf-
tliche Bezie-
hungen zu Arbeitskollegen
ein enger Kontakt zu einer Füh-
rungskraft, von der intensive Förderung zu erwarten ist
eigene Arbeitsaufgabe eine hoch spezialisierte Tätigkeit, die nur in diesem Unternehmen möglich ist die Überzeugung, im Unternehmen persönlich unersetzbar zu sein hohe Zufrieden-
heit mit den Freiräumen welche die gegenwärtige Position erlaubt
eine Tätigkeit, die wesentlich auf betriebsspezi-
fischen Qualifika-
tionen aufbaut

Wie Butler und Waldroop in einer 1999 veröffentlichten Studie gezeigt haben, werden Menschen von insgesamt acht Grundinteressen angetrieben, von denen jeweils eines oder zwei bei einer Person im Vordergrund stehen:

  • Anwendung von Technologien.
  • Quantitative Auswertungen.
  • Entwicklung und Anwendung von Konzepten.
  • Kreative Entwicklung.
  • Beratung und Mentoring.
  • Steuern von Menschen und Beziehungen.
  • Kontrolle über Unternehmen oder Unternehmensbereiche.
  • Einflussnahme durch Sprache und Ideen.

Die Bindung an ein Unternehmen beruht dementsprechend darauf, dass die Person die Möglichkeit hat, in ihrer Tätigkeit ihre vorrangigen Interessen realisieren zu können.

Unter den Personalfunktionen sind vor allem die Gestaltung der Personaleinsatzpolitik, die Fort- und Weiterbildung, sowie die Anreizsysteme des Unternehmens für eine erfolgreiche Personalbindung von Bedeutung:

  • Personaleinsatz und Arbeitsorganisation: Aus der Perspektive des Bindungsziels sind Personaleinsatz und Arbeitsorganisation bedeutsam, weil damit auf Führungs- und Kooperationsbeziehungen Einfluss genommen wird. Mit einer Teamorganisation werden Voraussetzungen für enge Beziehungen geschaffen, die aber umso mehr Bestand haben, je länger ihre Dauer ist. Projektgruppen mit eher informellem Charakter und geringer Verbindlichkeit fördern dagegen die Tendenz zur Individualisierung und einer geringen inneren Verpflichtung des Einzelnen gegenüber dem Unternehmen oder dem Arbeitsbereich. Erfolge schreiben sich die Beteiligten dann ebenfalls individuell zu, während sie eventuellen Misserfolg auf die Rahmenbedingungen schieben, zu denen kein Bezug besteht. Gelingt die Einbindung des Einzelnen, wird der Erfolg eher dem Team attribuiert und Misserfolg als Anstoß zur Auseinandersetzung mit dem Problem aufgefasst.
  • Fort- und Weiterbildung: Maßnahmen zur Personalentwicklung wirken sich nicht nur auf die Einsetzbarkeit des Einzelnen im Unternehmen, sondern auch auf seinen Arbeitsmarktwert aus. Je spezifischer die vermittelten Qualifikationen auf die Anforderungen im Unternehmen ausgerichtet sind, umso geringer ist in aller Regel die Wirkung auf den individuellen Arbeitsmarktwert und damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Mitarbeiter bei einem anderen Unternehmen attraktivere Arbeitsbedingungen findet. Eine solche Gefahr besteht im Falle einer Verlagerung von engen Fachkenntnissen auf generalisierbare Basis- und Metaqualifikationen, weil damit die Mobilität (-> Beschäftigungsstabilität) erhöht wird. Diese Problematik lässt sich aber begrenzen, wenn beispielsweise die Maßnahme nicht individuell, sondern im Team durchlaufen wird.
  • Anreizsystem: Mit der Ausgestaltung des Anreizsystems können je nach Ausrichtung ganz unterschiedliche Ziele verfolgt werden: Leistungs- oder Anforderungsgerechtigkeit, soziale Ziele oder die Balance von Arbeitsmarktungleichgewichten. Eine personalbindende Wirkung wird dadurch erreicht, dass neben einem rein vergangenheitsbezogenen Leistungsentgelt zukunftsbezogene Optionen angeboten werden. Eine wenig differenzierte Variante ist das Senioritätsprinzip (-> Seniorität) der Entgeltgestaltung, wie es im öffentlichen Dienstrecht immer noch weit verbreitet ist. Innerhalb eines flexibilitätsorientierten personalpolitischen Rahmens lässt sich dieses Prinzip aber auch individualisiert anwenden. Die Bindungswirkung ist umso stärker, je höher die zu erwartenden Entgeltbestandteile im Vergleich zum aktuellen Gehalt sind und je stärker jene an einen Eigenbeitrag des Mitarbeiters gekoppelt sind. Außerdem haben gebundene Entgeltleistungen (z.B. in Form einer Kapitalbeteiligung) eine stärker bindende Wirkung als Geldzahlungen.

Die Bedeutung der Personalbindung als personalwirtschaftliche Kernfunktion gewinnt im Zuge der Deregulierung und Flexibilisierung auf den Arbeitsmärkten und der dadurch rückgängigen psychologischen Verbindlichkeit der Arbeitsbeziehungen zunehmende Bedeutung.