Herausforderung Strategisches Human Resource Management

KURZFASSUNG: In vielen Unternehmen wird angestrebt, das Human Resource Management (HRM) so zu gestalten, dass es mit der Unternehmensstrategie korrespondiert. Dies kann jedoch nicht immer erfolgreich umgesetzt werden. Denn entgegen der verstärkten Forderung eines strategischen HRM (SHRM), sowohl durch Fachkreise von Praktikern als auch von wissenschaftlicher Seite, nahm die Bedeutung der HRM-Bereiche bei strategischen Aktivitäten und Entscheidungen, nach zunächst steigenden Tendenzen im Jahr 2010, wieder ab. In diesem Beitrag werden zentrale Aspekte aufgezeigt, durch die die effektive Etablierung eines SHRM in Organisationen sichergestellt werden kann, um diesem negativen Trend entgegen zu wirken.

1. Bedeutung des (S)HRM für den Unternehmenserfolg

Die große Bedeutung der Ressource „Mitarbeiter“ (besonders von strategisch wichtigen Mitarbeitergruppen) für den Unternehmenserfolg, wird vor dem Hintergrund aktueller Trends (demografische Entwicklung, zunehmend wissensbasierter Wettbewerb etc.) in vielen Unternehmen betont.

Wissenschaftliche Studien konnten zudem durch empirische Untersuchungen belegen, dass das strategische Human Resource Management (SHRM) einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet (Wright, Gardner, Moynihan & Allen, 2005; Lengnick-Hall, Lengnick-Hall, Andrade & Drake, 2009). In der Folge steigt die Erwartungshaltung an Personalbereiche, das HRM strategisch zu gestalten. Zudem gehört die strategische Arbeit auch zunehmend zum Selbstverständnis der Akteure in den Personalbereichen. In diesem Überblicksartikel wird aufgezeigt, wie die Anbindung des HRM an die strategischen Ziele eines Unternehmens sichergestellt werden kann, um so durch den Einsatz von Personalmanagementinstrumenten die Leistungsfähigkeit einer Organisation zu erhöhen.

2. Zentrale Fragestellungen und Aspekte des Strategischen Human Resource Managements

Bei der strategischen Gestaltung des HRM sind neben den „klassischen“ Arbeitsbereichen wie z. B. Personalauswahl oder Personalentwicklung vor allem prozessuale Aspekte von Bedeutung: Wie wird sichergestellt, dass strategische Entscheidungen in die Personalarbeit integriert und umgesetzt werden? Dafür sind eine enge Vernetzung des HRM-Bereiches sowohl mit der Unternehmensleitung als auch mit den Fachbereichen notwendig.

Damit der HRM-Bereich dazu beitragen kann, dass das Unternehmen seine strategischen Ziele erreicht, ist die Planung des qualitativen und quantitativen Personalbedarfs eine wichtige Voraussetzung. Dafür ist die Auseinandersetzung mit folgenden Fragestellungen notwendig:

  • Welche Mitarbeitergruppen werden vor dem Hintergrund der strategischen Ziele in welchem Umfang benötigt?
  • Wie ist die interne und externe Verfügbarkeit der benötigten Mitarbeitergruppen?

Den Mitarbeitergruppen, die eine hohe strategische Bedeutsamkeit haben und in geringem Maß am internen oder externen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, muss bei der folgenden Maßnahmenplanung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden (Lepak & Snell, 1999; Huselid & Becker, 2011).

Auf der Grundlage der differenzierten Personalplanung können „zielgruppenspezifische“ HRM-Programme und -prozesse für die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen unter Berücksichtigung der jeweiligen Notwendigkeiten und Bedingungen entwickelt werden.

Um nachvollziehen zu können, ob mit den aufgesetzten Prozessen und etablierten Maßnahmen auch tatsächlich die strategischen Ziele erreicht werden konnten, ist die Konzeption eines HRM-Kennzahlensystems und ein fortlaufendes HRM-Monitoring notwendig (Huselid & Becker, 2005).

