Auslandsentsendung

engl.: foreign assignment, international assignment

zeitlich begrenzter und beruflich bedingter Auslandsaufenthalt, hervorgerufen durch die zunehmende Internationalisierung.

Der internationale Personaleinsatz betrifft vor allem Fach- und Führungskräfte im grenzüberschreitenden Einsatz multinationaler Unternehmen. Damit sind große räumliche Distanzen zum Stammhaus und ein fremdes soziokulturelles Umfeld verbunden. In der Regel beträgt die Entsendungsdauer drei bis vier Jahre, im angelsächsischen Sprachraum zwei bis drei Jahre. Neuerdings nehmen projektförmige Aufenthalte, die nur einige Monate dauern, zu, wie Kammel und Teichelmann (1994) feststellen.

Das internationale Personalmanagement ist stärker als das nationale mit sozialen Problemen konfrontiert. Unter den unternehmensexternen Einflüssen gewinnt besonders die kulturelle Dimension an Bedeutung. In diesem Zusammenhang werden die Besonderheiten interkulturellen Handelns wichtig. Die Psychologie hat sich dem Thema interkultureller Begegnungen im Kontext von Organisation bisher kaum gewidmet. Für dieses Themenfeld gibt es keinen übergreifenden theoretischen Ansatz, wohl aber interessante Ansatzpunkte. So wird versucht, einen Auslandsaufenthalt konzeptionell in die Transitionsforschung als Spezialfall einer "Transition" einzuordnen. Unter Transition wird dabei eine "Zäsur im Handlungsstrom" verstanden, die verschiedenste Erlebnisse beinhalten kann wie zum Beispiel "Arbeitslosigkeit oder Wohnortswechsel. Sie ist mit einer weitreichenden Umweltveränderung verbunden, die eine Umorientierung im Erleben und Verhalten erfordern. Das bislang aufgebaute "Passungsverhältnis" von Person und Umwelt muss neu konstruiert werden. So erweisen sich bei einem Auslandsaufenthalt zum Beispiel bislang bewährte Handlungsroutinen als nicht mehr ausreichend.

Auslandsentsendung beinhaltet Passivität auf der Seite dessen, der entsendet wird. Betrachtet man das Individuum in Organisationen aktiv handelnd, das nicht nur durch Sozialisationsmaßnahmen einseitig geprägt wird, sondern eigene Vorstellungen und Ziele einbringt, ist nach Kühlmann und Stahl (2001) auch für die Auslandsentsendung zu postulieren, dass hier stärker das Eigeninteresse und die Ziele des Mitarbeiters zu berücksichtigen sind.

Der Großteil der Forschung zu diesem Themenbereich lässt sich nach Kühlmann (1995) einer der folgenden vier Phasen einer Auslandsentsendung zuordnen: Auswahl, Vorbereitung und Training, Aufenthalt, Betreuung vor Ort und Rückkehr.

Auswahl Die Auswahlentscheidungen werden von Seiten des Unternehmens überwiegend aufgrund fachlicher Kriterien getroffen. Dieser Auswahlgepflogenheit liegt die Annahme zugrunde, dass jemand, der in der gewohnten Umgebung des Stammhauses erfolgreich war, dieses Verhalten auch in ganz anderen Umweltbedingungen realisieren kann. Bezogen auf die Auswahl von Führungskräften, erscheint dies aber problematisch: Forschungen zur interkulturellen Effektivität zeigen, dass gerade der Prototyp des westlichen Managers in anderen kulturellen Bedingungen zum Scheitern verurteilt ist. Versuche, Merkmale erfolgreicher Mitarbeiter festzuhalten, verweisen auf folgende Eigenschaften: Empathie, Respekt, Interesse an der Kultur und den Menschen des Gastlandes, Flexibilität, Toleranz, technische Fähigkeiten, Soziabilität, ein positives Selbstbild, Initiative und Offenheit. Studien zu Auswahlentscheidungen für Auslandspositionen nennen verschiedene erfolgskritische Anforderungsmerkmale:

  • Ambiguitätstoleranz (Fähigkeit in unsicheren und komplexen Situationen kompetent zu handeln),
  • Verhaltensflexibilität (Fähigkeit sich schnell auf geänderte Bedingungen einzustellen),
  • Zielorientierung,
  • Kontaktfreudigkeit,
  • Einfühlungsvermögen,
  • Polyzentrismus (Vorurteilsfreiheit) sowie
  • metakommunikative Kompetenz.

