Welche Talentmanagement-Software passt für mich?

Das Talentmanagement selbst ist eine sehr junge Disziplin. So wundert es nicht, dass in vielen Fällen noch nicht einmal Einigkeit darüber besteht, was und wozu Talentmanagement überhaupt ist – geschweige denn, welchen Beitrag Software dabei sinnvollerweise leisten kann. Im Folgenden wird ein Orientierungsraster für die verschiedenen Software-Ansätze im Talentmanagement vorgestellt. Daraus ergibt sich je nach Sichtweise, was eine gute Software leisten muss und kann.

Die weit über hundert Anbieter von Talentmanagement-Lösungen lassen sich grob in drei Gruppen einteilen. Jede dieser Gruppen unterscheidet sich nach dem Verständnis, was Talentmanagement erfolgreich macht und mit welchen Mitteln man diesen Erfolg erzielt.

Die Quelle des Erfolgs im Talentmanagement

Manche Anbieter gehen davon aus, um erfolgreich zu sein müsse man Prozesse optimal gestalten und möglichst alle Ineffizienzen beseitigen. Beauftragt werden dafür meist Stabsabteilungen, idealerweise unterstützt durch Berater, die umfangreiche Konzepte zur Optimierung erstellen. Dieser Ansatz steht in der Tradition des Scientific Managements, in dem mit wissenschaftlichen Methoden Arbeitsabläufe optimiert wurden. Heute sind diese Methoden weit verbreitet in Produktionsplanung und –steuerung sowie in vielen finanziellen und administrativen Prozessen. Typischerweise sind es Software-Anbieter für Enterprise Resource Planning (ERP) oder Lohnabrechnung, die diesen Ansatz auch im Talentmanagement verfolgen.

Andere Anbieter wiederum sehen die Quelle des Erfolges in der Verbreitung von besten Methoden («best practices»). Das Hauptaugenmerk liegt im Auffinden derjenigen Organisationen, Teams oder Personen, die überdurchschnittlich erfolgreich sind. Die dort eingesetzten Methoden werden möglichst einheitlich und flächendeckend über die gesamte Organisation ausgerollt. Dadurch sollen alle anderen Organisationen, Teams oder Personen genauso erfolgreich werden. Dieser Ansatz wird typischerweise von US-amerikanischen Anbietern verfolgt.

Eine letzte Gruppe von meist noch relativ jungen Anbietern sieht die Quelle des Erfolges bei den Mitarbeitern selbst. Frägt man erfolgreiche Manager, was für den Erfolg eines Projektes entscheidend war, so kommt häufig die Antwort, es waren die beteiligten Mitarbeiter. Dies steht auch in der Tradition eines Peter F. Drucker, der viele Talentmanagementprozesse in der Verantwortung des Mitarbeiters selbst sieht. So soll durch Involvierung der Mitarbeiter die beste Passung zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeiter, der Organisation und auch der Situation ermöglicht werden. Diesen Ansatz findet man typischerweise bei Anbietern, die sich aus kundenorientierten Internetangeboten (z.B. Stellenbörsen, sozialen Netzwerken) entwickelt haben. Zunehmend versuchen sich auch Anbieter oder Teams an diesem Ansatz, die bereits mit einem der anderen Ansätze nicht den Nutzen erzielen konnten, den sie ihren Kunden versprochen hatten und einen Neuanfang wagen.

Der Weg zum Erfolg im Talentmanagement

Neben unterschiedlichen Überzeugungen, was Talentmanagement eigentlich erfolgreich macht, gibt es auch unterschiedliche Wege, diesen Erfolg erzielen zu wollen. In der Tradition des Scientific Managements versucht man, die optimierten Prozesse möglichst zu automatisieren. Durch die Automatisierung verspricht man sich eine effiziente, möglichst störungsfreie und eben optimale Umsetzung der definierten Konzepte. Der erste Gedanke an die beteiligten Mitarbeiter ist der, was die Beteiligten falsch machen könnten und wie man diese Fehler verhindern kann. Der Mensch als Fehlerquelle soll durch die Automatisierung ausgeschaltet werden.

Ein anderer Weg zum Erfolg liegt in der einheitlichen Ausrichtung aller Aktivitäten an zentrale Vorgaben. Die Argumentation läuft in etwa wie folgt: Das Top-Management investiert viel Zeit, die klügsten Köpfe und viele Ressourcen in die Entwicklung der besten Strategien. Häufig scheitern diese jedoch in der Umsetzung, weil die Mitarbeiter nicht genau wissen, was diese Strategien bedeuten und ihre Belohnungsmodelle nicht danach ausgerichtet sind. So ist der Weg zum Erfolg, die Strategien möglichst schnell und umfassend zu kommunizieren und alle Aktivitäten danach auszurichten. Richtiges Verhalten wird belohnt, falsches Verhalten bestraft. Das dahinterliegende Menschenbild sieht die Mitarbeiter als Ausführende, die möglichst durch Befehl und Kontrolle («command and control») in einer Linie gehalten werden sollen.

