Absageschreiben – Wie individuell darf es sein?

Wer kennt das nicht? Es muss eine negative Nachricht überbracht werden und weil das nie eine schöne Aufgabe ist, schiebt man es immer wieder auf - bis es zu spät ist. Doch selbst, wenn sich ein Herz gefasst wird, bleibt die Frage: Wie formuliere ich die Botschaft angemessen? In Unternehmen ist das mit Bezug auf Absagen zu erhaltenen Bewerbungen nicht anders. Keine Rückmeldung ist aber mit Sicherheit der schlechteste Weg.

In Employer Branding investieren, aber nicht in Absageschreiben?

Unternehmen sollten sich zunächst bewusst machen, dass zu einer positiven Gestaltung der Arbeitgebermarke auch der Umgang mit den Bewerbern gehört, die für das Unternehmen nicht interessant sind. Es ist ein leicht gemachter Fehler, sich auf das für einen selbst Interessante und Nützliche zu konzentrieren und dabei alles andere aus den Augen zu verlieren. Dabei stellt sich erst nach der erfolgten Bewerbung heraus, ob ein Bewerber interessant ist, wenn der Umgang aber nicht stimmt, werden diese Bewerbungen mittelfristig ausbleiben. Wie schon Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick bemerkte, „man kann nicht nicht kommunizieren“ und schweigen sendet auf jeden Fall eine negative Botschaft. Außerdem sind gute Absagen ein vergleichsweise günstiges Instrument des Employer Branding.

Die Fallen des AGG

Es ist aber nicht nur das schlechte Gewissen des Personalers, das viele Unternehmen vom Verfassen eines (persönlichen) Absageschreibens abhält. Ironischerweise ist es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das dem Bewerber eigentlich zu Gute kommen soll, bei Unternehmen aber auch nahezu panische Angst vor Fettnäpfchen in der Formulierung von Absagen auslöst. Deshalb greifen Personaler gerne auf kurze und dreifach rechtsgeprüfte Standartschreiben zurück. Die bleibende Frage ist, ob solche Nachrichten genügen, um dem Bewerber ein Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln.

Von heißer Luft und Phrasendrescherei

Auf der anderen Seite kann man sich aber auch in Floskeln und Phrasen verrennen, wenn ein „individuelleres“ Schreiben verfasst wird. „Es liegt nicht an dir“ gilt nicht umsonst als Klassiker in der Rangliste hohler Abfuhren. Auch die Bitte, die Absage „nicht als Wertung Ihrer Person“ zu verstehen, liest kein Bewerber gerne – schließlich ist die Absage doch meist auf gewisse Art eine Wertung der Person. Jeder Personaler sollte verstehen, dass ein Absageschreiben im Grunde genommen das negative Äquivalent zum Anschreiben ist. Jeder Personaler kennt das Gefühl, wenn einem beim Lesen eines Textes bloß heiße Luft entgegen strömt oder aber das Gefühl, in just diesem Moment sitzen bestimmt noch 10 weitere Personalverantwortliche vor ihrem Schreibtisch und lesen dieselben Sätze. Frei nach dem Motto „Was du willst, das man dir tut…“ sollte die Absage deswegen vor allem eins sein: ehrlich. Natürlich spielt die Zahl der erhaltenen Bewerbungen eine Rolle bezüglich des Umfangs der Absagen. Allerdings wird vom Bewerber ja auch Individualität erwartet, obwohl dieser für seinen Erfolg in der Regel ebenfalls mehr als ein Unternehmen anschreiben muss. Personaldienstleister können hier besonders in der ersten Auswahlphase Entlastung schaffen, sollten die eigenen Kapazitäten nicht ausreichen.

Auf den Inhalt kommt es an

Inhaltlich hilft konstruktive Kritik dem Bewerber weiter, eine Erklärung der Bewerbungs- oder Stellensituation im Unternehmen sorgt für Verständnis. Gerne kann auch Positives hervorgehoben und, das aber nur bei realistischen Chancen, zu einer späteren Bewerbung ermutigt werden. Grade bei Bewerbern, die zu Gesprächen im Unternehmen waren und sich vielleicht sogar begründete Hoffnungen gemacht haben, sollte dies zur Unternehmenspflicht gehören, wenn nicht sogar der Griff zum Telefon. Letzteres kann genauso als Angebot in das Absageschreiben aufgenommen werden. So kann das Unternehmen zeigen, dass es sich für die Bewerber interessiert und transparent arbeitet.

Auf die Form allerdings auch

Neben dem Inhalt gibt es natürlich noch weitere wichtige Kriterien. Allen voran das Timing, denn eine nach Monaten erhaltene Absage ist überhaupt nichts mehr wert, bestenfalls. Andererseits wirft eine zu schnell verschickte Absage die Frage auf, wie intensiv die Bewerbung angesehen wurde. Es gilt folglich, einen Mittelweg zu finden und bei Verzögerungen im Bewerbungsprozess einen Zwischenstatus zu verschicken. Schriftliche Bewerbungsmappen sollten ebenfalls zurück gesendet werden, schließlich hat der Bewerber Geld investiert, weil er sich für das Unternehmen interessiert hat. Erfolgt das Absageschreiben auf dem Postweg, kann als Trost eine Kleinigkeit beigelegt werden. 
Ob als Brief, Mail oder im Telefonat – ein (angemessen!) positiver Grundton und keine negativ formulierten Sätze („Nicht den Kopf hängen lassen“, „leider“) sowie die zentrale Botschaft, die Absage, gleich zu Beginn sind das A und O.

Ist das AGG wirklich der Feind?

Bleiben noch die Befürchtungen hinsichtlich des AGG. Bei der Recherche bin ich unter einem Artikel auf einen Kommentar gestoßen. Der Verfasser berichtete von einem Freund, der versehentlich eine interne Mail zugeschickt bekam und in der sein Bewerbungsfoto mit „Taliban“ kommentiert wurde. Eine solche Begründung in der Absage wäre sicher mehr als nur ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften. Dabei geht es doch aber gar nicht allein um die Einhaltung von Vorschriften und Umgangsformen. Ein begründetes Absageschreiben befriedigt nicht nur das Bedürfnis vieler Bewerber, nicht mit offenen Fragen zurückgelassen zu werden. Es bietet auch dem Unternehmen die Möglichkeit darüber nachzudenken, wo die eigenen Prioritäten liegen und warum die Wahl entsprechend getroffen wurde. Kommt man während des Verfassens zu dem Schluss, die Formulierung könnte gegen das AGG oder etwas anderes verstoßen, ist das doch vielleicht eine Möglichkeit für das Unternehmen selbst, eben diese beiden Dinge noch einmal zu überdenken – und zwar nicht zuletzt aus Eigennutz.

 

PS: Werden Unterlagen „zur Entlastung des Unternehmens“ zurückgesendet, bekommt fast jeder Bewerber das Gefühl, er und seine Bewerbung seien eine Belastung gewesen. Die eigentliche Herkunft des Satzes kennt kaum noch jemand.

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