Untersuchungen zu strategischen HRM-Konzepten von Unternehmen haben gezeigt, dass diese in vielen Fällen zwar vorliegen, aber nicht im Unternehmen umgesetzt werden konnten und somit „Lippenbekenntnisse“ blieben (Gratton & Truss, 2003). Effektives SHRM muss sich entsprechend durch hohe und nachhaltige Umsetzungsstärke auszeichnen.

Die zuvor genannten Punkte lassen sich in einem Prozessablauf strategischer Personalarbeit zusammenfassen (siehe Abb. 1).

3. Entwicklung einer unternehmensspezifischen HRM-Architektur

Durch die differenzierte Betrachtung der gesamten Mitarbeiterschaft kann sichergestellt werden, dass alle Mitarbeitergruppen, besonders die strategisch Bedeutsamen, dem Unternehmen in ausreichendem Maß und zum benötigten Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Eine solche segmentierende Herangehensweise ermöglicht es zudem, neben der übergeordneten Unternehmensstrategie auch Geschäfts-, Funktionsbereichs- und Regionalstrategien in das HRM zu integrieren. Auf diesem Weg entsteht ein HRM-Gesamtsystem, eine sogenannte unternehmensspezifische „HRM-Architektur“.

Diese HRM-Architektur umfasst die auf die einzelnen Zielgruppen abgestimmten HRM-Programme und -Prozesse. Diese Programme und Prozesse müssen zum einen eine Passung zur Unternehmens-, Geschäftsbereichs-, Funktions- oder Regionalstrategie haben, zum anderen müssen die aufgesetzten Maßnahmen untereinander kohärent sein. So sollten z. B. interne und externe Auswahlentscheidungen für bestimmte Mitarbeitergruppen auf der Grundlage der gleichen strategisch abgeleiteten Kompetenzprofile getroffen werden. Diese strategischen Kompetenzprofile sollten zudem die Grundlage für Personalbeurteilungsprozesse bilden und für die Festlegung variabler Gehaltsbestandteile relevant sein.

Die in Abbildung 2 dargestellten zielgruppenspezifischen HRM-Maßnahmen und -Prozesse beziehen sich vor allem auf die „klassischen“ Aufgabenfelder des HRM (Personalauswahl, Personalentwicklung etc.). Um als strategischer Partner im Unternehmen agieren zu können, müssen HRM-Bereiche jedoch verstärkt auch notwendige neue Themenbereiche kompetent abdecken können. Hierzu zählen insbesondere folgende Themen- und Aufgabenbereiche: Change Management und Begleitung von Transformationsprozessen und damit einhergehend Fragen der Kulturentwicklung in Unternehmen, die Gestaltung und Sicherstellung organisationaler Lernprozesse, Fragen der strukturellen Gestaltung von Organisationen und gesellschaftliche Veränderungen wie die demografische Entwicklung oder die von Mitarbeitern verstärkt gestellte Forderung nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance.

Vor dem Hintergrund der komplexen Probleme, mit denen sich Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaftswelt konfrontiert sehen, z. B. dem Aufbau einer umfassenden HRM-Architektur, ist in der Management-Literatur ein Trend zu „Best practice“-Lösungen erkennbar, die sich an der Herangehensweise besonders erfolgreicher Unternehmen orientieren. Theoretische Überlegungen und empirische Befunde sprechen jedoch gegen diese vereinfachende „one size fits all“-Vorgehensweise. Vielmehr ist es erforderlich, für die jeweilige Unternehmenssituation passende Lösungen zu entwickeln. Wenn diese Passung hergestellt werden kann, gibt es dann für ein Unternehmen nicht nur eine mögliche HRM-Architektur, die einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann.

Vielmehr können sich bei gegebener Passung zur Unternehmenssituation und zur Unternehmensstrategie unterschiedliche HRM-Systeme bzw. HRM-Architekturen gleich effektiv auf den Unternehmenserfolg auswirken (Alcazar, Fernandez & Gardey, 2005).

