OnlineCoaching: Wenn nur der Text spricht

onlineCoaching ist eine ausschließlich textbasierte, zeitlich versetzte Beratung und kommt ohne die Begegnung von Angesicht zu Angesicht aus. Wie dies geht und welche Vorteile computervermittelte Kommunikation gerade für einen reflexiven Beratungsprozess bietet, wird im Folgenden gezeigt.

Wie es anfängt

Die meisten meiner Kundinnen und Kunden entscheiden sich für onlineCoaching aufgrund der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit. Sie leben im Ausland oder auf dem Lande, sind als Führungskräfte, Selbständige und Unternehmerinnen beruflich und privat zeitlich so eingespannt, dass sie diese Form des Coachings passend für ihre Lebensumstände und ihre Anliegen betrachten.

Auch die Suche nach einer Coach, die online arbeitet, gestaltet sich im Netz einfach. Man kann die Angebote prüfen und vergleichen und möglicherweise spielt es beim Betrachten der Web-Pages auch eine Rolle, ob „die Chemie stimmt“. Da sich die Kundinnen und Kunden dabei für das onlineCoaching und eine Coach entscheiden, fängt an dieser Stelle schon durch ein transparentes und professionelles Angebot der Aufbau des Vertrauens an. Um onlineCoaching sofort starten zu können, müssen alle relevanten Informationen zum Produkt wie die Beschreibung des Ablaufs, der Kosten, die Datenschutzmaßnahmen und das Beschwerdemanagement im Netz zur Verfügung stehen.

Eine webbasierte und verschlüsselte Kommunikation ist für diese datensensible Beratung unumgänglich. Da mir Struktur und Klarheit im Prozess wichtig sind, nutze ich seit Jahren als online-Beratungssoftware eine speziell adaptierte Version der webbasierten Lern- und Kursmanagementplattform Moodle. Sie ermöglicht mir individuelle virtuelle Räume einzurichten, darin bedarfsgerecht Diskussionsforen zu eröffnen - z.B. zu organisatorischen und inhaltlichen Themen - mit Diskussionssträngen und aussagekräftigen Überschriften zu strukturieren. Es gibt eine forenübergreifende Suchfunktion und es ist möglich, eine Datei direkt zu dem dazugehörigen Diskussionseintrag hoch zu laden. Die Plattform ist intuitiv bedienbar, unabdingbar für ein online-Angebot, das man von jedem Platz der Erde nutzen können soll. Sie bietet zudem die Möglichkeit einen virtuellen Extra-Raum einzurichten, indem „Gespräche“ z.B. zu dritt über den Kontrakt stattfinden können.

Die Hürde zur Kontaktaufnahme ist sehr niedrig: „Hallo Frau Koch, ich würde gerne Ihr online-coaching in Anspruch nehmen. Senden Sie mir direkt den Zugangscode für den virt. coachingraum zu oder brauchen Sie mehr Infos von mir? Mit freundlichen Grüssen…“ Meist wird allerdings mit der Anfrage auch schon das Anliegen formuliert. Dabei zeigt sich, dass die oft beklagte Offenheit im Internet für die Beratungssituation ein Vorteil ist. Die Zeit zwischen der Entscheidung in Form der Anfrage und der Einladung in den individuellen, virtuellen Coachingraum ist mit maximal zwei Tagen kurz bemessen, da wir keinen gemeinsamen Termin finden müssen und die Einrichtung auf der Plattform keine externen EDV-Fachleute erfordert.

Wie es weitergeht

Auch wenn onlineCoaching die gleichen Phasen durchläuft wie das Präsenzcoaching - von der Kontraktphase über die Bearbeitung der Themen bis zur Abschluss- und Evaluationsphase – ist der Prozess nicht auf mehrere Sitzungen verteilt, sondern es handelt sich vielmehr um einen zeitlich gedehnten Dialog, gleichsam nur um eine einzige Sitzung. Die Kundin bzw. der Kunde steuert die Frequenz der Kontakte nach Bedarf weitestgehend selbst. Zu Beginn der Kommunikation ist die Häufigkeit meist deutlich höher als gegen Ende des Prozesses. Als Coach reagiere ich auf eine Eintragung verlässlich innerhalb von 48 Stunden. Das muss noch nicht gleich eine Antwort sein, aber eine Rückmeldung, dass ich die neue Nachricht gelesen habe.