Ein dritter Weg zum Erfolg im Talentmanagement begründet sich in einer anderen Überzeugung. Häufig sind es die Mitarbeiter mit direktem Kontakt zu Kunden, Wettbewerbern und dem Markt, die schon viel früher und besser als das Topmanagement wissen, was die Firma eigentlich machen müsste, um erfolgreich zu sein. Wie häufig «verschlafen» Unternehmen wichtige Trends, die Mitarbeiter schon lange erkannt haben? Folglich ist der Weg zum Erfolg, Mitarbeitern Vertrauen entgegenzubringen, dass sie ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leisten wollen, können und dürfen. Dieser Ansatz bezieht Mitarbeiter als Gestalter ein und nutzt ihre Potentiale und Talente.

Die drei verschiedenen Ansätze im Talentmanagement

Durch die Beantwortung der zwei Fragen – nach der Quelle des Erfolges und dem Weg dorthin – spannt sich ein Raster verschiedener Konzepte auf. Natürlich verfolgt kein Anbieter von Talentmanagement-Software einen der Ansätze strikt, doch lassen sich sehr gut die Schwerpunkte festmachen.

Weltanschauung

Beleuchten wir die Unterschiede anhand konkreter Beispiele.

1. Stellenbeschreibungen

Ein zentrales Element von Talentmanagement-Lösungen ist die Stellenbeschreibung. Sie dient als Orientierungsraster für zahlreiche Talentmanagement-Prozesse. Wie entsteht nun eine Stellenbeschreibung in den verschiedenen Ansätzen?

In einem ERP-Ansatz definieren und optimieren HR-Abteilungen Jobfamilien und Rollen. Sie weisen jeder dieser Jobfamilien und Rollen gewisse Aufgaben, Kompetenzen mit notwendigen Ausprägungen und eventuell Ziele zu. Ein einzelner Mitarbeiter erhält seine Stellenbeschreibung automatisch aufgrund seiner organisatorischen Verankerung durch Vererbung und Zusammenführen der verschiedenen Rollen und Jobfamilien, für die er verantwortlich ist. So entsteht die optimale Stellenbeschreibung für den Mitarbeiter.

Vor allem US-amerikanische Anbieter bieten einen Katalog von tausenden «Best-practice» Stellenbeschreibungen an, aus dem der Vorgesetzte nur die richtige Stellenbeschreibung auswählen muss. Darin finden sich Aufgaben, Kompetenzen, Ziele und Leistungsindikatoren. So kann er sicher sein, dass er industrieweit die besten Stellenbeschreibungen für seine Mitarbeiter verwendet. Und das Unternehmen insgesamt, dass überall eine gleich hohe Qualität der Stellenbeschreibungen vorzufinden ist.

In dem Ansatz, in dem Mitarbeiter selbst den zentralen Beitrag zu ihrem Talentmanagement leisten sollen und dürfen, beginnt die Stellenbeschreibung beim Mitarbeiter. Sie oder er soll sich überlegen und durchdenken, was ihre Aufgaben sind, was ihr Beitrag zum Erfolg des Unternehmens ist, woran sie die Qualität ihrer Arbeit messen, welche Ziele sie sich stecken und in welchen Bereichen sie sich entwickeln sollten. Dies ist der wichtigste Bestandteil eines Talentmanagementprozesses. Die notwendige Denkarbeit kann niemand abnehmen – weder durch automatisierte Stellenbeschreibungen noch durch Vorlagen oder Vorgaben. Die Argumentation dafür ist die folgende: Wir leben in einer Zeit der Wissensarbeit, in der jeder täglich viele Entscheidungen zu treffen hat, die die Produktivität seiner Arbeit massgeblich beeinflussen. Deshalb benötigt jeder einen eigenen Kompass, um zu verstehen, was wichtig ist und was nicht. Nur so kann sie oder er durch die Fokussierung auf das wirklich Wesentliche die eigene Produktivität steigern und sich entsprechend ihren Wünschen entwickeln.

