Corporate Governance

engl.: corporate governance

Gesamtheit der Regelungen und Mechanismen, die konstitutiv für die Leitung und Kontrolle von Unternehmen sind.

Corporate Governance-Systeme bestimmen, welche Interessengruppen in welcher Weise Einfluss auf wesentliche Unternehmensentscheidungen nehmen. Fragen der Corporate Governance treten immer dann auf, wenn es potenzielle Interessenkonflikte zwischen den beteiligten Anspruchsgruppen gibt. Die verschiedenen Bestandteile von Corporate Governance bilden ein System, das die Macht- und Einkommensverteilung zwischen den Interessengruppen regelt und Anreize für die Beteiligten setzt.

Traditionell stehen bei der Analyse von Corporate Governance-Systemen der Shareholder Value-Ansatz und damit die Interessen der Kapitalgeber im Vordergrund. Ausgangspunkt nach Shleifer und Vishny (1997) ist die Trennung von Eigentum und Kontrolle. Insbesondere bei großen Unternehmen ist es nicht üblich, dass die Mehrzahl der Anteilseigner aktiv am Management des Unternehmens beteiligt ist. Damit stellt sich das Problem, wie die Entscheidungen der Manager an die Interessen der Kapitalgeber gebunden werden können. Wenn die Ziele der Manager von den Interessen der Kapitalgeber abweichen, werden Manager vorhandene Entscheidungsspielräume dazu nutzen, um die Unternehmenspolitik an den eigenen Zielsetzungen wie der Minimierung des eigenen Arbeitsleids, dem eigenen Statuserhalt oder der Förderung der eigenen Karriere auszurichten.

Aufgabe eines Corporate Governance-Systems ist es im Shareholder Value-Ansatz, die diskretionären Spielräume von Managern zu begrenzen und laut Tirole (2001) Anreize zu schaffen, damit Manager die Interessen der Kapitalgeber bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.

Demgegenüber wird im Stakeholder-Ansatz gefragt, in welchem Umfang und auf welche Weise ein Corporate Governance-System nicht nur den Kapitalgebern, sondern auch, wie Blair und Roe (1999) betonen, anderen Interessengruppen einen Einfluss auf die Entscheidungen des Managements einräumt. Diese Betrachtungsweise schließt neben Kunden, Lieferanten und Gemeinden in der Nähe des Unternehmens insbesondere auch die Mitarbeiter ein. Mitarbeiterinteressen werden in vielfältiger Weise von Unternehmensentscheidungen berührt. Dies wird besonders deutlich, wenn Entlassungen anstehen. In diesem Fall sind Mitarbeiter nicht nur dann von Unternehmensentscheidungen betroffen, wenn sie arbeitslos werden. Haben Mitarbeiter in den Erwerb unternehmensspezifischer Qualifikationen investiert, dann können sie diese Qualifikationen bei anderen Arbeitgebern nicht mehr verwerten. In ähnlicher Weise können Mitarbeiter von internen Umstrukturierungen betroffen sein, wenn sich hierdurch ihre Arbeitsbedingungen und Einkommensmöglichkeiten ändern.

Beim Stakeholder-Ansatz ist zu unterscheiden, ob Interessenkonflikte aus einer Trennung von Eigentum und Kontrolle resultieren oder ob sie sich dadurch ergeben, dass die Interessen der Kapitalgeber mit den Interessen anderer Anspruchsgruppen kollidieren. Im ersten Fall führen die diskretionären Spielräume von Managern sowohl für die Kapitalgeber als auch für andere Anspruchsgruppen zu Problemen. Im zweiten Fall geht es um Interessenkonflikte, die sich auch in eigentümergeleiteten Unternehmen einstellen.

Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit von Unternehmen: Die Ausgestaltung eines Corporate Governance-Systems beeinflusst die Effizienz von Entscheidungen in den Unternehmen. Dies betrifft die Dauer des Entscheidungsfindungsprozesses sowie den Umfang, in welchem relevante Informationen in die Entscheidung einfließen und die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen Berücksichtigung finden. Kann das Management eines Unternehmens in hohem Maße Entscheidungen autonom treffen, dann führt dies auf der einen Seite zu zügigeren und flexibleren Entscheidungen, während auf der anderen Seite möglicherweise wichtige Informationen nicht berücksichtigt werden und die Entscheidungen mit den Interessen anderer Anspruchsgruppen kollidieren. Die Einbeziehung dieser Anspruchsgruppen führt dazu, dass mehr Informationen Berücksichtigung finden und Entscheidungen stärker an den Interessen dieser Gruppen ausgerichtet werden. Dem steht der Nachteil gegenüber, dass es zu langwierigeren Entscheidungsprozessen kommt und Anspruchsgruppen selektiv nur solche Informationen weitergeben, die ihre eigene Verhandlungsposition stärken.

Corporate Governance-Systeme beeinflussen auch den Umfang und die Allokation von Risiken. Dadurch, dass sie den Einfluss der Anspruchsgruppen auf Unternehmensentscheidungen regeln, legen sie fest, welchen Einfluss risikoaverse Anspruchsgruppen auf die Umsetzung von Projekten haben. Des Weiteren regeln Corporate Governance-Systeme, welche Anspruchsgruppen welche Risiken zu tragen haben. So wird das Management im Falle einer Erfolgsbeteiligung auch an den Risiken beteiligt, die mit einer unternehmerischen Tätigkeit einhergehen.

Corporate Governance-Systeme setzten Anreize und beeinflussen die Verhandlungsmacht der Anspruchsgruppen. Dies wirkt sich auf den Leistungswillen der Beteiligten und auf ihre Bereitschaft aus, beziehungsspezifische Investitionen zu tätigen. Da die getätigten Investitionen von Mitarbeitern in den Erwerb unternehmensspezifischer Qualifikationen bei Entlassungen obsolet werden, erhöht sich die Investitionsbereitschaft der Mitarbeiter, wenn sie davon ausgehen können, dass sie Einfluss auf entsprechende Unternehmensentscheidungen haben werden, um ihre Interessen schützen zu können. Umgekehrt werden die Anteilseigner des Unternehmens tendenziell nur dann bereit sein, Kapital zur Verfügung zu stellen, wenn sie erwarten können, einen substanziellen Anteil an den erzielten Wertsteigerungen des Unternehmens zu erhalten, und über eine hinreichend große Verhandlungsmacht verfügen, um ihre Interessen gegenüber anderen Anspruchsgruppen durchzusetzen.

Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive ist zu berücksichtigen, dass Unternehmen externe Effekte wie zum Beispiel Umweltbelastungen produzieren können. Corporate Governance kann einen Einfluss auf den Umfang der anfallenden externen Effekte ausüben, indem sie den hiervon Betroffenen Einflussmöglichkeiten auf relevante Unternehmensentscheidungen einräumt. Sind beispielsweise in der Nähe eines Unternehmens lebende Arbeitnehmer und ihre Familien von den Umweltbelastungen betroffen, dann können die Beschäftigten vorhandene Mitbestimmungsmöglichkeiten (-> Mitbestimmung) dazu nutzen, um verstärkten Umweltschutz im Unternehmen durchzusetzen. Zu fragen ist allerdings, welche Vor- und Nachteile diese Möglichkeit gegenüber staatlichen Umweltschutzregulierungen hat.

Elemente: Die verschiedenen Elemente von Corporate Governance beeinflussen, in welchem Umfang relevante Unternehmensentscheidungen an die Interessen der Kapitalgeber beziehungsweise an die Interessen anderer Stakeholder gebunden werden. Hierzu zählen die Kontrolle durch Haftung, Publizität, Stimmrechtsausübung und Aufsichtsgremien sowie eine erfolgsorientierte Entlohnung von Managern und die Disziplinierung durch Kapital-, Manager- und Produktmärkte. Diese verschiedenen Elemente werden die diskretionären Spielräume von Managern nur beschränken, jedoch nicht vollständig aufheben. Gegebenenfalls entfalten sie sogar kontraproduktive Anreizwirkungen.