Auch die eingebrachten Anliegen sind vergleichbar mit denen im Präsenzcoaching. Es geht dabei entweder um eine anstehende Klärung und Entscheidung (wie z.B. Will ich bleiben oder gehen?, Was will ich beruflich?) oder um eine Rollenübernahme (z.B. als Führungskraft in einer neuen Position). Bei den Klärungs- und Entscheidungsprozessen ist der Leidensdruck meist sehr hoch und damit auch die anfängliche Kommunikationsfrequenz. Solche Prozesse dauern im Durchschnitt rund drei Monate, vereinzelt ist auch schon nach einer einzigen Intervention der entscheidende „Klick“ möglich. Bei Begleitprozessen einer Rollenübernahme ist eher der äußerliche Druck von Bedeutung und diese Prozesse sind meist von längerer Dauer. Bei solchen Anliegen kann es sinnvoll sein, feste Zeiten bzw. eine bestimmte Kommunikationsfrequenz für die Beschäftigung mit den anstehenden Themen zu vereinbaren, damit sie nicht im Arbeitsalltag untergehen.

Auch wenn es ein häufiges Motiv und der entscheidende Nutzen ist, durch onlineCoaching zeitlich und örtlich flexibel und unabhängig zu sein und einen einfachen und direkten Zugang zu Beratung zu finden, liegt hier nicht der wesentliche Vorteil von onlineCoaching. Wenn sich Menschen im Coaching durch eine intensive und systematische Förderung ergebnisorientierter Reflexionen und Selbstreflexionen verändern und entwickeln (vgl. Greif, 2008), dann besteht der größte Nutzen von onlineCoachings gerade in der zeitversetzten schriftlichen Kommunikation, im Schreiben und Lesen und in der damit verbundenen Langsamkeit des „gedehnten Dialogs“.

Was das Besondere ist: Schreiben und Lesen

Die onlineMitteilungen werden gelesen, wenn die Verfasserin bzw. der Verfasser nicht unmittelbar für Rückfragen verfügbar ist. Daher muss in den Texten alles stehen, was die Leser bzw. der Leser zum Zeitpunkt des Lesens wissen soll. Es muss alles mit Worten wiedergegeben werden, was sich im Präsenzcoaching z.B. über Akzent, Intonation und Pausen und die Wahrnehmung der Situation vermittelt. Diese Notwendigkeit des bewussten Textens fördert das Ausdrücken von Stimmungen und Gefühlen und ist damit immer auch eine Reflexion, sich über die eigenen Emotionen im Klaren zu werden. Das schnelle Tempo beim Sprechen fördert nicht das Überlegen, das Auswählen etc., beim inneren Sprechen verstehen „wir uns selbst leicht mit Andeutungen“ (Wygotski, 1977, S.337 ff). „Das Denken selbst als zeitlicher Vorgang, weitgehend unzugänglich im Mündlichen, weil es sich in der Äußerung stets als je schon vollzogenes präsentiert, wird im Verfahren der Schrift zerstückelt, gedehnt – und damit für Kontrolle und Planung disponibel.“ (Stetter zit. nach Steffen, 1995, S. 35) Es ergibt sich die Option des Nachdenkens über das eigene Denken und ermöglicht so Bewertung und Korrektur des eigenen Denkens.

Auch meine Kundinen und Kunden räumen dem Schreiben eine wesentliche Bedeutung ein: „... ich habe erkannt, dass ich im Schreiben schon reflektiere und die Dinge klarer sehe.“ Oder „So war ich gezwungen, meine Gedanken, Überlegungen auf den Punkt zu bringen. Ich konnte nicht, wie es leicht in einem Gespräch passiert, um den ‚heißen Brei herumreden’ oder auch eben gemachte Aussagen schnell wieder relativieren oder sonstige Tricks anwenden.“ Und „In der Regel antwortete ich nicht spontan, sondern ließ mir Zeit bei den Fragen etc. Ein innerer Dialog mit mir selbst fand statt, bevor ich die Quintessenz davon niederschrieb, wobei dann beim Schreiben an sich mir manches erst richtig klar wurde.“ Eine andere schreibt, nachdem sie ihre Mitteilung an mich aus Versehen gelöscht hatte: „...und überhaupt schreibt man/ich ja für mich selber.“