Stellenbeschreibungen

2. Beurteilungen

Ein weiterer anschaulicher Unterschied ist, wie Mitarbeiter beurteilt werden. Im ERP-Ansatz definiert man klar messbare Ziele. Die Beurteilung sollte sich idealerweise automatisch aus gemessenen Leistungsindikatoren berechnen. So hofft man auf eine möglichst objektive, unstrittige und faire Beurteilung. Viele US-amerikanische Anbieter verlangen von Vorgesetzten eine vorgegebene Verteilung der Noten. Maximal 10% der Mitarbeiter dürfen die beste Bewertung erhalten, mindestens 10% müssen die schlechteste Bewertung erhalten. Und um Vorgesetzten die Beurteilung zu erleichtern bieten diese Anbieter Schreibassistenten, welche die Beurteilung möglichst rechtssicher und mit besten Formulierungen erstellen. Anbieter des dritten Ansatzes sind der Meinung, dass die Beurteilung in erster Linie ein Urteil und keine Messung ist. Zuerst soll der Mitarbeiter sich selbst Gedanken machen, ob er denkt, seine Ziele erreicht zu haben. In der Beschäftigung mit den unterschiedlichen Urteilen des Mitarbeiters und der Vorgesetzten ergibt sich eine wertvolle Diskussion. Die Beurteilung dient in erster Linie der Entwicklung. Belohnungen werden nicht ausgerichtet, um Leistung zu erhalten, sondern um Leistung zu honorieren. «Pay for performance» und nicht «Pay to get performance».

Beurteilungen

3. Umgang mit Komplexität

Als letztes Beispiel soll der unterschiedliche Umgang mit Komplexität durch die Anbieter beleuchtet werden. Systemtheoretiker bestätigen, dass die Komplexität in der Realität nur durch ähnliche Komplexität in Systemen beherrscht werden kann. Aus diesem Grund sind ERP Anbieter in vielen Prozessen gezwungen, eine hohe Komplexität im System abzubilden – und machen dies auch in Talentmanagement-Prozessen. Ein gutes Beispiel sind komplexe, regelbasierte Genehmigungsprozesse. Der US-amerikanische Ansatz möchte möglichst einfache und handhabbare Prozesse, weshalb er die Komplexität der Realität reduziert. «One size fits all» ist eine pragmatische Lösung in einer straffen Organisation. Das analoge Beispiel ist die Festlegung genau eines Genehmigungsprozesses, unabhängig von dem konkreten Fall, dem Land oder der Situation. Der dritte Ansatz sieht die Komplexität der Realität als gegeben und in vielen Bereichen auch notwendig. Er möchte aber dennoch einfache Systeme zur Verfügung stellen. Dies erreicht er durch Einbezug der Mitarbeiter und indem er ihnen ein gewisses Vertrauen entgegenbringt. Im Beispiel des Genehmigungsprozesses kann der Mitarbeiter in Freitextfeldern die E-Mail-Adressen derjenigen Personen eintragen, die den Antrag zu genehmigen haben. Dieses Vorgehen ginge natürlich nicht in Finanzprozessen, aber in Prozessen des Talentmanagements ist dies ein wirksamer Ansatz.

Umgang mit Komplexität

Was muss eine Talentmanagement-Software leisten?

Abhängig davon, welchen Ansatz ein Unternehmen im Talentmanagement verfolgt, ist der eine oder andere Anbieter besser geeignet. Deshalb ist es hilfreich, sich die grundsätzliche Frage zu stellen: Sucht man schwerpunktmässig ein System, das optimiert und automatisiert, das multipliziert und ausrichtet oder das involviert und vertraut? Daraus ergeben sich bereits zahlreiche Anforderungen an die Software – und auch an das Talentmanagement im Unternehmen.

In unserem Verständnis muss ein Talentmanagement jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter dabei unterstützen, die eigenen Talente möglichst gut einzusetzen und zu entwickeln. Mitarbeitern erlaubt dies, in ihrer Arbeit zu wachsen, einen sinnvollen Beitrag zu leisten und Befriedigung in der Arbeit zu finden. Für Unternehmen entsteht dadurch eine höhere Produktivität und eine loyale Mitarbeiterschaft.

«Niemand ist ein Talent – jede und jeder hat Talente.»

Checkliste Software-Auswahl: Das muss Ihre Software können

Eine integrierte, modulare Lösung für

  • Bewerbermarketing und –gewinnung
  • Zielvereinbarung und Beurteilung inklusive Vergütung
  • Personalentwicklung und Kompetenzmanagement
  • Aus- und Weiterbildung
  • Nachfolge- und Karriereplanung
  • Vernetzung von Experten im Unternehmen und darüber hinaus.

Technische Anforderungen

  • einfache und intuitive Benutzeroberfläche
  • Zugang für Mitarbeiter und Vorgesetzte
  • laufende Weiterentwicklung (ideal: Software-as-a-Service)

Für den «People Contribution» Ansatz die fünf «F»

  • Freiwilligkeit – kein Zwang
  • Flexibilität – keine Tunnelprozesse
  • Fokus – nicht 100% abdecken
  • Freitext – nicht alles strukturieren
  • Fehlertoleranz – nicht alles verhindern