INTERKULTURELLE KOMPETENZ: ZUM UMGANG MIT MITARBEITERN IN CHINA

Immer mehr Unternehmen aus Europa sind mittlerweile in China aktiv bzw. besitzen vor Ort eigene Niederlassungen oder Produktionsanlagen. So weit so gut, gäbe es da nicht die sehr deutlichen
kulturellen Unterschiede zwischen Europa und der Volksrepublik.
Wer beim Kontakt zu chinesischen Kollegen oder bei der Führung von chinesischen Mitarbeitern dauerhaft Erfolg haben möchte, sollte einige interkulturelle Besonderheiten beachten! In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist es beispielsweise ein übliches Vorgehen, Mitarbeiter durch Sondervergütungen oder Prämien zu besseren Leistungen zu motivieren. In China wird dieses individuelle Anreizsystem jedoch weniger geschätzt, da es eine einzelne Person hervorhebt. Chinesische Mitarbeiter sehen die eigene Leistung oft als das Ergebnis der gesamten Gruppe an. Eine Belohnung einzelner Mitarbeiter ist daher wenig zielführend; vielmehr sollte das gesamte Team eine Prämie erhalten. Zudem gilt: Wird nur ein Mitarbeiter gelobt, gehen dessen Kollegen schnell davon aus, dass sie – durch das Ausbleiben von Lob an ihrer eigenen Person – indirekt kritisiert wurden. Dies ist ein weiterer Grund, warum eher die Leistung der ganzen Gruppe berücksichtigt werden sollte.

Eine weitere Option ist es, ein bestimmtes Team oder eine komplette Abteilung zum Vorbild für alle restlichen Teams zu machen. Da in der Volksrepublik die Rolle von Vorbildern oft als erstrebenswertes Ideal gesehen wird, ist dies eine sehr erfolgsversprechende Vorgehensweise.

KRITIK INTERKULTURELL GESCHICKT KOMMUNIZIEREN

Die Art und Weise wie mit Konflikten und Kritik umgegangen wird, unterscheidet sich in China sehr stark von unserer Art. Während man in Deutschland, Österreich und der Schweiz meist sachlich diskutiert, wird Feedback im Osten Asiens meist auf einer persönlichen Ebene wahrgenommen. Sprich: Die ausgesprochene Kritik wird nicht sachlich, sondern persönlich genommen. Im schlimmsten Fall fühlt sich Ihr chinesisches Gegenüber also persönlich beleidigt. Kontroverse Diskussionen zum Austausch und zur Beurteilung von Informationen sowie direkte Kritik sind Chinesen daher meist unangenehm.

Im Folgenden finden Sie einige Hinweise, wie Sie als Manager Kritik gegenüber Chinesen interkulturell geschickt anbringen können:

  • Kritik wird in China oft indirekt geäußert. Danach folgt oft eine Relativierung, damit die Person, welche die Kritik empfängt, sich nicht persönlich angegriffen fühlt. Daran sollten Sie sich möglichst halten! Es sollte die Gesamtheit des Handelns beurteilt werden und nicht nur eine Einzelsituation. Erkundigen Sie sich zudem bitte nach möglichen Ereignissen im Umfeld, damit Sie die Gründe für das Verhalten Ihrer Mitarbeiter besser verstehen.
  • Vermeiden Sie einseitige Schuldzuweisungen!
  • Fördern Sie das Selbsterkennen von Fehlern durch indirekte Hinweise.
  • Wenn Sie Kritik anbringen möchten, sollten Sie Ihrem chinesischen Gegenüber gleichzeitig entschuldigende Erklärungen anbieten. So zum Beispiel: „Ich kann mir gut vorstellen, dass der viele Stress, den wir momentan haben, Fehler begünstigt.“ So wird die Kritik mit einem Umstand begründet, der nicht am Mitarbeiter selbst liegt.
  • Verlangen Sie nicht, dass Ihr chinesischer Mitarbeiter die „Schuld“ an einem Ereignis eingesteht, dies würde zu einem schweren Gesichtsverlust führen.

AUFGABENDELEGATION UND KOOPERATION

Eine eigenständige Ausführung von Aufgaben sowie ein selbstständiges Lösen von auftretenden Problemen können in der Regel nicht von allen Chinesen erwartet werden. Dies liegt zum großen Teil an der langjährigen Trennung von planenden und ausführenden Tätigkeiten. Deshalb sollten Vorgesetzte möglichst mit detaillierten, ausführlichen und besonders exakten Arbeitsanweisungen arbeiten. Sie werden bemerken, dass diese danach umso fleißiger und effizienter von Ihren chinesischen Mitarbeitern umgesetzt werden.

In China hegen selbst Akademiker das Ideal, dass eine gute Leistung dann vorliegt, wenn Arbeitsanweisungen besonders exakt umgesetzt werden. Eine Aufgaben- und Verantwortungsdelegation von oben nach unten ist deshalb also eher selten ein effektives Mittel zur Mitarbeitermotivation. Eine starke Kontrolle der aufgetragenen Arbeiten hingegen ist unerlässlich, besonders dann, wenn es um die Einhaltung von Terminen geht: Chinesische Manager haben hierbei eine sogenannte „Holschuld“. Sie müssen viel öfter nach dem Rechten schauen; sich die Informationen quasi holen. Denn: Fragt ein Vorgesetzter nicht nach, werden Ihre chinesischen Mitarbeiter unter Umständen das Arbeiten an der Stelle, an der sie nicht weiter kommen, einstellen, ohne Ihnen Bescheid zu geben. Dies steht im klaren Kontrast zu der in Deutschland, Österreich oder der Schweiz eher üblichen „Bringschuld“, die besagt, dass ich – wenn ich ein Problem bemerke – alle damit in Kontakt stehenden Personen informiere. Ich „bringe“ ihnen quasi die Informationen, daher „Bringschuld“.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist dabei die eingeschränkte Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen oder Arbeitsgruppen. Dies ist durch das chinesische System der Danwei (übersetzt bedeutet dies „Arbeitseinheit“) geprägt. Grundsätzlich gilt, dass Chinesen oft nur innerhalb ihres eigenen Bekanntenkreises interagieren. Neue Beziehungen werden eher selten aufgebaut. Des Weiteren gelten Gruppenzugehörigkeiten oft ein ganzes Leben lang. Dies bewirkt selbstverständlich eine mangelhafte Kommunikation zwischen verschiedenen Gruppen, da sie selten persönliche Kontakte zueinander pflegen.

Bitte bedenken Sie bei den hier gegebenen Hinweisen, dass sich nicht alle Chinesen gleich verhalten. Sprich: Interkulturelle Kompetenz bedeutet eigentlich, ein Gefühl für sein Gegenüber, dessen Bedürfnisse und erwünschte Verhaltensweisen zu entwickeln. Die hier gegebenen Hinweise können Ihnen daher gern als Anhaltspunkt dienen, jedoch bitte nicht als Gesetz, welches für alle Menschen eines Landes in gleichem Maße gilt.

Der Autor, Markus Eidam, arbeitet als Geschäftsführer beim interkulturellen Weiterbildungsanbieter Eidam & Partner, welcher seit dem Jahr 2004 Interkulturelle Trainings, Interkulturelle Coachings zu 80 Zielländern sowie zu verschiedenen länderübergreifenden Themen anbietet.