Auch wenn Kundinnen und Kunden manchmal selbst ihre sie behindernden Denkmuster beim Schreiben erkennen, so erwarten sie doch von mir Unterstützung bei ihren Anliegen. Viele fragen sich wie das gehen kann, wenn man als Coach „nur“ einen Text vor sich hat. Die sprachwissenschaftliche Kriminalistik geht z.B. davon aus, dass alle Verfasserinnen und Verfasser in ihren Texten Spuren von sich selbst hinterlassen, die es einem „durchaus ermöglichen, gewissermaßen durch ihre Textschöpfung in ihre Köpfe hineinzuschauen.“ (Drömmel, 2011, S.126) Für mich ist das Lesen der Textmitteilungen eine Form des Dialogs. Texte haben nicht nur eine äußere Form und einen Inhalt, sondern auch eine emotionale Wirkung und lösen eine Resonanz aus. Lesen ist nicht nur ein Entziffern von Zeichen, ein Verstehen von Sachverhalten, sondern eine aktive, konstruktive und kreative Tätigkeit, die durch gegenseitiges und empathisches Verstehen zum Begreifen von Texten führt. Das zentrale Merkmal des lesenden Gehirns ist die Zeit zum Nachdenken (vgl. Wolf, 2010, S.260).

Diese Zeit zum Denken schätze ich besonders an meiner Arbeit als onlineCoach. Manchmal habe ich den Impuls Sachverhalte nachzufragen, aber die zeitversetzte Kommunikation fordert mich heraus, mir sehr genau zu überlegen, was ich wirklich wissen muss für eine Intervention, die die Kundin oder den Kunden weiterbringt. Sie fördert eine dialogische Haltung: „Letztlich weiß ich nicht, wie deine Situation, deine Probleme zu verstehen sind und was eine angemessene Lösung sein kann; was ich weiß (Information über Fakten oder Konstrukte) und was ich zu erkennen meine und wie ich diese Wahrnehmung interpretiere, will ich dir gerne mitteilen, aber ob es für dich gültig ist, kann ich nicht wissen, und es bleibt deine Aufgabe, es zu überprüfen, es dir zu Eigen zu machen oder zu verwerfen.“ (Schmidt-Lellek, 2007, S.197).

Wie textbasierte Interventionen aussehen

Fragen, die zum Nach- und Umdenken anregen, sind meine Hauptinterventionen. „Ihre Fragen haben z.T. so gut auf den Punkt getroffen, dass sie mich über Wochen beschäftigt haben - dabei waren für mich am besten die provokativen, frechen Fragestellungen - die mich erst mal völlig aus dem Konzept gebracht haben. Ja es war manchmal so, dass Sie mir einen Knochen hingeschmissen haben und ich hatte erst mal daran zu kauen. Sobald dann aber der Moment des Erkennens kam, freute ich mich umso mehr ... denn ich selbst kam - ausgelöst durch Ihre Frage/oder Impuls auf den Punkt.“

Weitere wirksame Interventionen sind Rückmeldungen über die inneren Bilder, die bei mir beim Lesen der Texte entstehen. Durch die Beschreibung der Arbeitsanstrengungen eines Kunden entstand bei mir ein Bild eines Bauern. Es stellte sich heraus, dass die Großeltern einen bäuerlichen Betrieb hatten und die Bildprojektion setzte beim Kunden eine Auseinandersetzung mit dem prägendem Arbeitsethos seiner Familie in Gang.

Vor allem bei kritischen Rückmeldungen hat es sich gezeigt, dass ein Bild, eine Metapher, sehr anregend und einladend sein kann, sich mit einer anderen Sichtweise auseinander zu setzen, wenn z.B. eine berufliche Partnerschaft als unglücklichen Liebesbeziehung beschrieben wird.