Die Kontrolle durch Haftung ist in der Regel auf grob eigennütziges oder untreues Verhalten beschränkt. Durch Publizität können Informationsasymmetrien zwischen Managern und Anteilseignern beziehungsweise Stakeholdern abgebaut werden. Allerdings ist die Verarbeitung und Verteilung von Informationen an die verschiedenen Empfänger teuer. Zudem erhalten möglicherweise Wettbewerber Informationen, die zur Erosion von Wettbewerbsvorteilen eines Unternehmens führen.

Bei der Kontrolle durch Stimmrechtsausübung werden den Anteilseignern wichtige Beschlüsse zur Abstimmung vorgelegt. Die Mitglieder der Unternehmensleitung werden durch die Anteilseigner entlastet. Grenzen dieses Kontrollmechanismus ergeben sich daraus, dass kleinere Anteilseigner nur geringe Anreize haben, sich für eine effektive Kontrolle des Managements einzusetzen. In größeren Unternehmen wird eine intensivere Kontrolle des Managements an Aufsichtsgremien delegiert. In diesen Gremien können bei entsprechender gesetzlicher Ausgestaltung auch Vertreter anderer Stakeholder sitzen, um zu gewährleisten, dass das Management nicht nur die Interessen der Kapitalgeber, sondern auch die Interessen anderer Anspruchsgruppen berücksichtigt. Das Problem mit Aufsichtsgremien besteht jedoch darin, dass sie selbst wieder kontrolliert werden müssen. Aufsichtsgremien können mitunter recht passiv sein, solange keine extremen Umstände eintreten.

Durch eine Erfolgsbeteiligung sollen Manager Anreize erhalten, sich verstärkt für eine höhere Unternehmensleistung einzusetzen. Grenzen einer Erfolgsbeteiligung ergeben sich zum einen daraus, dass risikoaversen Managern hierdurch ein Einkommensrisiko aufgebürdet wird. Zum anderen stellt sich das Problem, ein geeignetes Maß für den Unternehmenserfolg zu finden, an welches die Vergütung von Managern geknüpft werden kann.

Bei der Disziplinierung durch Kapitalmärkte kommt zunächst die Gefahr einer feindlichen Übernahme des Unternehmens in Betracht, wenn das Management nicht im Sinne der Anteilseigner handelt und unzufriedene Anteilseigner bereit sind, ihre Anteile zu verkaufen. Nach erfolgter Übernahme wird das alte Management in der Regel durch ein neues Management ersetzt. Das Problem von Unternehmensübernahmen besteht darin, dass diese nicht nur aus Effizienz-, sondern auch aus Umverteilungsgründen erfolgen. Insbesondere können die mit der Übernahme einhergehenden Reorganisationsmaßnahmen zu tiefgreifenden Vertrauens- und Kooperationsverlusten bei der Belegschaft des Unternehmens führen.

Des Weiteren kommt Banken bei der Disziplinierung des Managements eine wichtige Rolle zu. Banken haben im Rahmen von Kreditwürdigkeitsprüfungen eine Informationserstellungsfunktion. Zusätzlich haben sie eine Kontrollfunktion, da sie die Unternehmen überwachen, denen sie Kredite gewähren. Diese Funktionen werden insbesondere dann begünstigt, wenn langfristige Beziehungen zu den Unternehmen bestehen. Probleme ergeben sich dann, wenn mit diesen langfristigen Beziehungen eine gesteigerte Verhandlungsmacht der Banken einhergeht, die sie für Umverteilungen zu ihren Gunsten nutzen.

Eine Disziplinierung durch Managermärkte basiert darauf, dass Manager im Wettbewerb miteinander stehen und eine schlechte Leistung ihre Karriereaussichten verringert oder zu ihrer Entlassung führt. Hierbei können sich auch kontraproduktive Anreizwirkungen ergeben, wenn Manager primär in das Wachstum des von ihnen geleiteten Unternehmens investieren, um ihre eigene Stellung abzusichern, oder aber wenn sie die Umsetzung innovativer Projekte meiden, um beim Scheitern der Projekte der Gefahr verschlechterter Karrierechancen zu entgehen.

