Coaching als Instrument zur Führungskräfteentwicklung bei den großen Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland

In allen öffentlich zugänglichen Untersuchungen zum Coaching-Markt werden die ‚sonstigen Dienstleistungsunternehmen’ als mehr oder weniger homogener Block ausgewiesen, gelegentlich werden die Finanzdienstleister separiert. Meist sind die Dienstleistungsunternehmen die größte Kundengruppe in den Untersuchungen und sie scheinen sehr Coaching-affin zu sein.

Eine Teilgruppe davon sind die ‚reinen Dienstleistungsunternehmen’, nämlich die, die als einzige Ware die Kompetenz ihrer Mitarbeiter verkaufen, dazu gehören die Unternehmensberatungen und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Masterthesis von Ulrike Mészáros befasst sich mit der Frage, wie sich die Inanspruchnahme von Coaching in dieser Klientel von der anderer Unternehmen unterscheidet11. Zudem sollten die Meinungen der Coaching-Verantwortlichen und die der Coaching-KundInnnen in dieser Zielgruppe mit einander verglichen werden.

Befragt wurden die Coaching-Verantwortlichen in zwei der vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und in vier der 15 größten Unternehmensberatungen in Deutschland. Mit ihnen wurde ein persönliches Interview mit einer Länge von ca. einer Stunde geführt.

Da einerseits die Coaching-Verantwortlichen keinen direkten Kontakt mit den Coachees zuließen und nur einige bereit waren, Mitarbeiter zur Teilnahme an der Studie einzuladen , die Studie andererseits aber unbedingt die Meinung der Coachees untersuchen sollte, wurden u.a. die relevanten Medien um ihre Unterstützung gebeten und private Kontakte genutzt.

Schlussendlich konnten per Online-Befragung die Meinungen von 38 Coaching-KundInnen erhoben werden. Die Teilnehmer kamen aus allen Hierarchieebenen, entsprechend war die Altersverteilung. Ein Viertel der TeilnehmerInnen waren Frauen.

Im Vergleich der Antworten von Coaching-Verantwortlichen mit denen der Coachees zeigte sich, dass die Vorstellungen von Unternehmen und Coachees ähnlich waren, aber nicht gleich. Das Hauptziel, das die Unternehmen mit dem Angebot von Coaching verfolgen, ist die Verbesserung der beruflichen Leistungen durch Anhebung der sozialen und der Führungskompetenzen. Für die Coaching-KundInnen steht die Befähigung für neue (Führungs-) Aufgaben im Vordergrund. Unternehmen wie auch Coachees geht es neben der Unterstützung bei der Veränderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten auch um Unterstützung bei der Veränderung von Sichtweisen, Einstellungen und Werten.

Ein Themenkomplex, der aus Sicht der Coaching-Verantwortlichen von untergeordneter Bedeutung ist, den aber immerhin rund 25% der Coachees zum Anlass ihres Coachings nahmen, waren Stress-Abbau/-Prävention, Work/Life-Balance, Burn-Out-Prävention und -Nachsorge, Umgang mit Misserfolgen, Motivationsverlust und Wunsch nach Neuorientierung.

Hier zeigt sich auch der größte Unterschied zur Coaching-Nutzung anderer Unternehmensgruppen: während Coaching aus Sicht der Coaching-Verantwortlichen in anderen Unternehmensgruppen in hohem Maße präventionsorientiert eingesetzt wird, spielt dies bei Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eine sehr untergeordnete Rolle – Coaching ist hier eher potential- und defizit-orientiert. Auch wird es kaum eingesetzt, um Wandel in den Unternehmen zu unterstützen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Unternehmen, stellen Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ausschließlich Akademiker ein und bevorzugt solche, die sich durch hohe analytische Fähigkeiten auszeichnen. Diese haben zwar eine hohe Problemlösungskompetenz, aber soziale und Führungskompetenzen sind weniger Kriterien bei der Mitarbeiterauswahl.

So setzen denn auch alle Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Coaching durch externe Berater als Mittel zur Führungskräfteentwicklung ein. Allerdings steht es in rund zwei Dritteln der Unternehmen nur den oberen Managern zur Verfügung, besonders den neu ernannten Partnern. Ein Verbesserungsvorschlag der Mitarbeiter ist, externes Coaching als optionales Modul in die Standard-Ausbildung für Führungskräfte aufzunehmen und es sehr viel offensiver anzubieten als heute.

Vermutlich auch wegen des kleinen Kreises an Berechtigten, ist die Nutzung von externem Coaching in Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sehr gering. Andererseits haben sie alle ihre Coachings-Pools, die mit im Durchschnitt rund dreißig regional verteilte Coaches erheblich größer sind als die anderer Unternehmen.

Für die Unternehmen ist die Messung des Erfolges von Coaching wichtig und wird daher auch bei allen durchgeführt. Die Coaching-KundInnen stellen die Wirkung des Coachings allerdings überwiegend ‚durch Veränderungen an sich selbst’ bzw. der veränderten Reaktion ihres Umfeldes fest und stehen einer Erfolgsmessung reserviert gegenüber.

Interessant ist noch, dass acht der 38 Coachees angaben, dass ihre Coachings überhaupt nicht auf ihre eigenen Initiative hin zustande gekommen sei. Trotzdem vertrat nur eine(r) der Coaching-KundInnen die Ansicht, kein weiteres Coaching in Anspruch nehmen und es auch nicht weiter empfehlen zu wollen, zwei waren sich noch nicht sicher. Das bedeutet aber, dass fünf der acht ‚geschickten’ KundInnen trotzdem einen Nutzen aus dem Coaching gezogen haben, es wieder würden nutzen und es auch weiter empfehlen wollen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Coaching ähnlich nutzen wie andere Unternehmen, allerdings wesentlich weniger präventionsorientiert und weniger zur Unterstützung von unternehmerischem Wandel. Zudem sind die Nutzer externen Coachings überwiegend in den oberen Hierarchieebenen zu finden.


1 Zum Vergleich herangezogen wurden entsprechende Veröffentlichungen von Böning/Fritschle (2005), von Stephan/Gross/Hildebrandt (2010), von Tonhäuser (2010) und vom DBVC (2011)