Wichtig ist jedoch, wie Kühlmann und Stahl (1998) betonen, vor allem die Fähigkeit und Bereitschaft, mit Vertretern der Gastkultur wirkungsvoll zu kommunizieren.

Über den idealen Zeitpunkt eines Auslandseinsatzes gibt es nach Kammel und Teichelmann (1994) unterschiedliche Auffassungen. Für einen Einsatz zu Berufsbeginn sprechen die Mobilität (-> Beschäftigungsstabilität) des Mitarbeiters und die geringeren Kosten. Dagegen steht, dass sich der Mitarbeiter im Unternehmen noch nicht bewährt hat und sich kaum den Unternehmenszielen verbunden fühlt.

Die Motivation der Mitarbeiter, ins Ausland zu gehen spielt eine wesentliche Rolle für ihr weiteres Engagement und nicht zuletzt auch für das Gelingen der Maßnahme. Ein wenig motivierter auslandsentsandter Mitarbeiter, der vom Stammhaus "verschickt" wurde, kann in der Auslandsniederlassung mehr Schaden als Nutzen stiften.

Oft wird auch die familiäre Situation des zu Entsendenden nicht berücksichtigt. In der Forschung hat sich jedoch die Familie als die kritische Größe für ein Scheitern eines Auslandsaufenthaltes herausgestellt: Wenn die Familienangehörigen im Ausland nicht zurechtkommen, wird am häufigsten der Aufenthalt vorzeitig abgebrochen.

Vorbereitung und Training: Zur Sensibilisierung für das Verhalten und den Umgang mit Angehörigen fremder Kulturen bedarf es gezielter Vorbereitung und Trainingsmaßnahmen.Trainingsinhalte sind traditionellerweise Fachwissen, Problemlöse- und Entscheidungstechniken, Einstellungen, Selbstbild und Sprachen. Relativ neu in der Personalentwicklung sind Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation, Kooperation, Teamarbeit zwischen Mitgliedern verschiedener Kulturkreise, wobei die Ziele interkultureller Trainings vor allem die Sensibilisierung für eine fremde Kultur, Förderung des gegenseitigen Kennenlernens, Fähigkeit zum Umgang mit Konflikten und Aneignung angemessener Handlungsstrategien sind.

Aufenthalt - Kulturschock und Betreuung: Der Entsandte und seine Familie sollten sich auch im Ausland zum Stammhaus zugehörig fühlen. Im Idealfall gibt es eine fachliche, eine administrative und eine psychologische Betreuung. Psychologische Betreuung besteht beispielsweise darin, soziale Netzwerke zu schaffen. Viele Firmen bestimmen im Stammhaus einen "Mentor" für den Entsandten, dessen Aufgabe darin besteht, dem Entsandten als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.

Nicht allen Entsandten gelingt es, sich problemlos an das Gastland anzupassen. Für extreme Anpassungsschwierigkeiten, die für gewöhnlich nach den ersten Monaten beginnen, wurde der Begriff "Kulturschock" geprägt. Dies bedeutet, dass stressähnliche Symptome auftreten können. Vielfach sind die Entsandten mit mehrdeutigen, unvorhersehbaren Situationen konfrontiert, die einhergehen mit einer Reizüberflutung und einem Gefühl (-> Emotionalität), die Situationskontrolle zu verlieren. Als körperliche Symptome können zum Beispiel Schlafstörungen und Appetitverlust auftreten, auf der Ebene des Erlebens gibt es Gefühle der Isolation und auf der Verhaltensebene erfolgt eine Abkapselung gegenüber den Einheimischen.

Der Kulturschock nimmt häufig folgenden Verlauf: Die erste Phase besteht aus Euphorie über das neue Land und seine Kultur. Dieser Phase folgt der Schock, wenn das normale Leben in einer neuen Umgebung beginnt. Der Fremde empfindet Unsicherheit hinsichtlich der passenden Verhaltensweisen. Dies erzeugt Stress und Gefühle von Hilflosigkeit. Die Phase der Akkulturation setzt ein, wenn der Fremde langsam gelernt hat, unter den neuen Bedingungen zu leben, Werte übernommen hat und in das neue soziale Netzwerk weitgehend integriert ist.