Nicht immer ist eine Metapher zielführend und ein klares Feedback ist notwendig. Eine deutliche Spiegelung auf der Basis der Postings („Reden Sie genauso viel wie Sie schreiben?“, „Eine Hypothese kann sein: Sie sind depressiv: http://www.Link-zu-einem-Selbsttest-für-Betroffene. Könnte das sein?“) löst natürlich Betroffenheit aus „Puh, das geht ganz schön in die Tiefe“. Trotzdem setzen sich die Kundinnen und Kunden damit ernsthaft auseinander und kommen zu eigenen Erkenntnissen. Gerade die räumliche Distanz - dass ich ihnen nicht gegenübersitze und in die Augen schaue, dass sie sich in einem geschützten Raum befinden und sich damit ungestört beschäftigen können - fördert ein „Mit–sich-selbst-in-Beziehung-gehen“ und ermöglicht leichter eine unangenehme Selbsterkenntnis als beim Präsenzcoaching.

In den Texten zeigen sich auch Ressourcen meiner Kundinnen und Kunden, die sie selbst (noch) nicht an sich wahrgenommen haben. „Manchmal war ich schon sehr verwundert, was Frau Koch alles aus meinem Schreiben las. Ich hatte zwischendurch das Gefühl, sie kann "hell"-lesen und sie holte damit etwas ins Bewußtsein, was ich vorher nicht sehen konnte.“

Wer einwendet, dass viele Interventionsmöglichkeiten im onlineCoaching nicht möglich sind, dem möchte ich entgegenhalten, dass sich weitaus mehr einsetzen lässt, als man vielleicht erst einmal denken mag, wie z.B. die Arbeit mit dem inneren Team, Rollentausch oder das Meta-Modell der Sprache (NLP). Andererseits kann und muss man als Coach auch vieles vertrauensvoll in die Hände der Kundinnen und Kunden legen. So kann ich z.B. als Feedbackgeberin gut ergänzt oder ersetzt werden durch Personen aus ihrem Umfeld und Übungen können auch eigenständig durchgeführt werden.

Wie eine tragfähige Arbeitsbeziehung entsteht

Wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind und sich nun vorstellen können, das onlineCoaching vielleicht wie ein kluges Tagebuch funktioniert, so haben Sie vielleicht doch noch Zweifel, wie virtuell und zeitversetzt eine tragfähige Arbeitsbeziehung aufgebaut werden kann. Dies ist deshalb von großer Bedeutung, weil Ergebnisse der Psychotherapie-Forschung zeigen wie wirksam die Qualität der Beziehung und die Person der Therapeutin bzw. des Therapeuten ist (de Haan, 2008). Und wenn von der Qualität der Beziehung die Rede ist, dann auch von der Qualität des Kontakts. Die Qualität des onlineCoachings hängt darum entscheidend davon ab, wie ein Kontakt hergestellt wird, ohne sich zu sehen, zu hören, zu riechen und berühren zu können.

„Mit ‚Kontakt‘ scheint es sich zu verhalten wie mit der ‚Zeit‘, von der Augustinus schon sagte, er wisse was sie sei, aber wenn er es sagen solle, wisse er es nicht mehr.“ (Buchholz & von Kleist, 1997, S.16) Darum ist das empirisch überprüfte Modell zum dyadischen Vertrauen von Mayer et al. (Winkler, 2012) hilfreich, das drei Faktoren nennt, um die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit einer Person zu beschreiben: Die wahrgenommene Kompetenz, das wahrgenommene Wohlwollen und die wahrgenommene Integrität einer Person.

Als onlineCoach muss ich davon ausgehen, dass sich meine Kompetenz nicht nur auf meiner Homepage ausdrückt, sondern auch in all meinen Spuren im Netz ihren Niederschlag findet. Meine schriftliche Sprachkompetenz ist z.B. auch erkennbar in Mitteilungen auf Social Networking Plattformen und unüberlegte Postings können dazu führen, dass ich nicht als integer wahrgenommen werde. Integrität als onlineCoach bedeutet auch sehr verlässlich zu sein - z.B. die vereinbarten Reaktionszeiten einzuhalten, um den Kundinnen und Kunden Sicherheit im virtuellen Raum zu geben.

