Menschen mit Handicap - eine Chance für Unternehmen

Die berufliche Inklusion von Menschen mit Behinderung ist für viele Unternehmen noch immer ein schwieriges Thema. So fragen sich viele Arbeitgeber, ob sie die notwendigen Strukturen bereitstellen können, um Mitarbeiter mit Handicap in die Betriebsabläufe einzubinden. Dabei können nicht nur große sondern auch kleine und mittlere Unternehmen von der Inklusion profitieren - und auf die Unterstützung durch staatliche Einrichtungen zählen.

Die Integration von Menschen mit geistigem oder körperlichem Handicap ist nicht nur Thema für Schulen und Kindergärten, sondern betrifft längst auch Unternehmen, die mit dem Zeitgeist der Inklusion gehen wollen. Allen anderen Unternehmen soll die Einbindung von Menschen mit Behinderung durch die sogenannte „Ausgleichsabgabe" gesetzlich näher gebracht werden.

So ist jedes Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern dazu verpflichtet, fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Wer diese Vorgabe nicht erfüllt, zahlt pro Monat und unbesetzter Stelle zwischen 105 und 260 Euro Strafe. Hier sehen sich vor allem mittelständische Betriebe mit einem Problem konfrontiert: Sie sind groß genug, um strafbar zu sein - aber zu klein, um geeignete Beschäftigungen für Menschen mit Handicap zu finden?

Trotz anfänglichem Mehraufwand - die Vorteile überwiegen

Dies stellt sich als Trugschluss heraus, wenn man die verschiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten in Erwägung zieht. Ein Blinder führt eben Telefongespräche, Menschen im Rollstuhl sind für Büroarbeiten besonders geeignet, geistig Behinderte empfehlen sich für handwerkliche Tätigkeiten. Eine weitere Hürde für viele Unternehmer ist auch der zusätzliche Kündigungsschutz, der Schwerbehinderte betrifft. Kündigungen von Menschen mit Behinderung werden vom zuständigen Integrationsamt geprüft und gelten nur dann, wenn das Amt zustimmt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Mitarbeiter mit Handicap „unkündbar“ sind. Vielmehr wird verhindert, dass eine Kündigung im Zusammenhang mit der Behinderung steht.

Entscheidend für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer ist die Frage, ob Beschäftigter und Beschäftigung zusammenpassen. Hier helfen die Agenturen für Arbeit und die Integrationsämter: Sie bieten kostenlos individuelle Beratungen, bezuschussen die Einarbeitung von Menschen mit Handicap oder die Ausbildung von Jugendlichen und übernehmen die Kosten einer Probebeschäftigung. Außerdem sieht der Staat eine finanzielle Unterstützung bei Investitionen in eine behindertengerechte Infrastruktur vor.

Zwar erfordert die Einstellung von Menschen mit Handicap eine erhöhte Kraftanstrengung bei der Eingliederung in das Unternehmen. Sind Menschen mit Handicap aber erst einmal in den Betrieb integriert, sorgen sie für eine Bereicherung durch die höhere Heterogenität des Mitarbeiterstabs und üben positiven Einfluss auf das Arbeitsklima aus. Gleichzeitig legen gerade Mitarbeiter mit Handicap häufig eine erhöhte Leistungsbereitschaft und besondere Zuverlässigkeit an den Tag.

So können auch mittelständische Unternehmen profitieren

Ein Weg der Inklusion ist die Integration von Menschen mit Handicap ins eigene Unternehmen. Hierzu lohnt es sich, zunächst die individuellen Beratungen der Agentur für Arbeit und des Integrationsamtes in Anspruch zu nehmen. Anschließend können auf Online-Jobbörsen wie Yourfirm.de Menschen mit Handicap durch speziell ausgeschriebene Stellenanzeigen angesprochen werden. Im dritten Schritt gilt es, die neu gewonnene Fachkraft zu integrieren. Dabei leisten die Agentur für Arbeit und das Integrationsamt finanzielle Unterstützung.

Ein anderer Weg, Menschen mit Behinderung in das Arbeitsleben zu integrieren, sind Behindertenwerkstätten. Diese bieten gerade denjenigen Menschen eine Arbeit, die auf dem offenen Arbeitsmarkt nicht fündig werden. Für Unternehmen besteht die Möglichkeit, Teile der Produktion dorthin auszulagern. Da die Betreuung, die Räumlichkeiten sowie das Management aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, kann eine solche Auslagerung eine erhebliche Kostenersparnis für das Unternehmen bedeuten.

Ein Vorreiter aus dem Mittelstand ist hier beispielsweise die Ifm Electronic GmbH aus Tettnang, die bereits langjährig mit einer benachbarten Werkstatt für behinderte Menschen (Pfingstweid WfbM) zusammenarbeitet. Dabei übernimmt die Pfingstweid WfbM Produktionsprozesse, bei denen ein besonders hoher Anspruch an Qualität und Sauberkeit besteht. Durch den Erfolg der Kooperation ermutigt, hat sich der Mittelständler Ifm Electronic nun dazu entschlossen, Arbeitsplätze für Menschen mit Handicap auch in der eigenen Produktion zu schaffen.

Zusammenfassend bleibt also die Erkenntnis, dass die Beschäftigung von Menschen mit Handicap diesen nicht nur eine wichtige Lebensaufgabe vermittelt, sondern auch für das Unternehmen eine gewinnbringende Chance darstellt. Die Ausgleichsabgabe unterstützt dabei die Unternehmen, die diese Chance wahrnehmen auf Kosten derer, die sich weigern, Menschen mit Handicap einzustellen. Eine Entscheidung zugunsten von Menschen mit Handicap bringt also sowohl einen ideellen als auch einen finanziellen Mehrwert für den Betrieb. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können es sich Unternehmen nicht erlauben, auf fähige Mitarbeiter zu verzichten - nur weil diese eine Behinderung haben.