Ursachen für interkulturelle Konflikte sind unzureichende Kenntnisse der eigenen und fremden Verhaltensmuster, die unreflektierte Übertragung der eigenen Regeln auf ein anderes Normensystem, Ablehnung der geschriebenen oder ungeschriebenen Regeln und der Versuch, einem System die eigenen Regeln aufzuzwingen. Dies ist auch Ausdruck von ethnozentrischem Denken, das nicht in der Lage ist sich in eine andere Kultur hineinzuversetzen.

Die Regulierung derartiger interkultureller Divergenzen kann auf vier verschiedene Arten geschehen:

  • Beim Dominanzkonzept werden die eigenkulturellen Werte und Normen gegenüber der fremden Kultur als überlegen angesehen.
  • Beim Assimilationskonzept (-> Assimilation) werden die fremdkulturellen Werte und Normen bereitwillig übernommen, wobei die Anpassungstendenzen so weit gehen können, dass die eigene kulturelle Identität verloren geht.
  • Beim Divergenzkonzept werden die werte und Normen beider Kulturen als bedeutsam angesehen, wobei allerdings viele Elemente inkompatibel sind und zu ständigen Widersprüchen und Verunsicherungen führen.
  • Beim Synthesekonzept gelingt es, bedeutsame Elemente beider Kulturen zu einer neuen Qualität zu verschmelzen.

In der Praxis werden diese verschiedenen Konzepte je nach situativen Bedingungen und Traditionen eingesetzt. Sicherlich erscheint das Synthesekonzept als das auf lange Sicht effektivste, doch bedarf es dazu intensiven Trainings.

Will man das Ziel einer wirkungsvollen interkulturellen Zusammenarbeit erreichen, genügt es nicht, die eigene Kultur zu reflektieren und das Fremde zur Kenntnis zu nehmen, sondern es muss versucht werden, Eigenes und Fremdes aufeinander abzustimmen. Kulturelle Divergenzen können als Barriere wirken und die gegenseitige Verständigung erschweren, Differenzen können aber auch als leistungsförderliches Potenzial erkannt und zur Förderung synergetischer Effekte genutzt werden. Hierzu ist die Förderung interkultureller Kompetenz wichtig, die die Fähigkeit beinhaltet, bei der Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Kulturen in der Lage zu sein, deren spezifische Konzepte der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens und Handelns nachzuvollziehen und in das eigene Denken und Verhalten zu integrieren. Dieses erhöhte Verständnis für die andere Kultur wird von der interkulturell kompetenten Person dann in ein - dieser Kultur angemessenes - Denken, Fühlen und Handeln umgesetzt.

Rückkehr und Wiedereingliederung: Als ein Hauptproblem bei der Rückkehr gilt die Identifikation mit der neuen Arbeitsstelle im alten Unternehmen, denn in der Regel hat der Mitarbeiter im Ausland selbständiger gearbeitet. Er muss häufig ein Teil bisheriger Entscheidungskompetenzen abgeben. Hinzu kommen Sozialisationsschwierigkeiten am neuen Arbeitsplatz, denn es ist nicht immer leicht, für den rückkehrenden Mitarbeiter eine adäquate Stelle bereit zu stellen.

Idealtypische Beschreibungen der Wiedereingliederungen werden zumeist in Phasenmodellen dargestellt. Demnach kehren die Entsandten in einem Stimmungshoch zurück, danach kommt es jedoch zu einem zweiten Kulturschock ("Rückkehrschock"), weil man erkannt hat, dass sich in der Zwischenzeit auch einiges in Heimat geändert hat. Zu diesem Problembereich liegt aber noch wenig systematische empirische Forschung vor.

Für die vier Phasen einer Auslandsentsendung lassen sich folgende Defizite und Perspektiven festhalten: Für die Phase der Auswahl fehlt es noch an der wissenschaftlichen Fundierung der Auswahlkriterien. Ebenso wenig wird bislang die Rolle des Mitarbeiters und seiner Motive und Ziele berücksichtigt. Für die Phase der Vorbereitung und des Trainings fehlen Konzepte und Evaluationen für interkulturelle Trainings. Für die Phase des Aufenthalts gilt es, den Kulturschock mit einzubeziehen, Problemhilfen vor Ort anzubieten, die Rolle von Ehepaaren und Familie zu berücksichtigen, konkretes Wissen über das jeweilige Gastland bereitzustellen, geeignete Handlungsstrategien einzuüben und für die Kultur zu sensibilisieren. Für die Rückkehrphase ist eine verstärkte Nutzung und systematische Aufarbeitung der Auslandserfahrung nötig, wie sie in Transferworkshops geleistet wird.