Wie ist es nun möglich, dass online auch mein Wohlwollen wahrgenommen wird, wenn meine Mimik, Gestik und Körperhaltung nicht zu sehen sind? Ich setze dabei v.a. auf explizite Formulierungen „…vielen Dank für Ihre Anfrage und das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen! :-)“ Das liest sich jetzt vielleicht etwas banal, aber auch bei schriftlicher Kommunikation können Informationen auf der Beziehungsebene wahrgenommen werden (Stokar von Neuforn, 2007). Auf Grund meiner Erfahrungen gehe ich inzwischen davon aus, dass meine Kundinnen und Kunden spüren, ob ich z.B. wirklich berührt bin und nicht lediglich Floskeln niederschreibe. Ich benutze außerdem Emoticons, die nicht nur eine Metabotschaft, sondern eine persönliche Note ausdrücken und dazu führen „wärmer“ und „freundlicher“ eingeschätzt zu werden (Taesler und Janneck, 2010, S.380.) Ich schreibe zwar medial schriftlich aber oft konzeptionell mündlich, d.h. ich benutze eine sprechsprachliche Ausdrucksweise. Man hört zwar nicht wie ich spreche, aber ich werde gewissermaßen persönlich sichtbar, indem ich auch mal bayerisch schreibe, meist eine norddeutsche Begrüßung wähle, die Visualität der Schrift ausnutze und das aktuelle Wetter und die Himmelsrichtung („sonnige Grüße aus dem Norden“) meist nicht unerwähnt lasse.

Die Coachingbeziehung ist eine virtuelle, aber dennoch eine höchst reale. Die räumliche und zeitliche Distanz bedeutet nicht auch eine emotionale Distanz zwischen mir und meiner Kundin bzw. meinem Kunden. Untersuchungen zur therapeutischen Beziehung in der Online-Therapie haben gezeigt, dass die therapeutische Beziehung im Internet sogar als besser eingeschätzt wurde als in vergleichbaren ähnlichen Face-to-face-Sprechzimmertherapien (Wagner & Maercker, 2011). Vielleicht liegt es gerade an dem Möglichkeitsraum, den das onlineCoaching bietet. Wir können ja trotz großer Bemühungen nicht verhindern, dass z.B. die optische Wahrnehmung unseres Gegenübers zu Vorurteilen führt, die dann wiederum unsere weitere Wahrnehmung steuern. Der virtuelle Raum macht förderliche Idealisierungen möglich: Meine Kundin bzw. mein Kunde findet, dass ich eine sehr gute Coach bin und ich denke, meine Kundin oder mein Kunde hat viel Potential und ist besonders lern- und veränderungsfähig. Aber um wirklich zu verstehen, welches Verhalten im virtuellen Raum als vertrauenswürdig und als Präsenz erlebt wird, empfehle ich immer „in den Mokassins einer Kundin oder eines Kunden gegangen zu sein“, also selbst einmal ein online Coaching in Anspruch genommen zu haben.

Das gesprochene Wort ist flüchtig, nicht so der Text im onlineCoaching. Man kann nachlesen, die eigene Entwicklung verfolgen, sich Wichtiges kopieren, speichern oder ausdrucken. „Persönlich fand ich es sehr spannend meine Texte später zu lesen, zeigten sie mir doch meine Entwicklungsschritte. Ich hatte es schwarz auf weiß, dass sie stattgefunden hatten und das wiederum stärkte mein Selbstvertrauen.“

Es hat sich genau diese „Nicht-Flüchtigkeit“ als Einstiegshürde ins onlineCoaching herausgestellt. Man muss für das onlineCoaching weder gerne noch gut schreiben können. Wenn sich allerdings jemand nicht festlegen will und die Tendenz hat, dem Nachdenken auszuweichen, dann ist auch das Präsenzcoaching schwierig - textbasiert geht es jedoch gar nicht.

