Augmentationsthese

auch: Zuwachsthese

Zuwachs an Führungseffektivität, der bei bestehender transaktionaler Führung durch transformartionales Führen (-> Transformnationale Führung) erzielt werden kann (syn.: Zuwachsthese).

Transaktionale Führung kann als Tauschbeziehung (Transaktion) angesehen werden, bei der die zielbezogene Arbeitsleistung des Mitarbeiters mit der dafür vom Unternehmen - und seinen Führungskräften - gewährten Entlohnung ausbalanciert wird. Die Führungsbeziehung wird als "Geben und Nehmen" charakterisiert und fokussiert eher auf Prozesseffektivität als auf substanzielle inhaltliche Fortschritte bei der Problemlösungsfindung.

Dagegen bezieht die transformationale Führung die Persönlichkeit der Führungskraft, welche die Mitarbeiter zu einem höheren Leistungsniveau anregt, in ihre Betrachtung mit ein: Durch die Persönlichkeit der Führungskraft wird im Geführten eine Veränderung der Anspruchsniveaus angestoßen. In deren Folge verändert sich der Geführte im Hinblick auf seine Eigenmotivation selbst (es erfolgt eine "Transformation") und er setzt sich für Ziele ein, die über seine ursprünglich verfolgten Ziele hinausgehen. Es geht dem Geführten dann nicht mehr nur um das Erreichen vereinbarter Unternehmensziele, sondern auch um das Erarbeiten und Erreichen weiterer, mit der Führungskraft gemeinsam neu definierter Ziele. Somit kann aufgrund transformationaler Führung durch erhöhte Motivation ein Führungserfolg erzielt werden, der über die ursprünglichen Erfolgserwartungen der Führungskraft, die auf der rein transaktionalen Führung basieren, hinausgeht (Bass 1985).

Im Gegensatz zu Burns (1978) sieht Bass (1985) transformationale Führung damit nicht als Gegenpol zur transaktionalen Führung auf demselben Kontinuum an, sondern als ergänzendes Führungsmuster. Diese Augmentationsthese entwickelt Bass (1985) durch Analyse der vorhandenen Literatur und durch beispielhafte Darstellung historischer Führungskräfte wie John F. Kennedy, George Patton oder Charles de Gaulle samt ihrer (transformationalen) Führungseigenschaften. Sein Modell enthält vier Ausprägungen der transformationalen Führung:

  1. Charisma: Spezifische persönliche Ausstrahlungskraft einer Führungskraft, die sich auf das Leistungsverhalten der Mitarbeiter auswirkt.
  2. Inspirierende Motivation: Begeisterungskraft in Form emotional positiv belegter Zukunftsvisionen.
  3. Individuelle Wertschätzung: Fähigkeit (-> Qualifikation) der Führungskraft, jeden Mitarbeiter als Individuum zu behandeln, ihm Aufmerksamkeit entgegenzubringen und einzeln zu fördern.
  4. Intellektuelle Stimulierung: Fähigkeit zur Anregung der Mitarbeiter in Hinblick auf Ideenfindung, eigenständige Problemanalyse und -lösung.

Bass (1985) folgert aus den Beispielen erfolgreicher transformationaler Führungspersonen aus Politik und Gesellschaft, dass auch Führungskräfte der Wirtschaft einen verändernden Einfluss auf ihre Mitarbeiter ausüben können, um diese dadurch zusätzlich zu motivieren. Entscheidend ist die Beziehungsstruktur, die emotionale und intellektuelle Abhängigkeiten der Geführten von der Führungskraft mit einschließt.

Messtheoretische Basis für die Augmentationsthese ist der von Bass (1985) sowie Bass und Avolio (1990) entwickelte Multifactor Leadership Questionnaire (MLQ) als Teil des "Transformational Leadership Program" zur Messung, Bewertung und Entwicklung von Führungsverhalten. Der multifaktorielle MLQ beinhaltet Skalen zu den vier oben genannten Ausprägungen der transformationalen Führung sowohl zur Selbstbewertung als auch zur Fremdbewertung. Ergänzt werden drei weitere Skalen zur Erfassung der transaktionalen Führung: bedingte Entlohnung, passives Management by Exception sowie Laissez-Faire-Führung. Sie decken damit bewusst eine große Breite von Führungsverhalten ab, um ineffektive (bei ihnen: laissez-faire) von effektiver (bei ihnen: transformationaler) Führung zu unterscheiden. Dieses empirisch fundierte Messinstrument arbeitet mit einem leicht anzuwendenden Fragebogen (Scholz 2000) und erlaubt Aussagen sowohl über das Ausmaß transformationaler Führung als auch über Entwicklungsansätze hinsichtlich individuellen, gruppenbezogenen und organisationsbezogenen Führungsverhaltens.

Die Augmentationsthese wird durch eine Reihe von empirischen Studien wie beispielsweise von Geyer und Steyrer (1998), Lowe, Kroeck und Sivasubramaniam (1996) oder Felfe (2008) teilweise gestützt und gilt daher als nicht falsifiziert. Dennoch werden methodische Bedenken hinsichtlich der Messinstrumente geäußert, etwa zur problematischen Bestimmung der Skalen transaktionaler und transformationaler Führung. Weiter wird kritisiert, dass die Augmentationsthese ursprünglich weder die Aufgabencharakteristika noch die Führungssituationen, in denen transformationale Führung auftritt, ausreichend situativ differenziert. Dies hat Bass (1999) allerdings insofern ergänzt, als er die Bedingungen spezifiziert, unter denen die Wahrscheinlichkeit charismatischer beziehungsweise transformationaler Führung eher hoch oder niedrig ist. Eine hohe Wahrscheinlichkeit für transformationale Führung ergibt sich in einer variablen, kollektivistisch geprägten Umgebung, in organisch-proaktiven Organisationsformen mit dezentralen Entscheidungsstrukturen sowie bei komplexen Aufgaben, die Veränderungen implizieren und Offenheit für Innovation voraussetzen. Ein weiterer situativer Faktor ist laut Shamir und Howell (1999) das Entwicklungsstadium einer Organisation, wobei hier vor allem Gründungs- und Umbruchphasen die transformationale Führung begünstigen.

Die Bedeutung für die Führungsforschung und das Personalmanagement ergibt sich daraus, dass die Augmentationsthese das traditionelle, bis in die 1980er Jahre vorherrschende Rollenbild einer Führungskraft paradigmatisch hin zu einem "New Leadership" verändert, sowohl deskriptiv als auch präskriptiv: Die Führungsrolle (-> Rollentheorie) ist nach Bennis (1990) nicht mehr nur (und soll nicht mehr nur sein) das Managen von Mitarbeitern, sondern vielmehr das ganzheitliche Führen mithilfe von Inspiration und Innovation, das die Grenzen des durch Führung Erreichbaren immer weiter hinausschiebt. Gerade die sich durch eine solche Art der Führung ergebenden Teamstrukturen gelten nach Vaill (1978) als prädestiniert zu einer (sich selbst verstärkenden) Erreichung von Hochleistung. Letztlich werden die Mitarbeiter angespornt, selbstverantwortlich ihr Aufmerksamkeits- und Bewusstseinsniveau über Wichtigkeit und Wert der Arbeitsergebnisse und die Wege dorthin anzuheben, den Weg von der Verfolgung ihrer Eigeninteressen hin zu Team-, Unternehmens- oder Gemeinschaftsinteressen zu beschreiten und ihre Bedürfnisse in Richtung Selbstverwirklichung auszuweiten und so nicht mehr nur den Anweisungen der Führungskraft nachzukommen.