4. Etablierung als strategischer Partner

Die Personalbereiche in Unternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten, aus einer zunächst stark administrativen Rolle heraus, hin zu aktiveren, stärker an den Geschäftsbedürfnissen ausgerichteten Unternehmensbereichen entwickelt. Dies ist an dem in vielen Unternehmen proklamierten „HR-Business-Partner-Modell“ erkennbar. Die Etablierung als strategischer Partner und Akteur scheint in vielen Fällen jedoch noch nicht vollständig gelungen (Capgemini Consulting, 2011). Um diese zu erreichen, ist auf Unternehmensseite notwendig, HRM-Angelegenheiten auf oberster Management-Ebene anzusiedeln und ihnen die entsprechende Bedeutung beizumessen. Um diese Einsicht in Unternehmen durchzusetzen, sollten HRM-Berereiche durch qualitativ hochwertige Arbeit und einen im Unternehmen wahrnehmbaren Beitrag bei der Lösung organisationaler Problemstellungen „Überzeugungsarbeit“ leisten.

Innerhalb der HRM-Bereiche sollte daran gearbeitet werden, das strategische Selbstverständnis im Rahmen von HRM-internen Change Management- und Kulturveränderungsprozessen noch weiter zu entwickeln und bei den Akteuren in den Personalbereichen noch stärker zu verankern.

Für eine erfolgreiche strategische Arbeit müssen HRM-Bereiche personell quantitativ ausreichend ausgestattet sein und die dort tätigen Mitarbeiter über die benötigten Kompetenzen verfügen. Darauf sollte die Personalauswahl und -entwicklung in den HRM-Abteilungen abgestimmt werden.

5. Umsetzungsempfehlungen für effektives SHRM

SHRM ist komplex und vielschichtig und aus diesem Grund kein leichtes Unterfangen. Wenn es Unternehmen jedoch gelingt, die Herausforderung zu meistern, effektive HRM-Architekturen aufzubauen, können diese einen entscheidenden Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.

Zur Unterstützung beim Aufbau eines erfolgreichen SHRM sind hier abschließend einige Handlungsempfehlungen zusammengefasst:

  • Keine HRM-Maßnahmen als Selbstzweck einsetzen, sondern alle Maßnahmen und Instrumente konsequent an den Anforderungen „des Business“ ausrichten
  • Qualitativ hochwertige Personalplanungsprozesse etablieren
  • Enge Vernetzung des HRM-Bereichs durch kontinuierlichen Dialog mit Geschäfts- und Funktionsbereichen im Unternehmen sicher stellen, um

    • fortlaufend den Überblick über die HRM-relevanten und strategischen Anforderungen im Unternehmen zu erhalten und darauf reagieren zu können
    • den HRM-Bereich in den Geschäfts- und Funktionsbereichen als akzeptierten Partner zu etablieren

  • HRM-Kennzahlen und regelmäßige Monitoring-Prozesse definieren
  • Für unterschiedliche Mitarbeitergruppen strategiekonforme HRM-Konzepte und -Prozesse entwickeln
  • Erarbeitung einer Vision für den Bereich HRM sowie einer HRM-Strategie und deren kontinuierliche Weiterentwicklung
  • Sehr gute Aus- und fortlaufende Weiterbildung der Mitarbeiter im HRM-Bereich
  • Durchführung von „Kompetenzassessments“ zur Feststellung benötigter und vorhandener Kompetenzen im HRM-Bereich
  • Sicherstellung des Commitments des Top-Managments zu HRM-Themen
  • Unternehmenskulturelle Aspekte bei der Entwicklung von Systemen und Prozessen berücksichtigen
  • Proaktive und systematische Herangehensweise verfolgen, ohne vorschnellen Aktionismus

Dieser Artikel erschien im Buch von J. Nachtwei & C. von Bernstorff (Hrsg.), Personalarbeit im Spannungsfeld von Qualitätsanspruch und praktischen Grenzen. HR Consulting Review 01/2012