Schriftliche computervermittelte Kommunikation gehört heute fast zu jedem beruflichen Alltag. Viele Führungskräfte arbeiten in und mit virtuellen Teams. Gerade onlineCoaching wäre für Anliegen in diesem Feld das angemessene Verfahren. Und nicht zuletzt bietet onlineCoaching den passenden Raum für die „anlassfreie Beratung“ (Loos, W., S.125) oder die „auffangende Beratung in turbulenten Zeiten“, der jederzeit ohne Terminabsprache aufgesucht werden kann.

Fazit

Für mich hat onlineCoaching einen ganz besonderen Zauber: ich begleite einen Lern- und Entwicklungsprozess, einen Weg von der Erfahrung zum Lernen aus Erfahrung, der durch die Verschriftlichung nachvollziehbar wird. Dieser Prozess hat seine eigene Zeit und seinen ganz eigenen Rhythmus. Ich schätze es, dass ich im onlineCoaching meinen Kundinnen und Kunden die Steuerung dieses Prozesses weitestgehend übergeben und ihren Bedürfnissen entgegenkommen kann. Die Verlangsamung durch das zeitversetzte Schreiben und Lesen, die Möglichkeit in Ruhe nachdenken zu können, ist gerade in der heutigen Zeit, in der alles schnell gehen muss und verglichen mit der ungeheuren Geschwindigkeit in der Face-to-Face-Kommunikation eine Wohltat.

Literatur

  • Buchholz Michael/von Kleist, Cornelia (1997). Szenarien des Kontaktes. Eine metaphernanalytische Untersuchung stationärer Psychotherapie. Gießen: Psychosozial-Verl.
  • Drömmel, Raimund (2011). Sprachwissenschaftliche Kriminalistik und Sprachprofiling : Anfänge, Kontroversen, Meilensteine, Fallbeispiele. Graz: Inst. für Sprachwiss., Univ. Graz.
  • Greif, S. (2008). Die härtesten Forschungsergebnisse zum Coaching-Erfolg. Coaching-Magazin, 3, 46–49.
  • de Haan, Erik (2008). Die zehn Gebote: Was ein Coach von der Therapie-Forschung lernen kann. Wirtschaftspsychologie aktuell 2/2008, S. 34 – 38.
  • Loos, W. (2006). „Ich würde gerne weitermachen“. Vom problemorientierten Coaching zur anlassfreien Beratungsarbeit über längere Zeit. OSC Organisationsberatung Supervision Coaching, 2, 121–126.
  • Wagner, B. & Maercker, A. (2011). Psychotherapie im Internet - Wirksamkeit und Anwendungsbereiche. Psychotherapeutenjournal, 1/11, 33-42.
  • Schmidt-Lellek, Christoph J. (2007). Was heißt „dialogische Beziehung“ in berufsbezogener Beratung? Das Modell des Sokratischen Dialogs. Schreyögg, Astrid und Christoph J. Schmidt-Lellek (Hrsg.): Konzepte des Coaching. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Steffen, Karin (1995). Schreibkompetenz : Schreiben als intelligentes Handeln. Hildesheim u.a.: Olms-Weidmann.
  • Stokar von Neuforn, D. (2007). Zielgruppenorientierte Wahrnehmung von textsprachlich transportierten Indikatoren der Lernmotivation. http://www.competence-site.de/e-learning/Zielgruppenorientierte-Wahrnehmung-textsprachlich-transportierten-Indikatoren-Lernmotivation [13.06.2012]
  • Taesler, Philipp und Monique Janneck (2010). Emoticons und Personenwahrnehmung: Der Einfluss von Emoticons auf die Einschätzung unbekannter Kommunikationspartner in der Online-Kommunikation. Gruppendyn.Organisationsberat. 41. 375 – 384.
  • Winkler, Brigitte (2012). Traust du mir – trau ich dir. Wie entsteht Vertrauenswürdigkeit? OrganisationsEntwicklung Nr. 1|2012, S. 24 – 31.
  • Wygotski, Lew Semjonowitsch (1977). Denken und Sprechen. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag.
  • Wolf, Maryanne (2010). Das lesende Gehirn: wie der Mensch zum Lesen kam - und was es in unseren Köpfen bewirkt. Heidelberg: Spektrum Akad. Verl.