Produktmarktwettbewerb wird eine wichtige Anreizfunktion zugeschrieben. Hiernach können Unternehmen nur dann im Wettbewerb bestehen, wenn sich das Management um verstärkte interne Effizienz bemüht. Verstärkter Wettbewerbsdruck kann jedoch auch zu Überinvestitionen bei der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie zu Vertrauensbrüchen zwischen Management und Belegschaft führen. Auf der anderen Seite können sich für Manager, die mit geringen Überlebenschancen ihres Unternehmens rechnen, Entmutigungseffekte einstellen.

Corporate Governance-Systeme: Die jeweilige Kombination der verschiedenen Elemente führt zu Corporate Governance-Systemen. In der Regel wird zwischen einem kapitalmarktdominierten System, wie es für die USA und Großbritannien charakteristisch ist, und einem bankendominierten System, wie es für Japan und Deutschland charakteristisch ist, unterschieden, wie Nickell (1995) betont. Im kapitalmarktdominierten System sind die Kapitalgeber nicht eng mit den Unternehmen verbunden, so dass Fusionen und auch feindliche Unternehmensübernahmen hier eher möglich sind. Im bankendominierten System pflegen die Unternehmen mit ihren wichtigsten Kapitalgebern und hier insbesondere auch mit Banken langfristige und enge Beziehungen. Feindliche Unternehmensübernahmen sind nur in Ausnahmefällen möglich.

Einflussmöglichkeiten der Belegschaft: Im bankendominierten System wird die Belegschaft beziehungsweise ihre Interessenvertretung in wichtige Unternehmensentscheidungen einbezogen. Dies ermöglicht es, dass Mitarbeiter ihre Präferenzen gegenüber der Unternehmensleitung zum Ausdruck bringen können (Voice), und fördert den Informationsfluss zwischen Management und Belegschaft. In der Bundesrepublik üben Arbeitnehmer Voice in Form der betrieblichen Mitbestimmung (-> Betriebsrat) sowie in Form der Mitbestimmung im Aufsichtsrat (-> Unternehmensmitbestimmung) aus. Der Vorteil für die Unternehmensleitung besteht darin, dass die Personalpolitik stärker auf die Präferenzen der Mitarbeiter ausgerichtet werden kann und langfristige Vertrauensbeziehungen zwischen Belegschaft und Management gefördert werden. Nachteile können sich daraus ergeben, dass grundlegende Umstrukturierungen nur schwer gegen den Widerstand der Belegschaft durchzusetzen sind.

Im kapitalmarktdominierten System fehlen solche umfangreichen Einflussmöglichkeiten. Für Mitarbeiter kommt verstärkt ein indirekter Einfluss in Betracht, indem sie ihre Unzufriedenheit mit der Personalpolitik eines Unternehmens durch Wechsel des Arbeitgebers zum Ausdruck bringen (Exit). Auf der einen Seite schaffen die geringen direkten Einflussmöglichkeiten von Mitarbeitern erhöhte Flexibilitätsspielräume für das Management bei grundlegenden Reorganisationsmaßnahmen. Auf der anderen Seite ergibt sich das Problem hoher Fluktuationskosten (-> Reaktionskosten). Insbesondere kann es schwierig sein, langfristige Vertrauensbeziehungen zwischen Belegschaft und Management aufzubauen.

Implikationen für die Personalpolitik: Insgesamt ist davon auszugehen, dass im bankendominierten Corporate Governance-System in stärkerem Maße solche personalpolitischen Instruments zum Einsatz kommen können, die langfristige Beschäftigungsverhältnisse erfordern. Hierzu zählen Beförderungen, Senioritätsentlohnung (-> Seniorität) sowie Investitionen in unternehmensspezifische Qualifikationen von Mitarbeitern.